Mit einer Mischung aus Anspannung und Gelassenheit begegnet der FC Bayern seinen Wochen der Wahrheit. Gegen Borussia Dortmund und den FC Barcelona steht trotz des Gewinns der deutschen Meisterschaft eine ganze Saison auf dem Spiel.

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44 Pflichtspiele hat der FC Bayern München in dieser Saison bereits absolviert. Der Rekordmeister hat am Sonntag Silberne Hochzeit gefeiert, den 25. nationalen Meistertitel - ganz ohne Weißbierdusche, zu Hause, auf der Couch.

Der Mai steht vor der Tür, die Bayern haben ihre Aufgabe in der Bundesliga zur vollsten Zufriedenheit erledigt. Vier Spieltage vor Schluss sind die Münchener schon durch. Trainer Pep Guardiola ist es gelungen, seine Weltmeister nach dem ganz großen Triumph im letzten Sommer in Brasilien ein Dreivierteljahr lang zu Höchstleistungen zu treiben und die befürchtete Selbstzufriedenheit einzudämmen.

Guardiola und sein Team haben damit bisher aber lediglich ihre Pflicht erfüllt. "Wir haben uns dafür den Arsch aufgerissen", sagt Thomas Müller über die Meisterschaft. Aber Müller weiß nur zu gut, dass sich der Wert dieser Bayern-Saison am Ende über das Abschneiden in den Pokalwettbewerben definiert.

Der Fluch der guten Tat

Als Fluch der guten Tat gehen das Triple vor zwei Jahren und das Double vor einem Jahr durch. Die Bayern und ihr Trainer werden daran gemessen. Und deshalb ist die Fallhöhe, auch jetzt nach dem Gewinn der deutschen Meisterschaft, noch ziemlich enorm. Für die Bayern beginnen in den Schlusssequenzen der Saison die Wochen der Wahrheit. Das Vorgeplänkel in der Liga, im DFB-Pokal, in den Spielen der Champions League: Vergessen und vorbei.

Mit dem Pokal-Halbfinale gegen Borussia Dortmund und den beiden Vergleichen gegen den FC Barcelona in der Königsklasse winkt zweimal der Sehnsuchtsort Berlin mit zwei Endspielen. Genauso gut könnten die Bayern in wenigen Tagen aber gefallene Engel sein und müssten dann die Meisterschaft als einzigen Titel in dieser Saison moderieren.

Es sind die Probleme des Frühlings, die sich vor den Bayern alle Jahre wieder auftürmen. Die Bayern werden nicht müde zu betonen, wie speziell der erneute Gewinn der Meisterschaft nach so einer Saison ist. Es ist nur natürlich, dass Matthias Sammer noch einmal die widrigen Umstände herausstellte, mit der die Mannschaft zu kämpfen hatte. Den WM-Blues, die vielen Verletzten. "Wenn eine Meisterschaft als nichts Besonderes betrachtet wird, dann kann ich das nicht nachvollziehen."

Die Leistung stimmt (fast) immer

Das klingt ein wenig so, als wollten die Münchener schon einem oder sogar dem doppelten Scheitern gegen den BVB und Barca vorbauen. Es sind aber in Wirklichkeit echte Zeichen der Wertschätzung für die Mannschaft und ihren Trainer. Das versuchen sie in München momentan zu schaffen: Eine feine Trennlinie herzustellen zwischen der abgelieferten Leistung und dem damit erzielten Erfolg.

Die Leistungen der letzten Wochen stimmten fast immer. Die Mannschaft schafft es, sich für die anstehenden Höhepunkte immer nochmal ein bisschen zu verbessern, ihr Niveau nach oben zu schrauben und das Limit erst dann zu erreichen, wenn es auch gefordert ist. So zumindest lassen es die Eindrücke der letzten Wochen vermuten.

Gegen Donezk und vor allen Dingen zuletzt gegen Porto stand das Team mit dem Rücken zur Wand, am Ende standen ein 7:0- und ein 6:1-Triumph. Gegen Leverkusen im Pokal kratzten, bissen, kämpften sich die Münchener irgendwie durch und siegten im Elfmeterschießen. Die Bayern haben einige bedrohliche Situationen schon gemeistert. Das gibt Hoffnung und Zuversicht und lässt das Selbstverständnis noch ein bisschen weiter anwachsen.

Verletzte kehren zurück

Dazu kommt nun die Rückkehr der lange verletzten Arjen Robben und Javi Martinez. Medhi Benatia ist wieder eine Option für die Defensive. Stützen wie Philipp Lahm, Juan Bernat, Thiago oder Robert Lewandowski sind auf den Punkt topfit und nähern sich ihrem absoluten Leistungsvermögen. Das macht es für den Trainer etwas einfacher, die Kräfte zu bündeln und in die richtige Richtung zu lenken.

Der Coach hebt die Stärken von Spielern und Mannschaft heraus. Er drängt die negativen Dinge beiseite: die immer noch veritable Verletztenliste mit Größen wie Holger Badstuber, Franck Ribery oder David Alaba, die eher mittelprächtige Form von Mario Götze oder die bösen Erinnerungen an die beiden letzten Halbfinalspiele in der Champions League gegen Real Madrid.

Es herrscht Ruhe im Verein

Guardiola hat Ruhe in den Klub gebracht und das ist ein ziemlich entscheidender Unterschied zum Vorgehen in der abgelaufenen Saison, als die Bayern sich von einem hektischen Real fast schon arglos aus der Ordnung hat bringen lassen. Das soll gegen Barca und den BVB nicht noch einmal passieren. Deshalb ist auf allen Ebenen nun eine Mischung aus konzentrierter Anspannung und der nötigen Gelassenheit zu verspüren.

Karl-Heinz Rummenigge hat deshalb vor dem Pokalspiel gegen Dortmund nicht rein zufällig das Kriegsbeil begraben. Der Vorstandsboss war in den letzten Monaten die Speerspitze Münchener Verbalattacken gegen den BVB und dessen Führungstrio Watzke/Zorc/Klopp. Nun ruft er zu mehr Normalität und gegenseitigem Respekt auf. Er hat zuletzt auch ein klärendes Gespräch mit dem zurückgetretenen Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt geführt und die Wogen geglättet.

Rummenigges Kuschelkurs wäre in der Art im Herbst oder im Winter nicht nötig gewesen, eher im Gegenteil. Jetzt brauchen die Bayern aber Ruhe. Und dafür ist jedes Mittel recht.

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