• Lina Magull ist Vize-Europameisterin und Spielerin beim FC Bayern. In ihrer WM-Kolumne blickt sie auf die deutsche Nationalmannschaft.
  • Von den ersten beiden Spielen zeigt sich Magull enttäuscht. Gerade der absolute Siegeswille scheint der Mannschaft bislang zu fehlen.
  • Für das entscheidende Spiel gegen Costa Rica hat Magull einen Appell an das Team.
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Lina Magull dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Das erste Spiel des DFB-Teams gegen Japan war enttäuschend. Ich hatte mir vorgestellt, dass Deutschland mit einem Ausrufezeichen ins Turnier startet. Aber anscheinend war doch viel drumherum, was die Spieler daran gehindert hat, ihre bestmögliche Leistung auf den Platz zu bringen.

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Im zweiten Spiel gegen Spanien konnten sie immerhin hinten raus zeigen, dass sie giftig sein können und den Willen haben, das Spiel zu drehen. Trotzdem hatten sie zu wenig den Ball, waren nicht mutig genug. Sie haben eigentlich die Qualität, auch gegen Spanien den Ball laufen zu lassen. Stattdessen kamen zu viele lange Bälle, sie haben den Ball zu leicht hergegeben. Erst mit den Wechseln hat man gemerkt, dass mehr Wille in der Mannschaft steckt. Füllkrugs Tor hat mich an mein Tor bei der EM erinnert, wenn man einfach mit vollem Willen den Ball reinknallen möchte. Auch Schlotterbecks Grätsche kurz vor Schluss, als er mit aller Gewalt den Ball verteidigen will – das sind die Szenen, die man von der deutschen Mannschaft sehen will.

Es wird sehr spannend zu sehen, wie Deutschland das letzte Spiel angeht. Ich glaube, was bislang fehlt, ist der absolute Wille, diese Spiele gewinnen zu wollen.

Füllkrug könnte andere Spieler mitreißen

Ich finde es schwierig, jetzt die ganze Hoffnung in Niclas Füllkrug zu legen, weil er auf dem Papier natürlich nicht der Spieler ist, auf den man in erster Linie setzen sollte. Gerade wenn man bedenkt, welche Spieler man sonst noch im Kader hat. Und die Qualität, die er hat, wenn er reinkommt, wie er ein Spiel noch einmal verändern kann, ist natürlich sehr, sehr wichtig. Andererseits macht er den Eindruck, als ob er absolut Bock hat. Er ist das erste Mal dabei, alles ist aufregend und er will zeigen, dass er in die Mannschaft reingehört. Von der Art und Weise, wie er auftritt, müsste man ihn von Anfang an spielen lassen. Er bringt diesen absoluten Siegeswillen mit, den die Mannschaft in den ersten beiden Spielen meiner Meinung nach zeitweise hat vermissen lassen. Deshalb kann es schon Sinn machen, ihm das Vertrauen zu geben. Vielleicht kann er die anderen Spieler auf dem Platz mitreißen.

Was kann jetzt helfen?

Wichtig wird jetzt, dass sich die Spieler auch im Hotel zusammensetzen und darüber sprechen, wo genau gerade die Probleme liegen. Erst dann kann man ein besseres Gefühl füreinander entwickeln. Vieles ist von außen auch für die Spieler untereinander einfach nicht erkennbar.

Ich sehe da einige Spieler in der Verantwortung jetzt voranzugehen. Wenn man sich den Kader anschaut, dann ist da so viel Qualität und Erfahrung vorhanden. Gerade die Spieler des FC Bayern wissen doch, wie es geht, erfolgreich zu sein, Titel zu holen. Gündogan, Kimmich, Goretzka, Müller, Neuer, Rüdiger und auch die etwas Jüngeren mit Gnabry und Sané müssen jetzt alle überlegen, was sie tun können, um der Mannschaft weiterzuhelfen. Manche machen das über das Verbale, andere über die Leistung auf dem Platz. Es gibt viele verschiedene Typen in der Mannschaft und das ist sehr positiv. Man muss aber darüber reden und sich bewusst werden, was jetzt helfen kann.

Es gab die Diskussion, ob Hansi Flick vielleicht zu nett ist. Ich weiß nicht, was die Männer triggert, welchen Führungsstil sie brauchen. Aber als Hansi Flick noch Bayern-Trainer war, hat es doch sehr gut funktioniert. Ich bin überzeugt, dass er genau weiß, wie die Spieler ticken, was sie brauchen, um ihre Leistung zu bringen. Würde er jetzt den harten Hund markieren, stellt sich mir die Frage, ob das dann authentisch ist. Man sollte sich auch als Trainer nicht verstellen. Ich glaube, es ist wichtig, dass er sich treu bleibt und versucht auf seine Art die Spieler zu greifen.

Appell an die DFB-Spieler

Wäre ich an Flicks Stelle, würde ich von den Spielern fordern, dass sie sich erinnern, wie es war, als kleiner Junge Fußball zu spielen. Wie viel Freude dieses Spiel mit sich bringt, wie viel Leidenschaft man als Kind reingebracht hat, wie viel Leichtigkeit da war, ohne sich von irgendwas ablenken oder stören zu lassen, wie wenig man nachgedacht hat. Ich würde ihnen raten, sich komplett auf den Fußball zu fokussieren und so wieder zur eigenen Stärke zu finden.

Der Druck ist ohnehin da im deutschen Team. Jetzt noch mehr Druck aufzubauen, ist meiner Meinung nach kontraproduktiv. Deshalb sollten sich Spieler wieder erden, am besten mit Scheuklappen in das Spiel gegen Costa Rica gehen. Sie sollten das Spiel leben, alles dafür geben, zu gewinnen und Freude daran haben, mit so tollen Fußballern um sich herum bei einer WM spielen zu dürfen. Das ist doch ein Traum. Dessen sollte man sich unbedingt wieder bewusst werden.

Aufgeschrieben von Sabrina Schäfer
Interessiert Sie, wie wir über die WM in Katar berichten? Wir haben unsere Beweggründe in einem Text für Sie zusammengefasst.
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