Die Polkappen schmelzen und die Pegel steigen langsam: Der Klimawandel ist in vollem Gange und macht auch vor den deutschen Küsten nicht Halt. Welche Folgen wird er für Deutschlands Inseln haben? Werden sich die Orte an der Nord- und Ostsee auf gravierende Veränderungen einstellen müssen?

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Ob Sylt an der Nordsee, Rügen an der Ostsee oder eine andere der zahlreichen Inseln an den deutschen Küsten: Sie alle könnten zukünftig besonders stark vom Klimawandel betroffen sein. Denn der globale Meeresspiegel wird durch die klimabedingte Eisschmelze an den Polen in den kommenden Jahren vermutlich deutlich steigen.

Die Nordsee würde bis Köln vordringen

Niemand kann heute genau vorhersagen, wie groß die Menge an Schmelzwasser aus Grönland und der Antarktis wirklich sein wird. Es ist auch nicht kalkulierbar, wie viele Treibhausgase die Menschheit künftig in die Atmosphäre blasen wird.

Die Geoforscher um Klaus Reicherter von der Universität Aachen haben theoretisch berechnet, welche Entwicklungen auf die deutschen Orte am Meer oder in Meeresnähe auf lange Sicht zukommen könnten.

Dabei sind sie von einem Anstieg des Meeresspiegels um zweieinhalb Millimeter pro Jahr für die kommenden Jahrtausende ausgegangen. Derzeit sieht es so aus, als würde der Pegel sogar schneller steigen.

Nach 10.000 Jahren würde die Nordsee an der deutschen Küste nach Berechnung der Forscher um 35 Meter steigen. Die Folge: Die Nordsee würde teilweise mehr als hundert Kilometer ins Landesinnere vordringen - fast bis nach Köln.

Das Wattenmeer ist bedroht

Ist das nur eine düstere Prognose? Man muss nicht so weit in die Zukunft blicken, um die Konsequenzen des Klimawandels für die deutschen Küsten zu sehen. Bereits um das Jahr 2100 könnten drei Viertel der Fläche des Wattenmeers dauerhaft unter Wasser stehen.

Um das größte Wattenmeer der Welt zu schützen, hat die Landesregierung Schleswig-Holstein ein Strategiepapier entwickelt und eine Projektgruppe ins Leben gerufen.

Das Wattenmeer ist nicht nur ein wichtiges Ökosystem, es bremst auch Sturmfluten aus und trägt so zum Küstenschutz bei. Eine wichtige Maßnahme: Spätestens ab Mitte des Jahrhunderts sollen riesige Mengen Sand aus der Nordsee ins Wattenmeer gespült werden.

Erwärmung besonders ausgeprägt

Fakt ist: Schon heute erwärmt sich die Nordsee deutlich stärker, als der globale Ozean. Zu diesem Ergebnis kamen Karen Wiltshire und Peter Lemke, Professoren für Meeres- und Klimaforschung im Alfred-Wegener-Institut (AWI). Damit ist die Deutsche Bucht eines der sich am schnellsten erwärmenden Küstenmeere überhaupt.

Das geht aus Daten hervor, die an der Helgoland Reede gewonnen wurden. Seit über 100 Jahren wird dort täglich die Wassertemperatur gemessen. Die Daten verdeutlichen, dass die Erwärmung seit 50 Jahren besonders ausgeprägt ist.

Als Konsequenz wandern neue Arten ein, während kälteliebende Lebewesen verschwinden. Auch die Meeresströmungen werden beeinflusst.

Ostsee erwärmt sich stark

Auch an der Ostsee ist ein Temperaturanstieg messbar. Der Kieler Meeresökologe Thorsten Reusch vom Geomar-Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung erläuterte gegenüber den "Kieler Nachrichten", dass die Temperatur im Binnenmeer dreimal schneller steige als in den Ozeanen.

Dies bedrohe zunehmend die heimischen Fischarten in der Ostsee, wie die Flunder, den Kabeljau und den Dorsch. "Vor allem dem Dorsch wird es eindeutig zu warm in der Ostsee. Wir gehen davon aus, dass er bei uns in 50 bis 80 Jahren ausgestorben sein könnte", so Reusch zu den "Kieler Nachrichten". Andere Fischarten wie Sardellen, Wolfsbarsche oder Meeräschen würden sich dagegen immer stärker ansiedeln.

Auch wenn die Langzeitfolgen für die Nord- und Ostsee noch nicht genau absehbar sind, zeigt die messbare Erwärmung der beiden Meere schon jetzt, dass dringend Handlungsbedarf besteht.

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