Es sind nur noch wenige Stunden bis zum Eröffnungsspiel der russischen Nationalmannschaft gegen Saudi-Arabien in Moskau. Und die russische Mannschaft sieht sich einer riesigen Erwartungshaltung ausgesetzt. Dabei wäre alles andere als ein Vorrunden-Aus eine Sensation.

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Zürich im Dezember 2010. Die FIFA gibt feierlich das Gastgeberland für die Weltmeisterschaft 2018 bekannt.

Mit 13 Stimmen setzt sich Russland gegen Portugal/Spanien oder auch Niederlande/ Belgien durch. Es sollte der Startschuss eines großen Projektes werden.

An diesem Dezember-Abend mit auf der Bühne in der Schweiz war der damalige russische Nationalspieler Andrej Arshawin.

Er gehörte zu der glorreichen Mannschaft um Juri Schirkow, Roman Pawljutschenko, Pawel Pogrebnjak und den Berutzki-Brüdern.

Zwar hatte diese Mannschaft im Sommer 2010 die Weltmeisterschaft in Südafrika noch von zu Hause aus verfolgen müssen, dennoch war in Russland nach der Vergabe eine Aufbruchsstimmung zu spüren.

Kurz nach dem Wahlergebnis trat der damalige Ministerpräsident Wladimir Putin vor die Presse. "Russland liebt Fußball. Wir wissen, was Fußball bedeutet und wir haben in unserem Land alles, um die WM 2018 auf einem hohen Niveau auszurichten."

Die glorreiche Generation ist weg

Acht Jahre später ist Ernüchterung rund um die russische Mannschaft eingekehrt. Die Stars von damals sind von der Fußballbühne verschwunden. Das einzige verblieben Aushängeschild der Mannschaft ist der 32-jährige Igor Akinfejew.

Der Torhüter und Kapitän der Mannschaft ist mit 106 Länderspielen einer der erfahrensten Spieler im Team. Mehr bringt nur Sergej Ignaschewitsch (122) mit, der ist aber auch schon 38, hat seine Vereinskarriere schon beendet.

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Und genau da liegt auch schon einer der Knackpunkte im russischen Lager. Mit 28,8 Jahren hat man den sechstältesten Kader des Turniers.

Anstatt einen Umbruch vor der WM im eigenen Land einzuleiten, so wie es der DFB Jahre vor dem Sommermärchen 2006 getan hat, setzte man in Russland zu lange auf die vermeintlich goldene Generation. Doch die ist nun weg.

Ein weiteres Problem: Im Team von Trainer Stanislaw Tschertschessow spielen nur zwei Legionäre, der Rest ist in der schwachen heimischen Premier League unter Vertrag.

Es fehlt schlichtweg die internationale Klasse im Kader. Das zeigen auch die letzten Testspielergebnisse: Seit sieben Spielen wartet die russische Auswahl schon auf einen Sieg - eine erschreckende Quote vor einer Weltmeisterschaft!

Putin will die Bühne nutzen

Der Zustand der Sbornaja ist kritisch. So kritisch, dass sich zuletzt sogar Präsident Wladimir Putin höchstpersönlich im chinesischen Staatsfernsehen zu Wort gemeldet hat.

"Ich muss leider zugeben, dass unsere Mannschaft zuletzt keine guten Ergebnisse erzielt hat. Aber wir erwarten ganz einfach, dass das Team mit Würde spielt, modernen und interessanten Fußball zeigt und bis zum Ende kämpft".

Dabei wäre ein positives sportliches Abschneiden der Mannschaft auch für Putin wichtig.

Viele Stadien wurden modernisiert oder neu gebaut, weitere Milliarden sind in die Infrastruktur geflossen. Die WM ist somit auch ein Instrument für den Kreml-Chef.

Auf der großen Bühne will er sich und sein Land präsentieren, der Welt zeigen: Hier bewegt sich was. Verständlich, dass eine kriselnde Nationalmannschaft da so gar nicht ins Bild passen will.

Doch die Aussichten auf den Einzug in Achtelfinale sind vielleicht so schlecht wie noch nie.

Trainer Stanislaw Tschertschessow versucht die Fans nach dem 1:1 im letzten Testspiel gegen die Türkei vor der Heim-WM zu beruhigen: "Auf jeden Fall haben wir einen Schritt nach vorne gemacht."

Womit er natürlich nicht Unrecht hat, immerhin war es der erste "Erfolg" im Jahr 2018 für seine Mannschaft.

Dennoch: große Glanzpunkte wird die Mannschaft bei der ersten WM im eigenen Land nicht setzen können, sportlich zumindest.

Man muss um Schadensbegrenzung bemüht sein. Und das ausgerechnet im wichtigsten Fußballereignis des Landes.

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