• Zum Start der Hauptrunde fegen die deutschen Handballer Argentinien mit 39:19 vom Parkett.
  • Der Auftritt beeindruckte sogar Alfred Gislason nachhaltig, für ihn ist sein Team ein Jungbrunnen.
  • Der Sieg war zwar ein Ausrufezeichen, die wirklichen Prüfungen warten aber noch.
Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Andreas Reiners sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Irgendwann reichte es. Alfred Gislason hatte genug gesehen, die deutschen Handballer sorgten dafür, dass ihrem Trainer alles egal war. Im positiven Sinne allerdings. "Spielt, was ihr wollt!", sagte er beim ersten Hauptrundenspiel gegen Argentinien während einer Auszeit. Im Jargon des manchmal etwas knorrigen und sonst so detailversessenen Isländers ist das als dickes Lob zu verstehen.

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Die erste Halbzeit hatte den 63-Jährigen nachhaltig beeindruckt. Da legte das DHB-Team mit einer Gala-Vorstellung und einer 24:11-Führung den Grundstein für den am Ende blitzsauberen 39:19-Sieg und einen Traumstart in die Hauptrunde der WM.

"Die Spieler können bei mir mitreden. Ich versuche, die Köpfe aller zu aktivieren, auch wenn das nach außen nicht immer so aussieht", scherzte ein gut aufgelegter Gislason nach dem Sieg in der ARD. Das klappe gut und man habe Taktiken mit verschiedenen Varianten, so der Coach: "Und wenn die Jungs so gute Entscheidungen treffen, dann muss ich ihnen einfach auch freien Lauf lassen."

Viele gute Entscheidungen

Es waren beeindruckend viele gute Entscheidungen, es war eine ganz starke Leistung gegen zugegeben völlig überforderte Südamerikaner, angetrieben von einer effizienten und spielfreudigen Offensive um Lenker Juri Knorr, flankiert von Kapitän Johannes Golla, Linksaußen Lukas Mertens und Rechtsaußen Patrick Groetzki.

Abgesichert wurde der Auftritt von einer diesmal hellwachen, beweglichen und kompromisslosen Defensive, mit einem wieder einmal überragenden Torhüter Andreas Wolff im Rücken. "Es ist ein gutes Zeichen, dass Alfred [Gislason] zufrieden ist. Dann haben wir nicht allzu viel falsch gemacht", sagte Golla. Sogar Knorr, normalerweise die Selbstkritik in Person, war glücklich.

"Heute müssen wir alle sehr zufrieden sein, damit haben wir auch nicht gerechnet, dass es so deutlich wird", sagte er: "Wir wollen unsere Hausaufgaben machen und Spaß haben", sagte der 22-Jährige: "An so einem Tag macht es extrem Spaß, Handball zu spielen."

Der zweite Anzug sitzt auch

Denn in der ersten Halbzeit gelang nahezu alles, erst nach 20 Minuten unterlief dem hochkonzentrierten, hochmotivierten und extrem fokussierten deutschen Team der erste (!) von zwei Fehlversuchen. Spielerisch war es beeindruckend, die Dominanz war deutlich.

So konnte Gislason in Halbzeit zwei dem zweiten Anzug eine Chance geben - für den weiteren Verlauf des Turniers kann das Gold wert sein. Die erste Garde bekam eine Pause, andere durften zeigen, was sie können und ihren Teil zum Sieg beitragen, sie bekamen dabei wichtige Sicherheit und wertvolle Spielzeit.

Insgesamt hat das DHB-Team einen beachtlichen Flow erreicht, der das Team durch das Turnier und zu nunmehr vier Siegen trägt. Es ist ein Lauf, der sich inzwischen ein Stück weit verselbständigt hat. Die Mannschaft ist homogen und entwickelt einen echten WM-Geist, mit dem mehr drin zu sein scheint als das Mindestziel Viertelfinale.

Fans als Faktor

"Wenn die Mannschaft so einen Lauf hat, wird alles viel einfacher", sagte Gislason, dem immer wieder ein Lächeln über das Gesicht huschte. "Was mich unglaublich freut, ist dieser wahnsinnige Mannschaftsgeist, den ich spüre. Das macht mich jünger und mir zudem eine riesige Freude."

Passend dazu sind auch die deutschen Fans ein wichtiger Faktor, rund 2.000 waren es in Kattowitz. "Wenn wir weiter so gepusht werden, spielen wir weiter mit dem achten Mann im Rücken", sagte Wolff, der aber auch den Mahner gab. Denn natürlich kommen nun Träume von der ersten Medaille seit 2016 auf. Aber: "Wir sind gut daran beraten, nur von Spiel zu Spiel zu denken", sagte Wolff.

Jetzt kommen die echten Prüfungen

Denn trotz allen Lobs: Der Sieg gelang gegen Außenseiter Argentinien, die wichtigen und richtigen Prüfungen warten am Samstag (20.30 Uhr, live im ZDF) gegen die Niederlande und am Montag (20.30 Uhr, live in der ARD) gegen Norwegen. Die Ausgangslage könnte besser kaum sein: Ein Sieg gegen den Nachbarn, und der Einzug in das Viertelfinale wäre vorzeitig perfekt.

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Auch wenn sich die Niederlande gegen Katar beim 32:30 extrem schwertat: Das Team um Spielmacher Luc Steins wird ein echter Gradmesser. "Wir müssen sehr gut in der Abwehr stehen, denn sie haben einen überragenden Angriff, das sind sehr schnelle Leute, die ganz schwer zu verteidigen sind", warnte Gislason, und Groetzki schwärmte von viel individueller Klasse, vor allem im Rückraum.

Gislason weiß um die Qualitäten seiner eigenen Mannschaft: "Offensiv sind wir sehr gut drauf und schwer auszurechnen." Trotzdem betont er: "Das wird ein enges Spiel." Zur Not lässt er seine Jungs einfach wieder das spielen, was sie wollen.

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