Am Montag verkündet Biontech, über einen wirksamen Impfstoff gegen SARS-CoV-2 zu verfügen. Politik und Wissenschaft reagieren. Bundesforschungsministerin Anja Karliczek betont, dass keine Impfpflicht vorgesehen ist. Außerdem wird über Quarantäne in Hotels und Virus-Mutationen diskutiert. Unsere Redaktion hat die wichtigsten Aussagen der vergangenen Woche aus Wissenschaft, Medizin und Politik zusammengetragen.

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+++ Donnerstag, 5. November +++

Das Robert-Koch-Institut meldet 19.990 Neuerkrankungen, der Streit zwischen Deutschlands Top-Virologen schwelt weiter. "Niemand kann wissen, welche Strategie zur Bewältigung der Pandemie tatsächlich die beste ist. Eins bleibt bei aller Unsicherheit aber gewiss: Wenn wir einander beim Streiten (.) schwere Verbalverletzungen zufügen, werden auch diese (.) Spätfolgen zeitigen", zitiert Virologe Jonas Schmidt-Chanasit bei Twitter aus einem Text aus der "Zeit", in dem neun Autorinnen und Autoren über den Umgang mit der Pandemie geschrieben haben.

Hendrik Streeck teilt Schmidt-Chanasits Tweet mit dem Vermerk: "Wir müssen über eine Langzeitstrategie sprechen." Streeck und Schmidt-Chanasit hatten sich in der Woche zuvor gegen einen zweiten Lockdown und für einen Strategiewechsel ("Ampelsystem, Gebote statt Verbote") ausgesprochen und dafür viel Gegenwind von anderen Virologen und aus der Politik bekommen.

+++ Freitag, 6. November +++

Den zweiten Tag in Folge meldet das RKI mit 21.506 Neuansteckungen einen Höchstwert. Zur immer ernsteren Lage passt auch die Meldung, dass Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl Quarantäne-Verweigerer zwangsweise in ein Krankenhaus einweisen lassen will, wie die "Stuttgarter Nachrichten" berichten.

Bereits seit Mai werde in seinem Ministerium eine solche Maßnahme diskutiert, teilt Strobel in einem Schreiben an den baden-württembergischen Sozialminister Manfred Lucha und Ministerpräsident Winfried Kretschmann mit.

An gläubige Impfgegner wendet sich die katholische Kirche in Deutschland. "Auch wenn die Impfung grundsätzlich freiwillig sein sollte, kann kein Zweifel daran bestehen, dass wir uns als Christen für ein solidarisches Miteinander einsetzen, in dem sich jeder Einzelne seiner Verpflichtung für den Schutz besonders vulnerabler Personen bewusst sein sollte. Die Bereitschaft zur eigenen Impfung ist konkreter Ausdruck dieser Solidarität", sagt Bischof Gebhard Fürst, Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz.

Schlimme Nachrichten kommen aus Dänemark. Da bei Nerzen eine mutierte Form des Coronavirus SARS-CoV-2 gefunden wird und sich auch bereits rund 200 Menschen damit infiziert haben, sollen alle 15 Millionen auf Pelzfarmen gehaltenen Nerze notgeschlachtet werden. Sollte sich die mutierte Virus-Variante ausbreiten, könnte dies die Wirksamkeit der kommenden Impfstoffe beeinträchtigen. Deshalb wird die dänische Region Nordjütland abgeriegelt und unter einen Lockdown gestellt. "Die Augen der Welt sind auf uns gerichtet", sagt die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen.

+++ Samstag, 7. November +++

Der dritte Tag in Folge mit einem Höchstwert bei den Neuansteckungen, 23.399 Fälle meldet das RKI am Samstag. Natürlich steigen parallel dazu auch die Zahlen der Menschen, die wegen einer COVID-19-Erkrankung mit leichten Symptomen zu Hause in Quarantäne sind. Was nicht immer leicht ist, besonders für Menschen, die sich von ihren Familienmitgliedern isolieren müssen.

"Wenn man zu viert auf 80 Quadratmetern wohnt, ist es oft kaum möglich, sich wirklich abzusondern", sagt Susanne Johna, Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, den Zeitungen der "Funke Mediengruppe": "Beengte Wohnverhältnisse gefährden den Erfolg der Quarantäne."

