Leitkultur, Leistungsgedanke – und eine "Begrenzung der humanitären Migration": Im Entwurf für ein neues Grundsatzprogramm betont die CDU traditionelle Werte. Generalsekretär Carsten Linnemann verspricht "CDU pur" – und macht deutlich: Die Partei will schnell wieder regieren.
Die 90er-Jahre erleben gerade nicht nur modisch und medial eine Wiedergeburt. Auch in politischen Debatten sind sie wieder Thema. SPD und Grüne werfen dem CDU-Vorsitzenden
Eine Rückkehr in die 90er steht zwar nicht im Entwurf für ein neues CDU-Grundsatzprogramm, das Generalsekretär
Mit den 71 Seiten des Programmentwurfs kehrt die CDU auf gewisse Weise zurück zu ihrem Markenkern. Linnemann spricht von "CDU pur". Christlich-sozial, liberal und konservativ wolle man sein, heißt es. Mit dem deutlichen Bekenntnis zum Konservatismus hätte sich die Partei vor einigen Jahren wohl noch schwergetan.
Grundsatzprogramm: Die Glaubenssätze der CDU
Linnemann hat ein Ziel ausgegeben: Wenn ein CDU-Mitglied nachts um drei Uhr geweckt werde, müsse es gleich sagen können, wofür die CDU steht. Das ist vielleicht etwas viel verlangt – aber in Zukunft soll das Mitglied zumindest wissen, wo es das alles schnell nachschlagen könnte: im neuen Grundsatzprogramm.
Grundsatzprogramme sind so etwas wie die gesammelten Glaubenssätze einer Partei. Sie führen wichtige Werte und Ziele auf – ganz unabhängig von aktuellen Wahlprogrammen. Im Fall der CDU stammt das aktuell noch gültige Programm allerdings aus dem Jahr 2007. Das ist angesichts der aufgeregten politischen Zeiten eine halbe Ewigkeit: Von Finanz-, Flüchtlings-, Corona- und Energiekrise war damals noch keine Spur. Zudem wird die Wahlniederlage 2021 auch darauf zurückgeführt, dass selbst die CDU-Mitglieder nicht mehr so recht wussten, wofür ihre Partei eigentlich steht.
Im vergangenen Jahr begann die Partei daher mit der Arbeit an einem neuen Grundsatzprogramm. Im kommenden Jahr soll ein Parteitag es offiziell beschließen – und an diesem Montag stellte Linnemann den ersten Entwurf vor.
Lesen Sie auch
CDU fordert "Mut zur Leitkultur"
Im Frühjahr hatte die CDU bereits Ergebnisse einer Mitgliederumfrage präsentiert. Da wurde deutlich: Die christdemokratische Basis wünscht sich innere und äußere Sicherheit sowie eine Besinnung auf christliche Werte. Auch mit den 71 Seiten des Grundsatzprogramms bewegt sich die Partei nun ein Stück weit zurück zu ihrem Markenkern: Sie fordert "Mut zur Leitkultur" ein, betont den Leistungsgedanken und stellt fest: Klimaschutz könne nur marktwirtschaftlich gelingen. Man sei "im besten Sinne bürgerlich" und wolle Volkspartei bleiben.
Wohl kein Thema hat die CDU in den vergangenen zehn Jahren so beschäftigt wie die Flüchtlingspolitik: Die damalige CDU-Kanzlerin Angela Merkel war im Spätsommer 2015 bekanntlich das Gesicht der deutschen Willkommenskultur, nun setzt die Partei auch hier einen anderen Ton. Im Entwurf des Grundsatzprogramms heißt es: "Wir wollen einen Stopp der unkontrollierten Migration und eine Begrenzung der humanitären Migration auf ein Maß, das die Integrationsfähigkeit Deutschlands nicht überfordert und zugleich unserer humanitären Verantwortung gerecht wird."
Die CDU wolle zwar ein gastfreundliches Deutschland, sagt der Thüringer Landeschef Mario Voigt bei der Vorstellung des Programmentwurfs. "Gastfreundschaft heißt bei uns aber nicht, die Tür auszuhängen in unserer Wohnung, sondern selber zu bestimmen, wer und wie viele in unsere Wohnung kommen."
Carsten Linnemann: "Wir wären bereit"
Bleibt die Frage: Was genau versteht die CDU eigentlich unter Leitkultur? Dabei gehe es nicht nur um das Grundgesetz, sagt die Bundestagsabgeordnete Serap Güler. Zur Leitkultur gehöre etwa auch das unmissverständliche Bekenntnis zum Existenzrecht Israels. Die CDU versteht sich aber auch als Partei, die verschiedene gesellschaftliche Gruppen zusammenführt: Eine Leitkultur sei das "Fördermittel für den gesellschaftlichen Zusammenhalt", sagt Güler. Auch von Traditionen und Bräuchen, deutscher Sprache und Kultur ist im Grundsatzprogramm beim Thema Leitkultur die Rede.
Möglicherweise werden die Mitglieder diesen Begriff noch näher "ausbuchstabieren", wie es im Politikersprech so schön heißt. Generalsekretär Linnemann wünscht sich jedenfalls, dass die Kreisverbände über den Entwurf jetzt ausgiebig diskutieren.
Allerdings soll das Programm auch eine Botschaft über die Partei hinaus sein: Die CDU sei wieder regierungsbereit, sagt Linnemann. Seit der Haushaltskrise wird so stark über ein Ende der Ampel-Koalition diskutiert wie nie zuvor. "Sollte es zu einer vorgezogenen Bundestagswahl kommen, wären wir bereit", sagt Linnemann.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.