Halbfinale der EM 2016: Da jubelt das Herz eines jeden Fußballfans. Normalerweise. Denn bei der Partie Portugal gegen Wales heute Abend spielen definitiv nicht zwei der besten Teams Europas gegeneinander. Cristiano Ronaldo und Co. dürften eigentlich nicht mal in der K.o.-Runde stehen.

Ein Kommentar

Es wird ernst, die Schlussphase der EM 2016 ist eingeläutet. Portugal, Wales, Deutschland und Frankreich - sie alle brauchen "nur" noch zwei Siege, um sich am 10. Juli Europameister nennen zu dürfen.

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Den Anfang machen heute Abend das favorisierte Portugal gegen den Immer-noch-Underdog aus Wales (21:00 Uhr, LIVE in der ARD und bei uns im Ticker).

Mit Cristiano Ronaldo auf portugiesischer und Gareth Bale auf walisischer Seite treffen zwei Spieler von Real Madrid aufeinander. Ein "königliches" Spiel können wir aber trotzdem nicht erwarten. Vielmehr stellt sich die Frage: Wie kann es sein, dass diese beiden Teams es bis ins Halbfinale geschafft haben? Es gibt mehrere Gründe. Einer hat einen Namen: UEFA.

Portugal profitiert vom EM-Modus

Diese kam vor einigen Jahren auf die Idee, die EM von 16 Teams auf 24 Teams aufzustocken. Die einfache Rechnung: mehr Teilnehmer, mehr Spiele, mehr Geld. Ob es sinnvoll oder gar fair ist, sechs Gruppen zu bilden, bei denen dann auch noch die vier besten Dritten ins Achtelfinale einziehen, ist dem Verband am Ende wurscht.

Der größte Profiteur der Regeländerung war bei dieser Europameisterschaft Portugal. Die Mannschaft um Superstar Cristiano Ronaldo gewann keines ihrer Gruppenspiele und schummelte sich mit drei mickrigen Pünktchen als Dritter der "Monstergruppe F" mit Ungarn, Island und Österreich ins Achtelfinale. So weit, so schlimm.

Hinzu kommt, dass Portugal auch im Achtel- und Viertelfinale noch kein Spiel in der regulären Spielzeit gewonnen hat. Beim Erfolg gegen Kroatien siegte Portugal durch einen Treffer in der Verlängerung. Gegen Polen setzten sich die Portugiesen erst im Elfmeterschießen durch. Und trotzdem können sie heute Abend im Spiel gegen den Außenseiter aus Wales das Finale klarmachen.

Auch Fortuna hatte ihre Finger im Spiel. Statt die enttäuschenden Portugiesen in der K.-o.-Runde mit Gegnern wie Spanien, Italien, Deutschland oder Frankreich zu "bestrafen", durfte die "Selecao" in den Zweig des Turnierbaums, in dem einzig Belgien und Kroatien als Gegner mit höherer Klasse einzustufen waren. Immerhin Kroatien haben die Portugiesen selbst aus dem Weg geräumt - wenn auch erst in der Verlängerung und mit einer lediglich in der Defensive guten Leistung.

Ausgerechnet Aaron Ramsey fehlt Wales

Weil die Portugiesen bei dieser EM mehr Glück als Klasse haben, fällt beim Gegner im Halbfinale auch noch deren zweitwichtigster Spieler aus. Aaron Ramsey sah beim 3:1-Erfolg gegen Belgien die zweite Gelbe Karte und muss die Partie daher von der Tribüne aus verfolgen. Ohne den zentralen Mittelfeldspieler vom FC Arsenal sinken die Chancen der Waliser auf eine Überraschung enorm.

Ohnehin ist es eine Sensation, dass es Gareth Bale und Co. bis unter die letzten Vier geschafft haben. Und anders als Portugal haben sie nicht vom abstrusen EM-Modus profitiert.

In der Qualifikation für die Europameisterschaft verlor Wales nur eines seiner zehn Spiele und sicherte sich hinter Belgien und vor Bosnien-Herzegowina, immerhin Teilnehmer der WM 2014, das Ticket für die Endrunde.

Die EM-Gruppe B gewann Wales trotz einer unglücklichen Last-Minute-Niederlage gegen England - als Belohnung gab's das Achtelfinalduell mit Nordirland. Im Viertelfinale wuchsen die "Drachen" über sich hinaus und schlugen den Favoriten Belgien - auch wenn die arg von Verletzungssorgen gebeutelt waren.

Mit Gareth Bale und Ramsey hat Wales zwei Stars im Team. Der Rest verdient seine Brötchen bei Klubs wie Crystal Palace, dem FC Burnley oder ist wie Stürmer Hal Robson-Kanu gar arbeitslos.

Portugal gegen Wales: Nicht mehr als Spiel um Platz zwei

Ein weitestgehend enttäuschendes und bei dieser EM aber vor allem vom Glück abgeknutschtes Portugal auf der einen Seite gegen ein leidenschaftlich kämpfendes, aber spielerisch limitiertes und durch die Ramsey-Sperre auch noch dezimiertes Wales auf der anderen Seite: Die Vorzeichen für ein interessantes erstes Halbfinale sind beileibe nicht die besten.

Vielleicht überraschen uns beide Klubs ja und liefern ein unterhaltsames, möglicherweise gar faszinierendes Spiel ab. Doch bedenkt man, wie sich Deutschland und Frankreich bei diesem Turnier bislang geschlagen haben, ist das Duell Portugal gegen Wales nicht mehr als ein Spiel um Platz zwei.

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