Am Mittwochabend geht es für den FC Bayern um alles oder nichts: Nach dem 2:2 im Halbfinal-Hinspiel braucht es in Madrid nun einen Münchner Sieg, um ins Endspiel der Champions League einzuziehen. Mindestens vier Gründe sprechen dafür.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Michael Schleicher sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Grund Nummer eins: "Bestia Negra" Thomas Tuchel

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Die Zeiten, in denen Real Madrid vor dem FC Bayern als "Bestia Negra" zitterte, sind eigentlich vorbei. Doch die Münchner haben zumindest noch eine "schwarze Bestie" in ihren Reihen – und die sitzt auf der Trainerbank.

Die Bilanz von Thomas Tuchel spricht jedenfalls für ihn: In seiner Zeit als Trainer von Borussia Dortmund, Paris Saint-Germain, dem FC Chelsea und dem FC Bayern traf der 50-Jährige bislang neunmal auf die "Königlichen". Drei Spiele konnte er dabei für sich entscheiden, nur eins ging verloren. Der Bayern-Coach weiß also, wie man die Madrilenen besiegen kann.

Bayern-Trainer Thomas Tuchel
Thomas Tuchel hört zum Saisonende beim FC Bayern auf. Verabschiedet er sich mit einem Titel? © IMAGO/Laci Perenyi

Hinzu kommt, dass Tuchel durchaus als Halbfinal-Experte angesehen werden kann. In der Champions League stand er vor seiner Zeit beim FC Bayern zweimal in der Runde der letzten Vier: In der Saison 2019/20 scheiterte er im Corona-Endspiel von Lissabon an – genau – dem FC Bayern. Im Jahr darauf krönte er sich mit dem FC Chelsea zum Champions-League-Sieger. Gegner im Halbfinale damals: Real Madrid.

Ohnehin ist Tuchel unabhängig vom Format quasi Halbfinal-Experte: Egal ob Champions League, DFB-Pokal, Coupe de France oder FA-Cup. Wenn Tuchel in der Vergangenheit mit seinem Team im Halbfinale stand, ging es jeweils immer in die nächste Runde. Tuchel und die Halbfinals – eine Statistik, die vor dem Rückspiel-Kracher Hoffnung macht.

Grund Nummer zwei: Kane hat einen Lauf

Sicher vom Punkt: Bayern-Stürmer Harry Kane beim Strafstoß.
Sicher vom Punkt: Bayern-Stürmer Harry Kane beim Strafstoß. © IMAGO/Passion2Press/Markus Fischer

Super-Stürmer Harry Kane, im vergangenen Sommer an die Isar gekommen, ist beim FC Bayern voll eingeschlagen. Die kolportierte Ablöse in Höhe von 100 Millionen Euro dürfte der Engländer alleine schon durch seine Trikotverkäufe in München wieder eingebracht haben. Und dann kann der 30-Jährige ja auch noch Tore schießen – und wie!

Kanes aktuelle Bayern-Bilanz: 44 Tore und elf Vorlagen in 44 Pflichtspielen. Zuletzt war der Angreifer wieder besonders treffsicher. In den vergangenen vier Spielen gab es fünf Kane-Tore zu bejubeln, zusätzlich legte er noch einen Treffer auf. Auch im Hinspiel gegen Real war der Engländer zur Stelle, ganz abgezockt per Elfmeter. Dabei ließ er sich kurz vor dem Strafstoß auch nicht durch die verbalen Ablenkungsversuche von "Three Lions"-Kollege Jude Bellingham aus dem Konzept bringen.

Zudem dürfte vor allem Kane heiß sein aufs Endspiel in Wembley. Der 30-Jährige will endlich seinen ersten (!) Titel holen – nach dem bitteren Bayern-Scheitern in Bundesliga und DFB-Pokal am besten direkt den Henkelpott in der englischen Heimat.

Grund Nummer drei: Volle Kapelle im Bernabéu

Wer die Verletzungen beim FC Bayern in dieser Saison zählen möchte, dem dürfte mittlerweile leicht schwindlig werden: Ein Muskelfaserriss hier, eine Innenbandverletzung dort – und dann zu allem Übel auch noch eine mehr als hartnäckige Schambeinentzündung.

Nein, Thomas Tuchel hatte es in dieser Spielzeit phasenweise wirklich nicht leicht – häufig musste er aufgrund der vielen Verletzungen umdisponieren und spontan reagieren.

Leroy Sané jubelt nach seinem Treffer im Hinspiel gegen Real Madrid.
Leroy Sané jubelt nach seinem Treffer im Hinspiel gegen Real Madrid. © IMAGO/Laci Perenyi

Die gute Nachricht: Die Stars, die vor dem Kracher gegen Real wackelten, sind allesamt rechtzeitig fit geworden. Allen voran Matthijs de Ligt, der wieder für Minjae Kim, dem Pechvogel aus dem Hinspiel, in die Startelf kommen wird.

Und auch bei Leroy Sané, dem besagten Schambein-Patienten, sieht es in Sachen Startelf gut aus. Einen Sané in Topform brauchen die Bayern auch am Mittwochabend im Bernabéu, am besten mit einem Kracher ins kurze Eck wie im Hinspiel. Ebenfalls wieder fit: Jamal Musiala, der sich zuletzt mit Knieproblemen herumplagen musste. Wenn das mal keine guten Voraussetzungen sind.

Grund Nummer vier: Bayern pocht auf deutsche Vormachtstellung

Erstmals seit über einem Jahrzehnt ist der FC Bayern in dieser Saison nicht Deutscher Meister geworden, den Titel sicherte sich Bayer Leverkusen auch dank einer unglaublichen Ungeschlagen-Serie.

Arjen Robben
Bayerns Arjen Robben sorgte im deutsch-deutschen Finale 2013 für die Entscheidung. © imago sportfotodienst

Die nationale Vormachtstellung der Münchner ist also vorerst dahin – zumindest vorübergehend. Und auch international droht dem FC Bayern die zeitweise Aberkennung des deutschen Branchenprimus-Status. Denn: Am Tag vor dem Kracher gegen Real zog Borussia Dortmund nach dem Sieg gegen Paris Saint-Germain bereits ins Finale der Champions League ein. Nur logisch, dass die Bayern da unbedingt nachziehen wollen – das gebietet schon das Selbstverständnis des Rekordmeisters.

Zudem wollen die Bayern Borussia Dortmund abermals in einem Champions-League-Finale schlagen. So wie 2013, wo das Endspiel im Wembley-Stadion stattgefunden hat, so wie auch dieses Jahr am 1. Juni. Dann wäre die bayerische Vormachtstellung in Europa wieder hergestellt. Die Stars des FC Bayern dürften also höchst motiviert sein, erneut für ein deutsch-deutsches Finale zu sorgen.

Fazit

Durch den recht unnötig verschuldeten Elfmeter in der Schlussphase des Hinspiels hat sich der FC Bayern selbst um eine ideale Ausgangslage für das Rückspiel gebracht. Nun geht es wieder bei Null los – und das im restlos ausverkauften Estadio Santiago Bernabéu. Keine leichte Aufgabe.

Die Münchner müssen deshalb erneut auf einen Sa(h)né-Tag hoffen – und auch der tor- und titelhungrige Kane wird wieder gefragt sein. Die individuellen Fehler in der Bayern-Defensive waren das große Manko im Hinspiel, hier muss sich Rückkehrer de Ligt deutlich besser präsentieren als Kim.

Gelingt den Bayern all das, stehen die Chancen gut, dass Tuchel seine beeindruckende Halbfinal-Bilanz ausbauen kann.

Verwendete Quellen

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