• Während hierzulande viele Krankenhausampeln auf Rot stehen, scheint die Lage in anderen europäischen Ländern mit viel höherer Inzidenz nicht so angespannt zu sein.
  • Einige von ihnen haben eine höhere Impfquote als Deutschland, zudem ist mancherorts die Verbreitung von Omikron bereits höher.
  • Sind das die Gründe dafür, dass die Gesundheitssysteme etwa in Frankreich oder Spanien offenbar nicht so überlastet sind?
Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzung der Autorin einfließt. Hier finden Sie Informationen über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Mehr Panorama-News

Rund drei Monate nach dem ersten Auftauchen der Coronavirus-Variante Omikron stehen ein paar Sachen fest: Tests können die Virusvariante aufspüren und Omikron ist erheblich ansteckender als die Varianten davor. Was hingegen noch nicht sicher beantwortet werden kann ist die Frage, wie krank Omikron macht.

Zwar gibt es Hinweise, dass es mehr mildere Verläufe gibt, dennoch macht auch diese Variante sehr viele Menschen sehr krank, vor allem ungeimpfte. Entwarnung sei nicht angebracht, sagte kürzlich der Virologe Christian Drosten.

Corona-Pandemie: Viele Ampeln auf Rot

Dass die Krankenhäuser in Deutschland schwer belastet bis überlastet sind, zeigt auch ein Blick auf die Ampeln im Register der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI-Intensivregister). In einigen Bundesländern stehen die Ampeln der Intensivstationen bei einem Drittel der Krankenhäuser auf Rot.

Mehr als 3.800 COVID-Erkrankte werden momentan in den Intensivstationen hierzulande betreut. In elf von 16 Bundesländern melden die Krankenhäuser eine Belegung von mehr als 85 Prozent, was als problematisch gilt. Oft muss der Betrieb dann eingeschränkt werden.

Inzidenz von mehr als 1.000, aber nicht überlastet? Impfquote nur ein Teil der Antwort

Dabei liegt die Inzidenz im Bundesdurchschnitt derzeit "nur" bei knapp 286 (Stand: Donnerstag, 6. Januar) - wobei sich das "nur" auf den Vergleich mit anderen europäischen Ländern bezieht. Spanien, Italien und Frankreich haben derzeit Inzidenzen von mehr als 1.000.

Auch dort heißt es zwar, etwa in Spanien, dass die Krankenhäuser "in Schwierigkeiten zu geraten drohen", wenn es mit dem Anstieg der Infektionszahlen so weitergeht. Italien hofft ebenfalls auf eine Trendumkehr, "um eine Überlastung der bereits stark beanspruchten Gesundheitsdienste zu vermeiden", wie es in einem Bericht der italienischen Regierung von Ende Dezember heißt.

Aber wäre eine Überlastung angesichts der riesigen Inzidenzen nicht fast zu erwarten? Warum ist die Lage in den Krankenhäusern in Frankreich, Italien, Spanien offenbar so anders als in Deutschland?

Eine Teil-Antwort liefert wohl die Impfquote. Auch wenn Deutschland hier in den vergangenen Wochen aufgeholt hat und inzwischen bei etwas über 71 Prozent vollständig geimpften Personen liegt (von denen rund 38 Prozent geboostert sind), ist sie in anderen EU-Ländern immer noch höher. In Frankreich liegt sie bei 73 (geboostert: 33) Prozent, in Spanien bei 80 (30) Prozent, in Italien bei 75 (34) Prozent.

Hinzu kommt, dass sich viele Menschen in Deutschland erst kürzlich ihre zweite Impfung abgeholt haben - und mit ihrem noch nicht vollständigen Impfschutz gegen das ansteckende Omikron in die vierte Welle hineingeraten sind.

Es gibt einige Gemeinsamkeiten, aber einen großen Unterschied

Doch wie viele Menschen liegen derzeit überhaupt mit COVID-19 auf den Intensivstationen in Deutschland und anderen EU-Ländern? Laut DIVI-Intensivregister sind es hierzulande etwas über 3.800. In Spanien sind es laut Daten-Plattform Our World in Data der Universität Oxford rund 1.900 (bei einer Inzidenz von rund 1.300), in Italien 1.400 (1.200), in Frankreich 3.365 (1.700).

Damit ist der Anteil der COVID-19-Patienten, die Intensivbetten belegen, in diesen Ländern teilweise niedriger (Italien: 15 Prozent), teilweise aber auch etwas höher (Spanien 21 Prozent) als hierzulande (17,4 Prozent).

