Es ist eine etwas paradoxe Situation für den FC Bayern. 12 Spieler stellte der Rekordmeister für die Weltmeisterschaft in Russland ab. So viele wie keine andere Bundesligamannschaft. Für zehn Spieler ist das Turnier bereits beendet. Für die acht deutschen Nationalspieler wurde es sogar zum Debakel. Gleiches gilt für Robert Lewandowski und die Polen. Und auch Thiago kann mit dem frühen Ausscheiden der Spanier und nur wenig Spielanteilen überhaupt nicht zufrieden sein. Aktuell sind nur James und Corentin Tolisso noch im Turnier.

Steffen Meyer
Eine Kolumne

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Viele Verlierer also. Und trotzdem ein großer Gewinner: Niko Kovac. Der neue Bayern-Trainer, der sich am Montag erstmals in München vorstellte kann nämlich nun schon deutlich früher als erwartet auf seine Stars zurückgreifen.

Schon am 25. Juli werden sie im Training erwartet und sollen sich während der zu diesem Zeitpunkt laufenden USA-Reise der Münchner auf das erste Trainingslager am Tegernsee Anfang August vorbereiten.

Für Kovac, der bei der Auftakt-PK einen überzeugenden Eindruck hinterließ beinahe eine Luxus-Situation.

Viele Pleiten könnten zum mentalen Problem werden

Denn mit der Fitness seiner WM-Fahrer wird er zum Saisonauftakt wider erwarten also eher weniger Probleme haben. Schwieriger könnte die mentale Wiedereingliederung sein.

Viele der Münchner haben eine Reihe von Pleiten hinter sich. Das verlorene Champions-League-Halbfinale gegen Madrid. Die Niederlage im Pokalfinale. Nun eine für die meisten Nationalspieler völlig verkorkste WM.

Spieler, die öffentlich über Motivationsprobleme sprechen. Dazu offenbar wechselwillige Akteure wie Lewandowski und Boateng.

Erinnerungen an das Jahr 2012 werden wach. Auch damals hatten die Münchner schwere Niederlagen zu verkraften. Sie blieben damals trotz zwei Finaleinzügen sogar komplett ohne Titel. Dazu kam eine für die deutschen Nationalspieler sehr negativ bewertete EM in Polen und der Ukraine.

Vieles wurde in Frage gestellt in München. Der Trainer, die Spieler, die komplette Ausrichtung des Vereins. Es war der neue Bayern-Sportdirektor Matthias Sammer, der damals die richtigen Worte fand.

Mit einer Mischung aus demonstrativer Rückendeckung für unzufriedene Stars wie Arjen Robben und klaren Ansagen setzte Sammer damals früh einen Ton, der stilbildend werden sollte für die danach folgende historische Triple-Saison.

Kann Kovac den Sammer machen?

Für Selbstmitleid sei kein Platz, sagte Sammer damals in der ersten Pressekonferenz im Trainingslager. Für Alibis erst recht nicht. Dieser sanfte Druck kam für die damals verunsichert wirkenden Spieler des FC Bayern zur rechten Zeit.

Sofort war wieder Zug drin. Auch durch den damals neu ausgerufenen Konkurrenzkampf. Ein Antreiber wie Sammer fehlt heute im Verein. Kann Kovac diese Rolle ausfüllen?

Der Auftakt am Montag war wie gesagt gelungen. Kovac präsentierte sich in der Pressekonferenz als eloquenter, völlig unerschrockener Fußballtrainer, der mit Vorfreude und einem klaren Plan in die Aufgabe in München geht.

Dass er bereits das persönliche Gespräch mit dem hörbar unzufriedenen Torjäger Lewandowski gesucht hat, kann ebenfalls als gutes Zeichen gewertet werden.

Kovac hat nun einige Tage Zeit sich in München mit den übrigen Spielern zu akklimatisieren. Wenn Ende Juli dann die WM-Fahrer zurückkehren, sollte sich Kovac an Matthias Sammer erinnern und klare Erwartungen formulieren.

Denn für Selbstmitleid oder Sinnkrisen ist trotz des WM-Debakels auch im Jahr 2018 keine Zeit in München.

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