Das Champions-League-Halbfinale erreicht, schon sicher in Rekordzeit neuer Deutscher Meister, die B-Elf spielt und gewinnt trotzdem klar mit 4:0 – obwohl der FC Bayern in dieser Saison mit hervorragenden Leistungen in allen Wettbewerben brilliert, läuten bei Uli Hoeneß die Alarmglocken. Oder gerade deswegen – denn dem Bayern-Boss ist das "Leistungsgefälle in der Liga" zu groß. Also die anderen sind demnach zu schwach: Doch ist das wirklich so und droht zukünftig die Langeweile?

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In der aktuellen "Kicker"-Ausgabe schlägt Uli Hoeneß Alarm. "Es gibt ein großes Leistungsgefälle in der Liga", sagt er da besorgt und legt nach: "Das kann uns nicht recht sein. Wir müssen analysieren warum das so ist." Damit man das gleich richtig versteht: Der Mister FC Bayern, der seinen Verein gegen jeden Angriff von außen energisch verteidigt und selbst auch gegen die anderen Vereine verbal gerne in die Offensive geht, ist mit der derzeitigen Dominanz des FCB natürlich nicht zufrieden. Er macht sich eher Sorgen um die anderen Vereine und die Attraktivität der Bundesliga.

Zwar hat Hoeneß noch keine Lösung parat, wie man das Dilemma um eine drohende "langweilige Liga" beseitigen könnte; doch daran will er arbeiten und sich auch noch Verstärkung holen – und zwar von BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke. Denn die Dortmunder, die am vergangenen Wochenende die Fürther mit 6:1 abgeschossen haben, ist Hoeneß zufolge der einzige Verein, der dem FCB Paroli bieten kann: "Wir sehen Handlungsbedarf. Es kann auf Dauer nicht sein, dass solche Ergebnisse zustande kommen." Spanische Verhältnisse in der Bundesliga? Dort machen ja schon seit Jahren die beiden großen Vereine, der FC Barcelona und Real Madrid, die Meisterschaft unter sich aus.

Von anderer Stelle gibt es unterdessen aber schon Entwarnung. Liga-Präsident Reinhard Rauball, der zugleich auch BVB-Präsident ist, beruhigt der Nachrichtenagentur dpa zufolge: "Natürlich gibt es derzeit ein erhebliches Gefälle. Dennoch sollte man das nicht dramatisieren".

Doch wie steht es tatsächlich um die Stärke der Liga, die sich gerade dadurch ausgezeichnet hat, dass jeder eigentlich jeden schlagen konnte?

Top-Vereine bleiben unter sich

Wenn man sich die deutschen Titelträger der vergangenen Jahre ansieht, entsteht wirklich das Gefühl einer gewissen Eintönigkeit: Die vergangenen vier Meisterschaften, inklusive der aktuellen, machten der FC Bayern und Dortmund unter sich aus. Ähnlich wie in Spanien zwischen Barcelona und Real Madrid – doch während hier seit zehn Jahren kein anderes Team mehr an der Spitze stand, grätschte in Deutschland 2006/07 der VfB Stuttgart und 2008/09 Wolfsburg dazwischen.

Titelträger der vergangenen Jahre

Deutscher Meister Spanischer Meiser
2009WolfsburgBarcelona
2010FC BayernBarcelona
2011DortmundBarcelona
2012DortmundReal Madrid
2013FC BayernBarcelona

Zwar ist die Überlegenheit der Bayern in dieser Saison schon beachtlich, von einem richtigen Trend kann deshalb aber noch keine Rede sein. Sollte sich in den kommenden Jahren aber abzeichnen, dass die Kluft zwischen den beiden Top-Vereinen und dem Rest der Liga immer größer wird, ist der Handlungsspielraum der verantwortlichen Personen, diesen Zustand zu ändern, aber enorm begrenzt.

Mehr TV-Gelder für die kleinen Klubs?

Denn gerade bei einem der Diskussionshauptpunkte, der zentralen Vermarktung durch die Liga, gehen die Meinungen der Vereinsbosse weit auseinander. Zwar macht sich Uli Hoeneß gerade Gedanken um die Stärke der anderen Vereine, bei der Aufteilung der TV-Gelder fährt er aber seit Jahren einen anderen Kurs. Wie in Spanien, sollen auch die Vereine in Deutschland sich selber vermarkten dürfen. Das würde zu höheren Einnahmen führen – aber eben gerade für die Vereine, die sowieso schon Champions League spielen. Klubs wie Augsburg oder Fürth, würden noch weniger kassieren als durch den jetzigen Verteilungsschlüssel von DFB und DFL.

Also den Verteilungsschlüssel großzügiger zugunsten der kleineren Vereine gestalten? Dann würde ja wiederum die Wettbewerbsfähigkeit der großen Vereine im internationalen Vergleich darunter leiden. Denn mit 650 Millionen Euro entfallen vom Gesamtumsatz zwar heute schon 30 Prozent auf den FC Bayern und Borussia Dortmund, im Vergleich zu Barcelonas und Reals Umsatz ist das aber nur die Hälfte. Bei der derzeitigen Konstellation von Europas Königsklasse, in der Vereine mit Selbstvermarktungsrecht und Investorenklubs beteiligt sind, wird auch die Deutsche Bundesliga ein bis zwei Top-Klubs brauchen, um dauerhaft in der europäischen Spitzenklasse vertreten zu sein.

Daraus aber schon einen Trend für die Zukunft ablesen zu wollen erscheint zu früh. Die Häufigkeit der hohen Siege von Bayern und Dortmund in dieser Saison ist durchaus außergewöhnlich. Sieht man sich aber die Ergebnisse aller Vereine der vergangenen Spielperiode an, erkennt man ein eindeutiges Gleichgewicht bei der Verteilung solcher "Resultat-Debakel" - jeder kann also jeden schlagen. Dass Bayerns und Dortmunds Überlegenheit in der Bundesliga keine kurzfristige Momentaufnahme ist, dürfte klar sein. Um aber mit wirklicher Sicherheit sagen zu können, dass zwischen ihnen und dem Rest der Liga eine unüberwindbare Lücke klafft, muss man erst einmal die Entwicklung der nächsten Jahre abwarten.

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