• Der FC Bayern München trifft im Champions-League-Achtelfinale auf Paris Saint-Germain.
  • Der frühere Nationalspieler Benedikt Höwedes wird das Spiel live auf Prime Video (ab 20:00 Uhr, Anpfiff um 21:00 Uhr) kommentieren.
  • Im Exklusiv-Interview spricht der Ex-Nationalspieler über dieses Top-Duell sowie über die weiteren Spiele mit deutscher Beteiligung.
Ein Interview

Herr Höwedes, der FC Bayern München hat seit 19 Pflichtspielen nicht mehr verloren. Dennoch schlug Trainer Julian Nagelsmann nach dem 3:0 gegen den VfL Bochum Alarm und sagte, diese Leistung würde gegen Paris Saint-Germain nicht ausreichen. Wie beurteilen Sie die aktuelle Form des FC Bayern?

Benedikt Höwedes: Es ist normal, dass vor so einem großen Spiel noch einmal alle sensibilisiert werden, damit man nicht noch einmal so früh in der Champions League ausscheidet wie letztes Jahr. Paris hat eine sehr hohe Qualität. Wenn Kylian Mbappé rechtzeitig fit wird, ist das ein echtes Offensivfeuerwerk. Bayern ist extrem gefordert und braucht ein perfektes Spiel, um dort bestehen zu können.

Ist der FC Bayern München Ihrer Einschätzung nach ein Top-Favorit auf den Gewinn der Champions League?

Das ist Bayern gefühlt jedes Jahr. Von der Kaderqualität bringen sie großes Potenzial mit. Mit dem ausgeliehenen Joao Cancelo, der ein ausgezeichneter Außenverteidiger ist, haben sie noch einmal Qualität hinzugewonnen. Das war gerade jetzt wichtig, weil bei den Außenverteidigern Noussair Mazraoui verletzt und Alphonso Davies vielleicht nicht ganz in Form ist.

Letztendlich aber ist bei jedem Verein die Momentaufnahme extrem wichtig. Letztes Jahr hatte der FC Bayern das Momentum nicht auf seiner Seite und ist am FC Villarreal gescheitert. Ich denke, genau deshalb wird beim FC Bayern auch gewarnt, dass man gegen Paris eine andere Konzentration und Intensität benötigt als in der Bundesliga.

Münchner Defensivprobleme trotz Millionen-Investments

Der FC Bayern München hat sehr viel Geld in die Verteidigung investiert, die trotzdem nicht immer einen sicheren Eindruck macht. Wie beurteilen Sie diesen Mannschaftsteil als ehemaliger Verteidiger?

Ich denke, das Problem liegt manchmal in den Abläufen und in der Abstimmung. Es wäre mir aber zu einfach, dies lediglich auf die Verteidigung zu beziehen. Die gesamte Startelf muss gegen den Ball arbeiten, das fängt vorne beim Stürmer an. Manchmal verteidigt mir der FC Bayern nicht konsequent genug. Gerade gegen Paris könnte das bestraft werden.

Lionel Messi ist offenbar rechtzeitig zum Spiel gegen den FC Bayern fit geworden. Sie haben beim WM-Finale 2014 selbst gegen ihn gespielt. Wie lässt er sich verteidigen?

Die einzige Taktik kann darin liegen, gegen ihn als Mannschaft zu verteidigen. Im Eins-gegen-Eins-Duell sieht vermutlich jeder Spieler in neun von zehn Fällen schlecht gegen ihn aus. Man muss Messi mit zwei oder sogar drei Spielern im Block verteidigen. Das Problem ist nur, dass bei Paris der Fokus nicht nur auf Messi liegt. Neymar wird spielen, Kylian Mbappé kommt vielleicht ebenfalls dazu. Das sind absolute Weltklasse-Spieler.

Star-Ensemble in Paris: Hat der FC Bayern die nötigen Antworten?

Mbappé hat das Training wieder aufgenommen und könnte zumindest eingewechselt werden. Der Franzose gilt als der Top-Star im Weltfußball nach der Ära von Messi und Cristiano Ronaldo. Dafür hat der FC Bayern Jamal Musiala für die besonderen Momente. Bewegt sich Musiala vielleicht schon auf einem ähnlichen Niveau wie Mbappé?

Nein, das würde ich noch nicht sagen. Aber er befindet sich auf dem Wege dorthin. Messi und Ronaldo haben über mehr als ein Jahrzehnt in großen Spielen ihre Qualität gezeigt, Mbappé gelingt das nun auch seit einigen Jahren. Jamal ist noch jung. Trotzdem hat man das Gefühl, dass er der Ausnahmespieler beim FC Bayern ist, der immer wieder den Unterschied ausmacht. Das lässt teilweise an seinem Alter zweifeln.

Ich habe Jamal tagtäglich gesehen, als wir bei der Weltmeisterschaft unterwegs waren (Höwedes war Teammanager der Nationalmannschaft, Anm.d.Red.). Er kommt fast unscheinbar daher. Aber was er auf dem Platz liefert, ist einfach sensationell. Er kann jede Mannschaft besser machen, genauso wie Mbappé. Aber Mbappé bringt noch einmal einen anderen Speed mit. Musiala ist ein Ausnahmetalent, Mbappé ein Ausnahmespieler.

