Der SC Freiburg hat sich entschieden: Julian Schuster wird Nachfolger von Christian Streich, der den Posten des Cheftrainers nach mehr als zwölf Jahren aus freien Stücken räumt. Schuster war unter Streich Kapitän der Mannschaft und ist die Lösung, die der Vereins-Philosophie entspricht. Ehemalige Kollegen sind voll des Lobes über den 38-Jährigen.

Eine Analyse
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Bei einem Klub wie dem SC Freiburg geht es nicht um große Namen oder Beträge, es geht um ein möglichst familiäres Gefühl im knallharten Business Bundesliga.

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Vor allem aber geht es um Kontinuität an den sportlichen Schaltstellen und das Festhalten an der entsprechenden Philosophie des Vereins. Dies garantiert Ruhe im Umfeld und sorgt auf lange Sicht für das, was der SC unter Christian Streich erreicht hat: sich in der Bundesliga nicht nur zu etablieren, sondern zu einem respektierten Widersacher zu wachsen, der sich auch in Europa einen Namen macht und K.o.-Runden erreicht.

Julian Schuster kam 2008 vom VfB Stuttgart zum SC Freiburg

Diesen Status will Julian Schuster als Nachfolger Streichs erhalten. Schuster ist – angesichts der beschriebenen Freiburger Vereins-Philosophie – die logische Wahl auf dem Posten des Bundesliga-Cheftrainers.

"Wir haben uns in den vergangenen Wochen intensiv mit mehreren internen wie externen Kandidaten für die Nachfolge von Christian Streich auseinandergesetzt. Am Ende dieses Prozesses haben wir uns mit großer Überzeugung für den gemeinsamen Weg mit Julian Schuster entschieden", sagte Sportvorstand Jochen Saier. "Sein Fachwissen, seine Persönlichkeit und seine umfängliche Identifikation mit der Philosophie und den Werten des SC Freiburg waren für uns maßgebliche Kriterien."

Julian Schuster bestritt 185 Bundesligaspiele für den SC Freiburg

Schuster kommt nicht nur – wie auch immer wieder Spieler, die durch seine oder die Hände Streichs gegangen sind – aus den eigenen Reihen. Er war auch jahrelang Kapitän der Bundesliga-Mannschaft, zu der er 2008, vom VfB Stuttgart kommend, stieß. 185 seiner 187 Bundesligaspiele bestritt Schuster im Trikot des SC Freiburg.

Die Freiburger Nils Petersen und Julian Schuster feiern Schusters Pokaltor gegen Dresden
Nils Petersen (l.) spielte beim SC Freiburg zwischen 2015 und 2018 mit Julian Schuster (r.) zusammen und ist von dessen Qualitäten auch als Cheftrainer der Bundesliga-Mannschaft überzeugt. (Archivbild) © picture alliance / Patrick Seeger / dpa

Nach einem Jahrzehnt als Spieler des SC Freiburg wechselte Schuster aus dem defensiven Mittelfeld nahtlos in das Amt des Koordinators Talentförderung. "Julian Schuster war schon als Spieler der längste verlängerte Arm eines Trainers, den ich je gesehen habe", sagte Schusters früherer Mannschaftskollege Nils Petersen, als Torjäger selbst eine Legende des Klubs, über Streichs Erben.

Der selbst hatte in einem Anfang Februar 2024 veröffentlichten Interview mit der "Schwäbischen Zeitung" gesagt: "Selbstverständlich habe ich das Interesse, irgendwann eine Mannschaft trainieren zu dürfen." Er habe dafür jedoch "keinen konkreten Plan". Diese Aussage hat sich wenige Wochen später überholt. Schuster wurde vom Verein zur Bekanntgabe seiner Entscheidung so zitiert: "Das Traineramt beim Sport-Club ist für mich Herzensangelegenheit und Herausforderung zugleich. Ich bin mir der Aufgabe bewusst und gehe diese mit voller Überzeugung, aber auch mit Demut und Respekt an."

"Viele sagen, Julian hat bestimmte Eigenschaften von Christian angenommen."

Freiburgs Ex-Spieler Dennis Aogo äußert sich zum Vergleich der Trainer Schuster und Streich

Ex-Nationalspieler Dennis Aogo, der den SC Freiburg nach sechs Jahren im Sommer 2008 ausgerechnet verließ, als Schuster kam, sagte dem Pay-TV-Sender Sky: "Als Typ passt Julian zu 100 Prozent. Ich habe ihn leider nie richtig kennenlernen dürfen. Aber alles, was ich höre aus Freiburg – jeder lobt ihn in höchsten Tönen und viele haben gesagt, dass er schon bestimmte Eigenschaften von Christian angenommen hat über die Jahre. Deshalb könnte ich es mir gut vorstellen."