Was Deutschland in dieser Welle aber vor allem von Italien, Frankreich und Spanien unterscheidet, illustriert eine Kurve, die das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (European Centre for Disease Prevention and Control, ECDC) für jedes EU-Land auf seiner Seite veröffentlicht hat (Anm. d. Red.: Unter "Countries" Land auswählen, unter dem Reiter "Hospital and ICU" befindet sich die Kurven-Grafik "ICU occupancy by COVID-19 cases").

Die Kurve gibt die Zahl der COVID-Intensivpatienten im Zeitverlauf wieder und zeigt deutlich: Diese Zahl ist sowohl in Spanien, als auch in Frankreich und Italien (bislang) deutlich niedriger als letzten Winter - wohingegen sie in Deutschland viel näher am Wert des Vorjahres und der letzten Welle im Frühjahr ist.

Anders gesagt: Obwohl es jetzt die Impfmöglichkeit gibt, die es im letzten Winter noch nicht gab, ist die Zahl der Menschen, die wegen COVID auf die Intensivstation müssen, nicht so viel niedriger als damals. In Spanien, Italien und Frankreich ist das anders.

Omikron-Anteil in den einzelnen europäischen Ländern

Neben der früher höheren Impfquote in Spanien/Frankreich/Italien (in Frankreich gibt es bereits seit Mitte September eine Impfpflicht für Gesundheitspersonal, in Italien schon seit Mai) mag das auch an der Verbreitung von Omikron liegen. Das wäre eine gute Nachricht, würde es doch die These bekräftigen, dass diese Virus-Variante nicht so schwerwiegende Folgen hat wie die Varianten davor.

Laut dem bislang letzten wöchentlichen Lagebericht des Robert-Koch-Instituts vom 30. Dezember lag der Anteil von Omikron bei den nachgewiesenen Infektionen in Deutschland bei 17,5 Prozent - wobei die Variante in einigen Bundesländern mittlerweile schon vorherrschend sein soll.

In Spanien liegt der Omikron-Anteil laut Gesundheitsministerium insgesamt bei knapp 42 Prozent, in Frankreich bei mehr als der Hälfte. Der Wert für Italien lag Mitte Dezember schon bei 21 Prozent, in einigen Regionen sogar bei 65 Prozent.

Frankreich und Spanien haben die Quarantäne schon verkürzt

Zum Teil wurden nach den folgenschweren Wellen der Vorjahre in einigen Ländern, zum Beispiel in Italien, auch massiv Betten aufgestockt. Ob das allerdings der entscheidende Punkt für die Belastungs-, aber nicht Überlastungssituation dort ist, ist offen. Italienische Medien kritisierten, dass es zwar nun mehr Betten, aber nicht genug Personal gebe, um die Patienten in diesen Betten betreuen zu können.

Interessant ist deswegen auch, wie andere Länder mit Quarantäneregeln umgehen. Schließlich fehlt durch "Quarantäne-Wellen" unter Umständen auch viel medizinisches Personal. Frankreich hat kürzlich die Quarantäne für vollständig Geimpfte auf sieben Tage herabgesetzt, mit Freitestungsoption ab Tag fünf.

Spanien verabschiedete eine entsprechende Regelung bereits Ende Dezember: Bei einem asymptomatischen oder leichten Verlauf soll auch hier die Quarantäne nur noch sieben Tage dauern. Ist die Person danach symptomfrei, muss sie sich nicht einmal mehr testen lassen, um wieder raus zu dürfen.

Bei dem Bund-Länder-Treffen am Freitag wird diese Frage sicher auch eine Rolle spielen.

Mehr Panoramathemen finden Sie hier

Verwendete Quellen:

  • DIVI-Intensivregister: Ampeln, aktuelle Lage und Zeitreihen
  • Bericht der italienischen Regierung zur aktuellen Corona-Lage
  • Bericht der spanischen Regierung zur aktuellen Corona-Lage und zu Omikron
  • elpais.com: La sexta ola sigue acelerando: 372.000 nuevos diagnósticos llevan la incidencia a 2.295 casos por 100.000 habitantes
  • ilmessaggero.it: «Omicron al 21% (in alcune Regioni al 65%), Delta al 79%». Brusaferro: contagi in crescita tra i bambini
  • ourworldindata.org ICU-Patienten
  • Bundesgesundheitsministeriums: Impfdashboard
  • Französische Gesundheitsagentur zum Thema Omikron
  • RKI: Wochenbericht vom 30. Dezember 2021
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.