Selig werden sie geschlummert haben, die Spieler des FC Bayern, letzte Woche nach dem überragenden 4:0-Sieg im Halbfinale der Champions League gegen den FC Barcelona. Ist ja auch eine ganz und gar famose Ausgangssituation für das Rückspiel (20:45 Uhr live bei uns im Ticker und auf ZDF). Doch so ein hoher Vorsprung kann auch trügerisch sein und auf einmal steht der FC Bayern vor einer Bewährungsprobe der ganz anderen Art.

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"Der wahre Charakter eines Menschen zeigt sich nicht bei der ersten Begegnung sondern bei der letzten", heißt es im Volksmund. Der FC Bayern wird in den kommenden Jahren sicherlich noch öfter auf den FC Barcelona treffen, in dieser Saison ist es jedoch das letzte Mal. Dieses Halbfinal-Rückspiel bedeutet vor allem eins für die Mannschaft von Jupp Heynckes: Es ist der ultimative Charaktertest für eine Mannschaft, die in den letzten Monaten ihre Gegner stets schwindlig spielen durfte.

Fast könnte man meinen, sie hätten den Schlendrian vollends ausgemerzt an der Säbener Straße, wären da nicht die beiden Champions-League-Niederlagen gegen Bate Borisov und Arsenal London. In einer nahezu perfekten Saison wirken diese beiden Spiele als Beweis, dass auch der große FC Bayern fehlbar ist. Ein Fehleinschätzung der Lage kann sich gegen eine Mannschaft wie den FC Barcelona fatal auswirken. Die Katalanen sind zu stark und ein fitter Messi zu unberechenbar, als dass der Finaleinzug schon in trockenen Tüchern wäre. Barcas 4:0-Kraftakt gegen den AC Milan im CL-Achtelfinale, nachdem sie im Hinspiel 0:2 verloren hatten, zeigt deutlich: Tito Vilanovas Team ist zu allem fähig. Oder wie es Außenverteidiger Daniel Alves via Twitter ausdrückt: "Unmöglich? Das ist ein Wort für Schwächlinge!"

Die zwei Gesichter der Katalanen

Die Bayern-Spieler scheinen diese Gefahr verstanden zu haben. "Wir haben die Tür aufgemacht, aber wir sind noch nicht reingegangen", mahnt beispielsweise Vize-Kapitän Bastian Schweinsteiger und ergänzt "Barcelona ist in der Lage, ein sehr großes Spiel zu machen." Thomas Müller dichtet Barca gar einen Art Jekyll-und-Hyde-Syndrom an: "Der FC Barcelona hat schon öfter gezeigt, dass sie auswärts und zu Hause zwei verschiedene Gesichter zeigen - da müssen wir aufpassen." Und auch Robben scheint weit davon entfernt, die Spanier zu unterschätzen: "Wenn es eine Mannschaft gibt, die so ein 4:0 korrigieren kann, dann ist es Barcelona."

Bayern wird dennoch nicht "den Bus parken", wie man in England eine äußerst defensive Ausrichtung nennt. "Wir werden unserem Stil treu bleiben", erklärt Trainer Jupp Heynckes den Masterplan, um dann noch Offensichtliches kundzutun: "Wir haben eine sehr gute Defensive, aber wir können auch sehr gut nach vorne spielen." Eine Aussage, die, angesichts der letzten Ergebnisse der Bayern, weder in Barcelona noch in Resteuropa für überraschte Gesichter gesorgt haben dürfte.

Messi im Fokus

Besonderer Fokus gilt natürlich vor allem dem wiedererstarkten Messi. Müller ist sich sicher: "Wir werden mehr zu tun kriegen. Man wird einen anderen Messi sehen." Wenn man ihn denn überhaupt sieht, denn im Hinspiel war der Argentinier komplett abgemeldet. Inwieweit diese Tatsache dem Fitness-Zustand des Barca-Heiligen geschuldet war, muss sich erst noch zeigen. Auf dem Argentinier ruht ein schier unmenschlicher Druck. Die spanische Sportzeitung "Marca" schrieb, die Hoffnung auf eine "Remontada" (span. Wiederauferstehung) ruhe "in Messis Schuhen". Auch für ihn wird das Spiel zur Charakterfrage. Schafft es "la pulga" (span. der Floh), wie sie ihn in Barcelona nennen, tatsächlich seine Mannschaft zum "Wunder vom Camp Nou" zu führen? Sicher ist jedoch, ein fitter Messi kann Wunderdinge auf dem Platz vollbringen und seine ganze Mannschaft damit anstecken. Umso wichtiger ist es für die Bayern, dem "Floh" wieder von Anfang an einen Schritt voraus zu sein. Aber wem sagen wir das?

Auch wenn Barca einen Messi in den eignen Reihen hat, die Erwartungshaltung an den FC Bayern ist riesig. Sie gehen als Favorit in dieses Spiel gegen eine Mannschaft, der nachgesagt wird, sie sei die beste der Welt. Das müssen die Bayern-Spieler ausblenden, genauso wie den 4:0-Vorsprung aus dem Hinspiel und die Gefahr von Gelbsperren für ein mögliches Finale. Dafür ist große Charakterstärke gefragt - von jedem einzelnen. Wenn das gelingt, steht einem deutschen Champions-League-Finale nichts mehr im Wege.

Die voraussichtlichen Aufstellungen:

FC Barcelona: Valdes - Alves, Bartra, Piqué, Adriano - Song - Xavi, Iniesta - Pedro, Villa, Fabregas

FC Bayern München: Neuer - Lahm, Boateng, van Buyten, Alaba - Martinez, Schweinsteiger, Robben, Müller, Ribéry - Mandzukic

Schiedsrichter: Damir Skomina (Slowenien)

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