Petersen, der als ehemaliger Stürmer des FC Bayern und auch in Bremen gute Vergleiche in Sachen Vereins-Philosophie anstellen kann, unterstreicht: "Es schadet nicht, bereits Teil dieses besonderen Vereins gewesen zu sein. Der SC steht für bestimmte Werte, für eine gewisse Demut. Und am Ende auch für sportliche Qualität. Wenn eine Personalie im eigenen Haus das alles verkörpert, muss man wohl nicht allzu lange überlegen."

Der SC Freiburg gerät in sportlichen Krisenzeiten nicht in Panik

Der Klub erspart sich und dem neuen Cheftrainer so vor allem eine Kennenlernphase. Eine der Eingewöhnung wird und muss Schuster in der Bundesliga auch zugestanden werden.

In diesem Zusammenhang aber kommt das Thema Erwartungsdruck ins Spiel, der in Freiburg zwar mit den Erfolgen der letzten Jahrzehnte gestiegen sein mag. Trotzdem ist der Verein in Schwächephasen und gar nach Abstiegen – auch nicht, wenn er drohte – nie in Panik oder Aktionismus verfallen. Schuster selbst sagte im Interview mit der "Schwäbischen Zeitung" dazu: "(...) So richtig habe ich den Verein erst mit dem Abstieg kennengelernt. Da habe ich wirklich verinnerlicht, was es bedeutet, der SC Freiburg zu sein. Diese Geschlossenheit, die Bescheidenheit und die Kontinuität zu wahren."

Schuster: "Die Freiburger Wurzeln dürfen dabei nie verloren gehen"

Trainer wie Volker Finke oder Streich durften in Ruhe weiterarbeiten. Dies reduzierte die Verweildauer der Freiburger in der 2. Liga, nachdem sie es im Sommer 1992 erstmals in die Bundesliga geschafft hatten, auf ein Minimum. Schusters früherer Mannschaftskollege Jonathan Schmid fasste es so zusammen: "Ich traue ihm diese Aufgabe zu, weil der Verein Julian Zeit geben und ihn nicht direkt unter Druck setzen wird."

Schuster kennt die Herausforderung, die nun auch auf ihn zukommt: "(...) Mit jedem Wachstum passiert eine Veränderung und man muss immer aufpassen. Die Freiburger Wurzeln dürfen dabei nie verloren gehen", sagte er in der "Schwäbischen Zeitung".

So hat sich der SC Freiburg sportlich in einer Umgebung etabliert, die – bei Betrachtung der vergleichsweise noch immer bescheidenen Rahmenbedingungen, zu denen auch die mediale Aufmerksamkeit gehört – nicht seine natürliche ist. Diese Etablierung in der Bundesliga, und die Aussicht für Nachwuchsspieler, dorthin auch zu gelangen, machen den Verein zu einer erstklassigen Adresse für junge Talente.

Freiburgs Kapitän Julian Schuster feuert in Hamburg seine Mitspieler an
Als Kapitän des SC Freiburg beweist Julian Schuster schon zu Spielerzeiten Führungsqualitäten. (Archivbild) © picture alliance / SvenSimon / Jan Kuppert

"Wenn er das Wort ergriffen hat, war Ruhe in der Kabine."

Mitspieler Nils Petersen erinnert sich an Ansprachen des damaligen Kapitäns Julian Schuster

Auf die wird Schuster, der ja – wie zuvor auch Streich – als Trainer genau aus dem Segment der Nachwuchsförderung kommt, auch als Verantwortlicher in der Bundesliga ein waches Auge haben. "Für mich war sonnenklar, dass Schusti eines Tages Trainer wird, und mich würde es sehr wundern, wenn diese tolle Persönlichkeit keinen Erfolg hätte", ist Petersen überzeugt. "Seine Ansprachen an Spieltagen hatten immer etwas unglaublich Klares, Motivierendes und stets Sinnvolles. Wenn er das Wort ergriffen hat, war Ruhe in der Kabine."

Nach 29 Jahren im Verein: Streich verlässt Freiburg

Nach 29 Jahren endet eine Ära: Christian Streich hört zum Saisonende beim SC Freiburg auf. © ProSiebenSat.1

Schuster weiß um die Schwere der Aufgabe, auf eine Ikone wie Streich zu folgen. Petersen empfiehlt dem Neuen, keine Kopie des Originals zu sein, mit dem Schuster während dessen gesamter Ära zusammengearbeitet hat.

"Es braucht nach zwölf Jahren Christian Streich nun keine schlechte Kopie vor die Mannschaft zu treten, die mit dem Fahrrad anreist und alemannisch spricht", meinte Petersen: "Wenn man irgendetwas Gutes in dieser Zäsur sehen möchte, dann ist es möglicherweise ein neues Gesicht, ein neuer Input, eine neue Ansprache, möglicherweise sogar eine andere Idee von Fußball. Am Ende braucht es sportlichen Erfolg, Authentizität, und es schadet natürlich auch nicht, auf seine Art Menschenfänger zu sein."

Man solle den neuen Trainer "nicht in seiner Art, in seinem Wesen, seinem Denken in eine zwölf Jahre alte Vorlage pressen."

Verwendete Quellen:

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