Bayer Leverkusen ist durch ein deutliches 4:0 gegen Fortuna Düsseldorf in das DFB-Pokal-Halbfinale eingezogen und ist damit seit 40 Pflichtspielen ohne Niederlage. Ein Baumeister des Erfolgs ist Trainer Xabi Alonso. Wir haben ihn am Pokalabend beobachtet.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Andreas Reiners sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Xabi Alonso lächelte verschmitzt. Der Trainer von Bayer Leverkusen genoss den Moment. Die Stimmung, die Emotionen, den Triumph, den Einzug in das Endspiel des DFB-Pokals. Das "Finale"-Shirt hatte er sich lässig über die Schultern gelegt, als er aus einem respektvollen Abstand seiner Mannschaft beim Feiern mit den Fans zusah.

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Der Spanier zieht grundsätzlich die zweite Reihe vor, nimmt sich in der Regel zurück. Stattdessen ging der 42-Jährige zu seinem Kollegen Daniel Thioune, der als Trainer von Fortuna Düsseldorf mit seinen Anhängern nach dem 0:4 zeitgleich auf dem Platz die Wunden leckte.

Alonso und Thioune wechselten ein paar Worte, es gab eine kurze Umarmung, dazu einen Handshake. Ein Moment, der beim Gegner Eindruck hinterließ. "Das war sehr respektvoll. Er hat mir sehr nette Sachen gesagt, auch den Aufstieg gewünscht. Ein großer Sportler", sagte Thioune bei Sky.

Und auf der Pressekonferenz lobte er nicht nur den Sportler Alonso, sondern auch den Trainer, der ein seit 40 Spielen ungeschlagenes "Monster" erschaffen hat. "Es ist aktuell außergewöhnlich. Wir waren ein Teil der Geschichte, zum 40. Mal haben sie nicht verloren, das nötigt mir den größten Respekt ab. Die weiteren Gegner werden sich genauso warm anziehen dürfen wie wir heute."

Xabi Alonso fast schon euphorisch

Alonso war für seine Verhältnisse fast schon euphorisch, als er sich nach dem Spiel bei Sky regelrecht aus dem Fenster lehnte und betonte, dass man jetzt "natürlich" das Double holen wolle. Was angesichts der 13 Punkte Vorsprung in der Bundesliga und einem Pokalfinale gegen den Zweitligisten 1. FC Kaiserslautern aber auch keine gewagte Prognose mehr ist.

Doch Alonso legt Wert auf Seriosität, auf dem Platz und in der Außendarstellung. Auf Kontrolle und auf Disziplin, sowohl auf taktische als auch spielerische. Das lebt er seiner Mannschaft an der Seitenlinie vor.

Pünktlich um 20.15 Uhr stand Alonso an diesem Pokalabend dort, wartete auf sein erstes von vielen Interviews an diesem Abend. Während seine Mannschaft sich warm machte, beantwortete er die x-te Frage in diesen Tagen zum Gegner, zur Aufstellung, zum möglichen Finale in Berlin, zu seinen Gefühlen und Emotionen.

Wie immer betonte er, dass die Fortuna gut drauf und stark sei, und dass ihm ein Endspiel viel bedeute, aber auch dem Klub. Man bekommt als Fragensteller das übliche Alonso-Paket: keine Sprüche, keine Ansagen, dafür höfliche Zurückhaltung. Dazu die Maßgabe an seine Mannschaft, wachsam zu sein, aufmerksam, bereit.

Zuerst war das ZDF dran, dann Sky. Keine zehn Minuten später ging es für ihn wieder zurück in die Katakomben der BayArena. Die letzten Feinheiten der Spielvorbereitung standen an, die Ansprache an die Mannschaft. Kurz vor dem Anpfiff, so ziemlich als Letzter der Beteiligten, nahm er seinen Platz auf der Bank ein.

Von Anfang an unter Spannung

Dort hielt es ihn nur kurz. Noch vor dem Anpfiff nahm er seine Position in der Coaching-Zone ein. Von Gelassenheit konnte zunächst keine Rede sein. Er schritt immer wieder nach vorne, nach hinten, zur Seite, gestikulierte, rief letzte Anweisungen auf das Spielfeld.

Die Hände hielt Alonso während des Spiels mal hinter dem Rücken, mal in den Taschen, stemmte sie in die Hüften oder fuchtelte mit ihnen in der Luft herum. Alonso ging mit, im wahrsten Sinne des Wortes. Immer wieder schritt er zur Bank, um sich mit seinen Assistenten zu besprechen. Dabei war sein Auftreten genauso sportlich-seriös wie sein Outfit, mit seinem bekannten Wollpulli, dazu Jeans und Sneaker.

