Griechenland steht am Abgrund: Darüber sind sich die Gäste bei der Polit-Talksendung Anne Will einig. Wie Griechenland aus der Krise kommen soll - daran scheiden sich allerdings die Geister.

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In den vergangenen Tagen und Wochen hatten sich die Drohungen von Seiten der griechischen Regierung zugespitzt. Die neueste Drohung: Der griechische Justizminister Nikos Paraskevopoulus will deutsches Eigentum beschlagnahmen lassen. Die Regierung um Premier Alexis Tsipras fordert Deutschland zu Reparationszahlungen aus dem Zweiten Weltkrieg auf.

Was kann mit einer solchen Forderung angefangen werden, mit dem Wissen, dass Griechenland mit dem Rücken zu Wand steht?

Sahra Wagenknecht zeigt Verständnis

Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Partei der Linken Sahra Wagenknecht zeigt für die Forderung nach Entschädigungszahlungen Verständnis, obwohl die Bundesregierung die Forderung bereits strikt zurückwies.

"Das ist die Retourkutsche für das hohe Ross, von dem aus deutsche Politiker immer von Verpflichtungen sprechen. Auch Deutschland hat viele Verpflichtungen nicht erfüllt." Für die Kriegsverbrechen habe es nie einen ernsthaften Ausgleich gegeben. Griechenland fordert Entschädigungen von rund 332 Milliarden Euro.

CDU-Bundesvize Armin Laschet sieht die griechische Regierung in ihrer Forderung im Unrecht, aber "ich würde wünschen, dass wir zu einem europäischen Geist zurückkehren". Auch der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn warnt: "Der Moment, in dem Europa scheitert, ist, wenn wir wieder Hass säen. Wenn nur Emotionen im Spiel sind, wird das mit der Griechenland-Rettung nichts."

Doch ist es der richtige Weg, wenn die griechische Regierung jetzt auf Drohungen setzt? Sie reichen von Neuwahlen bis zu einer Weiterleitung der Flüchtlingsströme. Ob das "unterste Schublade" sei, fragt Will in die Runde. CDU-Bundesvize Laschet schimpft auf die rechtspopulistische Partei "Unabhängige Griechen", aus deren Richtung die Äußerung kam, dass auch IS-Kämpfer unter den Flüchtlingsströmen weitergeleitet werden könnten. Alexis Passadakis, politischer Attac-Aktivist, kontert, dass diese rechtspopulistische Partei "links der CSU" stehen würde. Laschet gerät immer wieder mit Passadakis und Wagenknecht aneinander. Will versucht zu schlichten und die wichtigen Fragen zu stellen: Wie kann die Griechenland-Rettung gelingen? Wie steht es um einen Grexit?

"Eine Niederlage für Europa"

Ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone wird daraufhin kontrovers diskutiert. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte einen Austritt am Wochenende wieder für undenkbar erklärt. Doch das Thema ist nicht für jeden so eindeutig. Kapitalmarkt-Experte Robert Halver prognostiziert, Griechenland werde es nicht im Euro-Korsett schaffen. Das Land brauche einen Schuldenschnitt. Asselborn stellt sich dagegen und schließt sich in seiner Meinung Juncker an: "Ein Austritt wäre ein politisches Fiasko. Das wäre eine Niederlage für Europa."

Uneinigkeit beim Grexit und beim Schuldenschnitt, dafür Einigkeit in der Wut auf die Gläubiger-Troika aus EU-Kommission, EZB und IWF, die neuerdings "Brüsseler Gruppe" genannt wird, um die in Griechenland offenbar zum Unwort gewordene "Troika" zu vermeiden.

Diese habe sich oft "wie die Axt im Walde verhalten", so Halver. Wagenknecht stimmt dem zu: "Unter der Troika ist alles noch schlimmer geworden! Wir wollen diese Troika nicht mehr, das ist eine unsinnige Politik." Die Brüsseler Gruppe, mit der die griechische Regierung seit gestern neu verhandelt, sollte "so nicht mehr weitermachen", fasst Anne Will am Ende zusammen. Insgesamt sei die Diskussion immer wieder auf "hätte gewesen, wäre gewesen" zurückgefallen. Mit der Gegenwart will sich anscheinend im Moment niemand so wirklich auseinandersetzen.

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