Die Kritik an der Dortmunder Spielweise hat die Winterpause überdauert, eher zufällig rückt dabei auch Niclas Füllkrug ins Zentrum der Debatten. Der spürt den Druck von Kontrahent Youssoufa Moukoko - was wiederum das Trainerteam vor eine grundsätzliche Entscheidung stellt.

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Besonders innovativ war die bisherige Saison aus taktischer Sicht nicht. Borussia Dortmund steht für einen vergleichsweise einfachen und auch berechenbaren Stil, der sich auch nach der ersten Saisonhälfte in erster Linie über die individuelle Qualität seiner Einzelspieler definiert.

Im Grundsatz muss das kein Makel sein, der BVB hat schlicht bessere Spieler in seinen Reihen als das Gros seiner Mitstreiter in der Liga und darf diesen Wettbewerbsvorteil natürlich ausgiebig nutzen. Wie groß die Not für Veränderungen aber dennoch ist, zeigten nicht zuletzt die Transfers in den letzten Wochen.

Jadon Sancho und Ian Maatsen dürften die individuelle Qualität im Kader im besten Fall noch einmal nach oben schrauben, Sven Bender und Nuri Sahin sollen Cheftrainer Edin Terzic dabei helfen, ein passendes Gerüst zu basteln. Denn das fehlt dem BVB auch weiterhin, das belegten die Testspiele und auch die Partie in Darmstadt am Samstag noch einmal mit Nachdruck.

Die Individualität der Spieler so in ein tragfähiges Korsett einzubauen, dass jeder auf der für ihn besten Position seine Stärken maximal zur Geltung bringen kann: Das ist in erster Linie Trainerarbeit. Ausnahmen wie aktuell bei Niklas Süle, der sich offenbar eher selbst im Weg steht, bestätigen die Regel.

BVB nur mit einer Sturmspitze

Eine gewisse Flexibilität lässt sich dem BVB gar nicht absprechen. Terzic vertraut zwar in der Regel Grundordnungen mit der Viererkette in der letzten Linie, stellt aber je nach Gegner oder Spielsituation auch auf Dreierkette um oder wählt diese Anordnung situativ als Stilmittel, etwa beim Spielaufbau.

Davor agiert der BVB mit einem oder zwei Sechsern und entsprechend im 4-2-3-1 oder im 4-3-3. Allen Formationen, egal ob mit Vierer- oder Dreierkette, gemein ist die einfache Besetzung des Sturmzentrums. Niclas Füllkrug ist im Dortmunder Angriff gesetzt, der Nationalspieler hat sich früh in der Saison und unmittelbar nach seinem Wechsel den Stammplatz gesichert und seitdem nicht mehr hergegeben.

Füllkrug stand bisher mit einer Ausnahme im Pokal gegen Hoffenheim in jedem der 22 Pflichtspiele auf dem Platz, 19 Mal davon von Beginn an. Seine Ausbeute ist mit sieben Toren und sechs Assists nicht schlecht, aber auch weit entfernt von dem, was andere Mittelstürmer in der Liga leisten.

Füllkrug erzielt im Schnitt alle 254 Minuten ein Tor. Serhou Guirassy benötigt lediglich 62 Minuten, Bayerns Harry Kane 64 Minuten. Und Deniz Undav, wie Guirassy auch für den VfB Stuttgart aktiv, nur 97 Minuten. Und auch in den eigenen Reihen wird Füllkrug von Youssoufa Moukoko in diesem Ranking klar abgehängt: Der hat zwar erst 151 Spielzeit gesammelt, trotzdem aber schon zwei Tore erzielt.

Einbindung von Füllkrug ein Problem

Nun sind das zunächst nichts als Zahlenspielereien und in Füllkrugs Fall muss man konstatieren, dass er – an seinem Spielerprofil gemessen – auch etwas unglücklich eingebunden ist. Füllkrug bekommt kaum Flanken serviert, um seine Kopfballstärke und die Abschlussqualitäten mit dem ersten Kontakt im gegnerischen Strafraum zu zeigen.

Stattdessen wird er immer noch ein Stückchen mehr zu einem Wandspieler, der bei flachen Zuspielen immer wieder starke Momente hat - in der Luft aber nicht ganz so durchsetzungsstark ist wie etwa ein spielfitter Sebastien Haller. Dass der BVB trotzdem weiterhin viel mit neutralen Bällen auf Füllkrug in der Spieleröffnung agiert, ist deshalb umso unverständlicher. Die damit unvermeidbaren zweiten Bälle sammelt der BVB zumindest nicht in großer Zahl auf.

Zu Bremer Zeiten hatte Füllkrug in Marvin Ducksch immer einen Spieler um sich herum, der diese Bälle erobern oder mit einer Verlängerung gleich in die Tiefe starten konnte. Beim BVB sind die Mitspieler, die die Tiefe bedrohen könnten, in den aktuell bevorzugten Anordnungen aber etwas zu weit weg vom Geschehen.

Die Zehnerposition wäre im 4-2-3-1 ja besetzt, zuletzt im 4-3-3 fehlt diese enge Anbindung an den Mittelstürmer aber ein wenig.

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Moukoko und das VfB-Modell

Füllkrug gab in Darmstadt lediglich zwei Torschüsse in 80 Minuten ab, sein „Ersatz“ Moukoko genau so viele in nur zehn Spielminuten. Und Moukoko erzielte dabei auch noch ein ziemlich sehenswertes Tor. Nun mag das gegen einen müden und in der Offensive geforderten Gegner in der Schlussphase einer Partie deutlich leichter sein. Moukokos Kurzeinsatz war dennoch eine klare Ansage, die dem Trainerteam nun wieder eine Option mehr bietet, aber auch eine harte Entscheidung erfordert. Dass Füllkrug nach nur einem Spiel in der Rückserie auf der Bank und Moukoko dafür gegen Köln in die Startelf rücken könnte, ist kaum anzunehmen.

Statt Füllkrug oder Moukoko könnte Terzic aber auch über ein „Füllkrug und Moukoko“ nachdenken. Bisher war diese Konstellation einem meist negativen Spielstand geschuldet, wenn der BVB bei einem Rückstand auf zwei klare Angreifer umgestellt hatte.

Wie man zwei zentrale Angreifer aber geschickt unter einen Hut bekommt, beiden dabei ihre Stärken lässt und auch die Grundordnung nur minimal anpassen muss, zeigt der VfB Stuttgart: Mit einer Hybridlösung, die auch bei der Borussia funktionieren könnte. Nicht mit einem klassischen Neuner und einer Zehn wie etwa Marco Reus dahinter. Sondern in etwas abgewandelten Rollen.

Guirassy und Undav sind als Nummer neun und Nummer neuneinhalb - und umgekehrt - unterwegs. Und damit hinter Kane und Leroy Sane das gefährlichste Duo der Liga.

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