Der Brasilianer Neymar, ein weiterer Top-Spieler von Paris, ist eine polarisierende Persönlichkeit. Wie sehen Sie ihn?

Er gehört ebenfalls in die Riege der Weltklasse-Spieler. Vielleicht nicht im gleichen Maße wie Messi und Mbappé. Trotzdem ist er ein herausragender Spieler mit hohen technischen Fähigkeiten. Er entwickelt viel Zug in Richtung gegnerisches Tor und gibt auch viele Vorlagen. Natürlich ist er ein Spieler, der polarisiert und teilweise auch provoziert. Aber er fabriziert eben auch die Fußballkunst, die man als Zuschauer sehen möchte. Er vermittelt Spaß und Leidenschaft auf dem Platz. Seine Schwalben und seine Theatralik gefallen mir zwar auch nicht. Aber das gehört eben zu seinem Spiel.

Abgesehen von den drei genannten Top-Stars: Auf welche Spieler von Paris sollte der Zuschauer ansonsten noch achten?

Paris hat einige hochkarätige Spieler. Der Innenverteidiger Sergio Ramos ist allerdings nicht mehr ganz so schnell wie früher und macht ungewohnt viele Fehler. Ihn muss der FC Bayern fordern. Ansonsten ist Achraf Hakimi ein toller Außenverteidiger, der unheimlich viel Speed mitbringt.

Der Fokus sollte aber auf Messi, Mbappé und Neymar liegen. Das sind drei Spieler, die im Mittelfeld parken und in der Defensive sehr wenig machen, aber im Umschaltspiel sehr gefährlich und schnell sind. Sollten ein oder zwei von ihnen nicht spielen können, wäre das für den FC Bayern natürlich ein Vorteil.

Wer wird schlussendlich weiterkommen: Bayern oder Paris?

In der bestmöglichen Verfassung wäre das ein fifty-fifty Duell. Die Tendenz geht nun aber leicht zum FC Bayern, weil Paris nicht in der besten Verfassung ist und Verletzungsprobleme hat. Prognosen sind aber schwierig. In solchen Spielen kann alles passieren – gerade weil einzelne Spieler mit Einzelaktionen alles entscheiden können.

Deutsche Klubs in der Königsklasse: Underdogs oder Geheimfavoriten?

Sprechen wir abschließend auch noch einmal über die anderen deutschen Begegnungen in der Champions League. Borussia Dortmund trifft auf den FC Chelsea, die auf dem Transfermarkt mehr als 600 Millionen Euro in neue Spieler investiert haben und trotzdem in der Krise stecken. Ist Dortmund der Top-Favorit?

Nein, das sehe ich nicht so. Große Mannschaften mit großen Spielern sind in solchen Spielen zu besonderen Leistungen imstande. Chelsea steht unter Druck. Sie haben im Winter weitere Großeinkäufe getätigt. Dafür bestreitet Dortmund das Hinspiel zu Hause und hat durch die vergangenen Spiele Selbstvertrauen. Ich hoffe aus deutscher Sicht auf Dortmund, sehe die Chancen aber fifty-fifty, weil Chelsea auf dem Papier viel Qualität hat.

Wie schätzen Sie die Chancen von RB Leipzig gegen Manchester City ein?

Leipzig ist der Außenseiter. Allerdings gibt es rund um Manchester City viel Unruhe wegen der finanziellen Situation (die Premier League ermittelt wegen Finanzverstößen, Anm.d.Red.). In der Liga hinken sie auf Platz zwei hinter Arsenal hinterher. Sie waren sicherlich schon einmal besser im Flow. Trainer Pep Guardiola und auch Ilkay Gündogan haben moniert, dass sie nicht so konzentriert spielen wie sonst. Trotzdem hat Manchester City sehr viel Qualität und ist der Favorit.

Im vierten deutschen Duell trifft Eintracht Frankfurt auf den SSC Neapel. Wie schätzen Sie das Duell ein?

Neapel spielt in Italien eine großartige Saison und hat einen großen Vorsprung in der Liga. Mit Khvicha Kvaratskhelia habe ich selbst bei Lokomotive Moskau zusammengespielt. Damals war er noch sehr jung, hat aber bereits sein großes Potenzial angedeutet. Er ist ein toller Eins-gegen-Eins-Spieler und strahlt viel Torgefahr aus. Frankfurt ist aus meiner Sicht der Außenseiter, wobei ich mir wünschen würde, dass sie von der Euphorie getragen werden.

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Zur Person: Benedikt Höwedes (Jahrgang 1988) spielte in seiner aktiven Zeit für den FC Schalke 04, außerdem später für Juventus Turin und Lokomotive Moskau. Der frühere Verteidiger absolvierte insgesamt 44 Spiele in der Champions League, war außerdem Stammspieler der deutschen Nationalmannschaft und hat bei der siegreichen Weltmeisterschaft 2014 alle Spiele absolviert. Seit August 2021 ist er Teil des Experten-Teams der Uefa Champions League bei Prime Video.
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