Das frühe 1:0 änderte zunächst nicht allzu viel: Es gab einen kurzen emotionalen Ausbruch, er ballte beide Fäuste, fand aber schnell wieder seine Contenance. Alonso rief sein Team zur Ruhe auf. Kein Witz: Die Jubeltraube vor der Bank nutzte er, um Alejandro Grimaldo ein paar Anweisungen ins Ohr zu flüstern. "Es war eine taktische Erklärung, wie wir angreifen können, im richtigen Moment", erläuterte Alonso nach dem Spiel.

Kritik am laufenden Konter

Die Führung sorgte für Ruhe auf dem Platz, die Machtverhältnisse waren gegen den überforderten Zweitligisten dann doch sehr schnell geklärt. Alonso tigerte zwar phasenweise noch durch seine Coaching-Zone, in Wallung geriet er aber vor allem dann, wenn einfache Pässe oder zu offensichtliche Anspiele nicht ankamen.

Den Konter zum 2:0 begleitete er mit der Geste, dass Florian Wirtz doch besser über rechts gespielt hätte anstatt über links. Um dann wenig später beim Treffer wieder auf Alonso-Art zu jubeln: Doppelte Faust. Applaus. Faust. Und weiter.

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Alonso lebte seiner Mannschaft eine gesunde Anspannung vor. Der 42-Jährige stand unter Strom, ohne hektisch oder überaktiv zu werden. Immer wieder schrie er Anweisungen rein oder schnappte sich in Unterbrechungen auch schon mal Patrik Schick, um dem Stürmer gestenreich zu zeigen, wie er sich am besten bewegen sollte. Beim 3:0 kam dann wieder die leicht gebückte Haltung, die Doppel-Faust, Applaus und wieder die Faust.

Nachlässigkeiten? Gibt es mit Alonso trotz einer beruhigenden Führung nicht. Als der Düsseldorfer Christos Tzolis in der 54. Minute plötzlich frei vor dem Leverkusener Tor auftauchte, explodierte Alonso, schrie kurz seine Wut in Richtung der Defensive heraus, die sich eine der ganz wenigen Auszeiten genommen hatte.

Was auffiel: Immer wieder legte Alonso im direkten Austausch den Arm um seine Spieler, redete auf sie ein, gab kurze Anweisungen. Er kumpelt, der Respekt ist trotzdem riesig. Die Chemie stimmt, zwischen Trainer und Klub, den Fans, von denen er nach dem Spiel viel Applaus, teilweise auch Standing Ovations bekam. Ein wichtiger Faktor für den Erfolg ist aber das Verhältnis zu den Spielern.

Kommunikativ und kumpelhaft

Er legt generell viel Wert auf Kommunikation, bezieht alle mit ein und schafft so ein Vertrauensverhältnis, das die Spieler pusht. Sie zahlen es mit Leistung zurück. Das Team hat eine ganz neue Siegermentalität, dazu echte Comeback-Qualitäten.

Er vermittelt den Glauben an das eigene Können, an die Chance auf das Triple aus Meisterschaft, DFB-Pokal und Europa League. Für Leverkusen sind das historische, aber auch tatsächlich machbare Aussichten. Das Selbstvertrauen scheint unerschütterlich.

Alonso strahlt inmitten der etwas ungläubigen Euphorie im Umfeld eine besondere Bescheidenheit, aber auch Besonnenheit aus. Bayer 2023/24 lässt nie locker, seine Mannschaft steht unter Strom wie er, ist dabei aber taktisch diszipliniert. Mit einer wilden, aber auch seriösen Herangehensweise. Alonso agiert am Rand wie ein Dirigent seines perfekt organisierten Orchesters.

Das 4:0 machte ihn schließlich endgültig locker. Was sich an den Auswechslungen von Wirtz, Schick und Grimaldo zeigte, aber auch durch eine gewisse Gelassenheit bei leichten Fehlern in der Schlussphase. Doch Alonso weiß, dass es in den kommenden Wochen beim Kampf um das Triple darauf ankommt, seriös und unter Spannung zu bleiben.

"Es ist sehr speziell, nach Berlin zu fahren. Wir haben aber jetzt erstmal andere Ziele", sagte Alonso: "Wir haben den Fokus auf der Bundesliga und die Europa League und darauf, eine gute Saison zu haben." Danach kann immer noch gefeiert werden. Alonso wird das wahrscheinlich wieder aus der zweiten Reihe verfolgen. Mit einem verschmitzten Lächeln.

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