• Im Gespräch mit unserer Redaktion spricht die dreimalige Olympia-Siegerin Maria Höfl-Riesch über die anstehende Ski-WM.
  • Sie traut drei deutschen Startern eine Medaille zu und sieht in einem Bereich eine "Wundertüte".
  • Außerdem blickt die 38-Jährige auf ihre eigene Karriere zurück und findet eine Sache "etwas schade".
Ein Interview

Frau Höfl-Riesch, ab dem 6. Februar steht die Ski-WM in Frankreich an. Wie groß ist Ihre Vorfreude?

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Maria Höfl-Riesch: Auf Großereignisse wie Weltmeisterschaften oder Olympische Spiele freue ich mich immer besonders, weil dort immer eine ganz besondere Spannung herrscht. Egal, ob man als Sportlerin oder Zuschauer vor Ort ist.

Bei dieser Weltmeisterschaft fahren Männer und Frauen in unterschiedlichen Orten. Die Frauen sind in Courchevel, während die Männer in Méribel fahren. Was dürfen die Zuschauer von den Strecken dort erwarten?

In Courchevel bin ich selbst noch Slalom und Riesenslalom gefahren und in Méribel habe ich eine Abfahrt absolviert. In meiner Erinnerung waren das sehr schöne Pisten, auch wenn mir die Strecke in Courchevel nicht so lag - da habe ich keine so guten Erinnerungen. Der Hang dort ist anspruchsvoll und auch gut einzusehen für die Zuschauer vor Ort. Die Abfahrt in Méribel hat mir sehr gut gefallen, mit dem kupierten Gelände, einem schönen Steilhang – alles, was eine Abfahrt braucht.

Höfl-Riesch über deutsche Chancen bei der Ski-WM: "Ein bisschen eine Wundertüte"

Was ist für die deutschen Sportlerinnen und Sportler drin? Wem trauen Sie eine Medaille zu?

Beim Blick auf die Ergebnisse im Ski-Weltcup in den vergangenen Wochen zählen Linus Strasser und Lena Dürr im Slalom in jedem Fall zu den Medaillenkandidaten. Beide fahren eine tolle Saison und Lena konnte zuletzt sogar ihren ersten Weltcup-Sieg einfahren. Linus hat hoffentlich der Ausfall in Schladming am zweiten Tor nicht zu sehr aus dem Konzept gebracht. Hinzu kommt noch Kira Weidle, der ich an einem guten Tag auch eine Medaille in der Abfahrt zutraue. Bei den Speed-Disziplinen der Männer ist es ein bisschen eine Wundertüte, nachdem es bei der vergangenen WM zweimal Silber gegeben hat. Dieses Mal muss wohl alles zusammenpassen, damit dort wieder Edelmetall herausspringt.

International elektrisiert derzeit bei den Männern vor allem das Duell zwischen Aleksander Aamodt Kilde und Marco Odermatt. Wer wird bei der WM die Nase vorn haben?

Dieses Duell ist vor allem im Gesamtweltcup und in den Speed-Disziplinen sehr präsent. Es gibt kaum Rennen, die nicht einer dieser beiden gewonnen hat und der jeweils andere wurde dann Zweiter. Sie haben sich bereits einige packende Duelle geliefert. Aber auch der Österreicher Vincent Kriechmayer wird bei der Titelvergabe noch ein Wort mitreden wollen. Im Riesenslalom ist Odermatt stärker einzuschätzen - auch wenn Kilde sich dort ebenfalls verbessert hat - und wird damit vielleicht eine Medaille mehr gewinnen.

Wie schätzen Sie die Situation im Slalom der Männer ein?

Das ist wohl die Disziplin, bei der am meisten Teilnehmer um die Medaillen mitfahren können. Die Norweger mit Henrik Kristoffersen und Lucas Braathen, die vielen Schweizer, wie etwa Loic Meillard, und natürlich muss man Clement Noel bei einer WM in Frankreich auch auf dem Zettel haben. Es wird ein spannendes Rennen werden.

Bei den Frauen wird derzeit alles überstrahlt von Mikaela Shiffrin, die kürzlich den Siegrekord von Lindsey Vonn gebrochen hat und nur noch einen Sieg benötigt, um den Rekord von Ingemar Stenmark (86 Weltcup-Siege) einzustellen. Ist sie derzeit unschlagbar?

Nach dem Rückschlag bei Olympia, als sie in Slalom und Riesenslalom ausfiel und den Faden verlor, ist sie nun wieder zurück in Bestform. In den vergangenen Wochen war sie kaum zu schlagen und hat fast jedes Rennen in Slalom und Riesenslalom gewonnen. Wenn Gelände und Bedingungen passen, kann sie auch in Abfahrt und Super-G um die Medaillen fahren. Es könnte also die "Shiffrin-WM" werden, auch wenn einige etwas dagegen haben werden.

Höfl-Riesch über Sofia Goggia: "Bringt sich mit verrückten Aktionen selbst in Gefahr"

Welche Namen sind da zu nennen?