Der Vorschlag des Marburger Bunds lautet, COVID-19-Patienten mit leichten oder symptomfreien Verläufen zu ermöglichen, ihre Quarantäne in Hotels zu absolvieren. Familienmitglieder wären so geschützt und auch die Hotels und Pensionen würden davon profitieren, wenn der Staat die Unterbringung finanziert.

Zu Wort meldet sich wie fast jeden Tag der SPD-Gesundheitsexperte und Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach, der sich für mobile Luftfilteranlagen an Schulen stark macht, um den Unterricht auch in den Wintermonaten fortsetzen zu können.

+++ Sonntag, 8. November +++

Die zweite Welle hat Deutschland fest im Griff. Erstmals liegt die 7-Tage-Inzidenz in Deutschland über 150, sie steigt auf 151,2.

Die Corona-Pandemie hat den Virologen Christian Drosten zum bekanntesten Wissenschaftler Deutschlands gemacht. Wohl auch deshalb wird ihm die Ehre zuteil, im Literaturarchiv Marbach die diesjährige Schillerrede anlässlich des Geburtstages des Dichters Friedrich Schiller am 10. November zu halten. "Auch Friedrich Schiller würde Maske tragen", zeigt sich der Virologe dabei überzeugt.

Er spricht über die Rolle der Wissenschaftler in der weltweiten Gesundheitskrise und den harten Meinungskampf, bei dem auch er schon häufiger in einen Shitstorm geraten war und zur Zielscheibe von Gegnern der Corona-Maßnahmen wurde.

"Das Ganze findet rund um die Uhr bei hohen Temperaturen im Schleuderwaschgang der sozialen Medien statt", sagt Drosten. "In der Pandemie gilt dasselbe wie bei allen großen globalen Herausforderungen unserer Zeit: Wenn wir unsere Freiheit und unser Wohlergehen erhalten wollen, müssen wir die Mühe auf uns nehmen, die gesamte Gesellschaft mitzunehmen. Wir müssen auch komplexe Sachverhalte für die Allgemeinheit aufbereiten und sie sachgerecht informieren", sagt er.

Ziemlich sicher nicht erreichen wird der Virologe die "Querdenker" und Corona-Leugner, die am Wochenende in Leipzig demonstrieren und sich Auseinandersetzungen mit der Polizei liefern. "Die Demo hätte im Shutdown nie genehmigt werden dürfen. Es geht nicht, dass wir rechten Hetzern das Forum geben, sich und andere zu infizieren. Ihre Coronainfektionen sind nicht 'Privatsache', sondern eine Gefährdung der gesamten Gesellschaft. Gewalt und Hetze kommen noch dazu", schreibt Karl Lauterbach bei Twitter.

Das Deutsche Kinderhilfswerk weist auf eine angeblich geplante Aktion der Initiative "Querdenken 711" hin, die offenbar Kinder auf dem Schulweg ansprechen will, um sie von der Unwirksamkeit des Mund-Nase-Schutzes zu überzeugen. "Das ist aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes eine perfide Instrumentalisierung von Kindern zur Durchsetzung politischer Interessen. Dem muss mit allen rechtsstaatlichen Mitteln ein Riegel vorgeschoben werden", betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes.

+++ Montag, 9. November +++

Am Montag kommt die Nachricht, auf die Deutschland und die ganze Welt lange gewartet haben. Das Unternehmen Biontech und sein US-Partner Pfizer teilen mit, einen Impfstoff entwickelt zu haben, der einen 90-prozentigen Schutz vor Infektion bietet und noch im November zugelassen werden soll.

"Das ist ein Game-Changer", sagt Karl Lauterbach in der ARD-Sendung "Hart aber fair". Allerdings schränkt der Politiker auch gleich wieder ein: "Die nächsten Monate werden sehr hart, weil da haben wir gar nichts. Und dann wartet im Wesentlichen ein Jahr der Einschränkungen." Ähnlich sieht es die Virologin Isabella Eckerle von der Universitätsklinik Genf: "Wir haben nicht morgen unser normales Leben zurück." Eckerle übt außerdem Kritik an der Politik. Zum zweiten "Lockdown Light" hätte es ihrer Meinung nach nicht kommen müssen.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Leopoldina und des Ethikrates haben bereits Vorschläge ausgearbeitet, in welcher Reihenfolge die Bevölkerung geimpft werden könnte. Zuerst sollen Risikopatienten den Impfstoff erhalten, dann Menschen, die im medizinischen Bereich tätig sind und sich um diese Patienten kümmern. "Es ist wichtig, dass wir zuerst diejenigen schützen, die das höchste Risiko haben", sagt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn.

Währenddessen interviewt "Die Zeit" mehrere Experten zur zweiten Welle und den getroffenen Maßnahmen. Der Biologe Sebastian Binder vom Helmholtz-Zentrum unterstreicht dabei die Notwendigkeit des "Lockdown Light":

"Wenn wir Weihnachten mit unseren Angehörigen und ohne große Sorgen verbringen wollen, ist eine Kontrolle des Infektionsgeschehens unvermeidbar. Mindestens genauso wichtig wie die Strenge von Maßnahmen ist der Zeitpunkt. Je später man beginnt und je weniger entschieden man handelt, desto länger muss ein solcher Wellenbrecher durchgehalten werden. Jeder Tag, den wir notwendige Maßnahmen verzögert hätten, wäre mit wirtschaftlichen und sozialen Kosten verbunden, mit dem Verlust von Leben und Lebensqualität."

+++ Dienstag, 10. November +++

Ähnlich äußert sich am Dienstag auch Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, in der "Neuen Osnabrücker Zeitung". "Wir rechnen mit einem Wirtschaftseinbruch von einem Prozent im vierten Quartal. Die erneuten Restriktionen werden in den unmittelbar betroffenen Branchen einen Ausfall von knapp 20 Milliarden Euro verursachen", sagt Fratzscher, der trotzdem glaubt, dass die Einschränkungen die Wirtschaft mittelfristig schützen werden, wenn die zweite Welle der Infektionen durch die Maßnahmen schneller beendet werden kann.

Am Nachmittag meldet sich wieder Christian Drosten im NDR-Podcast "Coronavirus-Update" zu Wort. Die in Nerzen in Dänemark gefundene Mutation des Coronavirus beunruhigt ihn nicht allzu sehr. "Es ist gut möglich, dass es schon längst nicht mehr im Menschen zirkuliert", sagt er. Die Wirksamkeit der neuen Impfstoffe sieht er durch diese Mutation nicht gefährdet.

Und: Drosten zeigt sich beeindruckt von den Meldungen zum neuen Biontech-Wirkstoff. Er habe keinerlei Bedenken, sich damit impfen zu lassen, sagt der Virologe.

+++ Mittwoch, 11. November +++

18.487 Neuinfektionen meldet das RKI in Deutschland. Während der landesweite "Lockdown Light" die Infektionszahlen noch nicht signifikant ausbremsen kann, zeigt sich in Berchtesgaden die Auswirkung bereits deutlich. Wegen sehr hoher Infektionszahlen mit einer Inzidenz von bis zu 324 wurde im dortigen Landkreis bereits vor drei Wochen ein Lockdown verhängt. Nun sind die Zahlen um mehr als die Hälfte auf 141,6 gefallen.

Es wird zudem bekannt, dass die EU sich bis zu 300 Millionen Dosen des COVID-19-Impfstoffes von Biontech gesichert hat. Eine Impfpflicht wird es aber keinesfalls geben, wie Bundesforschungsministerin Anja Karliczek in der "Augsburger Allgemeinen" klarstellt: "Wenn positive Ergebnisse zur Sicherheit und Wirksamkeit von Impfstoffen vorliegen, sollten diese auch bekannt gemacht werden. Das soll den Menschen dabei helfen, eine selbstbestimmte Impfentscheidung zu treffen. Eine Impfpflicht ist nicht vorgesehen."

Verwendete Quellen:

  • Zeit.de: Wie lange noch?
  • Stuttgarter Nachrichten: Strobl will Quarantäneverweigerer in Klinik zwangseinweisen
  • Deutsches Kinderhilfswerk: Deutsches Kinderhilfswerk: Instrumentalisierung von Kindern durch "Querdenken 711" verhindern
  • Neue Osnabrücker Zeitung: Trotz Konjunkturdelle: Wirtschaftsforscher verteidigen Lockdown
  • Augsburger Allgemeine: Ministerin Karliczek beteuert: Eine Impfpflicht ist nicht vorgesehen
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Spahn: Keine Feiern mehr in diesem Winter

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn geht auch über die aktuellen Maßnahmen im November hinaus von coronabedingt harten Einschränkungen aus. Veranstaltungen mit mehr als 10 bis 15 Personen wie Weihnachtsfeiern oder andere Geselligkeiten sehe er "in diesem Winter nicht mehr".
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