Im Slalom sind Wendy Holdener, Petra Vlhova und auch Lena Dürr ihre größten Konkurrentinnen. Generell ist eine Weltmeisterschaft auch immer der Zeitpunkt für eine Überraschung in den Medaillenrängen. In den Speed-Disziplinen ist Sofia Goggia die heißeste Titelanwärterin, auch wenn sie sich manchmal mit verrückten Aktionen selbst in Gefahr bringt. Fahrerisch ist sie aber oberste Liga. Auch Lara Gut-Behrami und Corinne Suter ist ein Coup zuzutrauen, wenn die Faktoren wie Material, Form, Bedingungen perfekt zusammenspielen, was ohnehin die Grundbedingung für alle Medaillenträume ist.

Dieser Winter hat die Auswirkungen des Klimawandels auf den alpinen Skisport gezeigt – unter anderem mit dem Ausfall der Rennen in Garmisch-Partenkirchen. Bangen Sie um die Zukunft des Ski-Weltcups?

Die Entwicklung im Moment lässt nichts Gutes hoffen, wobei dieser Winter wirklich extrem ist. Von Weihnachten bis Mitte Januar gab es keinen Niederschlag oder nur Regen. Das ist schon sehr ungewöhnlich. Andererseits gab es Anfang Dezember bereits einen größeren Wintereinbruch. Auf lange Sicht bleibt allein die Hoffnung, dass es sich wieder verbessert, auch wenn Klimawandel und Erderwärmung nicht wegzudiskutieren sind. Aber in näherer Zukunft sehe ich die Entwicklung als noch nicht so dramatisch an, wie sie teilweise prognostiziert wird.

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Welche Alternativen oder Möglichkeiten gibt es aus Ihrer Sicht, um den Ski-Weltcup langfristig weiterführen zu können?

Der Schlüssel liegt in der Nachhaltigkeit. Gerade wird das Thema "Snowfarming", bei dem der Schnee aus dem Vorjahr eingelagert wird, überall angewandt. Zudem gibt es Pistenraupen, die mit Sensoren die Schneehöhe messen können und diesen dann gleichmäßig verteilen. Die Beschneiungsanlagen sind zudem deutlich nachhaltiger und energieschonender geworden als vor einigen Jahren. Aus meiner Sicht wird der Skisport zu harsch kritisiert, denn es finden zum Beispiel auch Champions-League-Spiele nur unter Flutlicht statt oder es gibt Freizeitparks, die ebenfalls eine Menge an Energie verbrauchen. Der Skisport und -tourismus steht nicht allein in der Verantwortung für mehr Umweltschutz und Nachhaltigkeit.

"Etwas schade, dass ich im Riesenslalom nicht gewinnen konnte"

Kommen wir abschließend zu Ihnen: Wie intensiv sind Sie noch mit dem Skisport verbunden?

Natürlich bin ich nicht mehr so intensiv dabei, wie als aktive Sportlerin oder als TV-Expertin. Aber ich versuche schon, die Rennen mitzuverfolgen. Wenn ich einmal selbst unterwegs bin und nicht am TV schauen kann, verfolge ich die Rennen im Liveticker. Und natürlich gibt es noch eine Menge Kontakt zu ehemaligen Weggefährten wie Trainern oder Kolleginnen. Wenn man sich trifft, ist es immer, als ob man sich nie aus den Augen verloren hätte und man ist immer gleich wieder auf einer Wellenlänge.

Wie blicken Sie inzwischen auf Ihre Karriere zurück und bereuen Sie vielleicht auch etwas?

Ich habe viele schöne Erinnerungen an die Profi-Karriere und bin auch sehr stolz auf die Erfolge. Ich werde heute noch manchmal gefragt, ob es mich nicht noch juckt, im Weltcup mitzufahren. Das kann ich aber definitiv verneinen. Ja, ich genieße Skifahren weiterhin sehr, aber nur noch als Hobby. Als Ski-Profi gibt es auch viele schwere Zeiten, denn es ist weit mehr gefordert, als die Momente, die im Fernsehen zu sehen sind.

Ich bin damals auch alle vier Disziplinen gefahren, worauf ich sehr stolz bin, weil dahinter auch eine Menge harte Arbeit steckte. Das haben früher schon nicht viele gemacht und heute sind es noch weniger, die bei wirklich jedem Rennen am Start stehen. Ich bereue nichts. Ich finde es nur etwas schade, dass ich nicht auch noch im Riesenslalom einen Weltcup-Sieg feiern konnte, dann hätte ich in jeder Disziplin mindestens einen Sieg gehabt. Das hätte ich gerne geschafft.

Über die Expertin:
Maria Höfl-Riesch ist dreimalige Olympiasiegerin und Siegerin des Gesamtweltcups 2011. Mit insgesamt 27 Siegen ist sie die zweiterfolgreichste Deutsche im Weltcup hinter Katja Seizinger. Von 2008 bis 2014 kam Höfl-Riesch immer unter die ersten Drei im Gesamtweltcup, dies gelang bislang nur fünf weiteren Athleten.
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