Vertreter und Anhänger der AfD demonstrierten in den vergangenen Tagen Seite an Seite mit Rechtsradikalen. Nun werden die Rufe nach einer Beobachtung der Partei vom Verfassungsschutz lauter - auch aus der Bevölkerung.

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Nach der Beteiligung der AfD an fremdenfeindlichen Demonstrationen in Chemnitz werden die Rufe nach einer stärkeren Beobachtung der Partei lauter: Laut einer repräsentativen Umfrage ist eine Mehrheit der Deutschen dafür, die Partei vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen.

Auch aus den Reihen von CDU, SPD und Grünen kamen entsprechende Forderungen und der Appell für eine schärfere politische Abgrenzung.

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sprach sich etwa in der "Welt am Sonntag" dafür aus, das Finanzgebaren der Rechtspopulisten unter die Lupe zu nehmen.

Aus der AfD heraus werde "Beihilfe zum Rechtsradikalismus" geleistet, sagte Kauder. "Das ist schon eine neue besorgniserregende Qualität." Er fügte hinzu: "Die AfD will unseren Staat angreifen".

Man müsse die "AfD-Wähler schon fragen: Schämen Sie sich nicht, einer solchen Partei die Stimme zu geben?" Kauder verlangte auch, es müsse herausgefunden werden, wer die AfD mit Millionen im Bundestagswahlkampf unterstützt habe.

Seehofer sieht keine Grundlage für Beobachtung

Innenminister Horst Seehofer sieht aktuell keine Grundlage für eine flächendeckende Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz.

"Derzeit liegen die Voraussetzungen für eine Beobachtung der Partei als Ganzes für mich nicht vor", sagte der CSU-Chef den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

"Natürlich muss man immer genau hinschauen, und das tut der Verfassungsschutz, ob es sich bei Aussagen von Parteimitgliedern oder Zusammenarbeit mit bestimmten Gruppen um Einzelmeinungen oder parteipolitische Linie handelt", betonte Seehofer.

Zugleich empfahl der Innenminister "allen politischen Kräften, die sich in der Verantwortung für unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat sehen, sich von Aufstachelung und Gewaltanwendung deutlich zu distanzieren und von jeglichem Versuch einer Legitimierung Abstand zu nehmen".

CDU-Sicherheitsexperte: AfD gehört beobachtet

Der CDU-Sicherheitsexperte Patrick Sensburg sagte NDR Info, er sei schon lange der Meinung, dass die AfD vom Verfassungsschutz überwacht werden müsse.

Der CDU-Innenexperte Armin Schuster hatte die Verfassungsschutzbehörden der Länder kürzlich aufgefordert, die AfD genauer unter die Lupe zu nehmen. Die AfD werde "immer mehr ein Fall für den Verfassungsschutz", sagte Schuster, zumal sich Parteichef Alexander Gauland inzwischen "mindestens einmal im Monat von einer Entgleisung eines seiner Parteimitglieder distanzieren" müsse.

Der SPD-Innenpolitiker Burkhard Lischka plädierte dafür, Teile der rechtspopulistischen Partei zu überwachen. "Wer über Jahre hinweg Teile der Linken beobachtet, darf nicht auf dem rechten Auge wegsehen", sagte er der "Augsburger Allgemeinen". Auch der FDP-Vorsitzende Christian Lindner plädierte für eine teilweise Überwachung. Teile der AfD und einige ihrer Mandatsträger bekämpften offen die liberale Ordnung, sagte er der "Rheinischen Post". "Dann muss man sie beobachten."

Grünen-Chefin Annalena Baerbock sagte der dpa am Rande der "Herz statt Hetze"-Demonstration in Chemnitz, angesichts des Verhaltens der AfD sei ihre Überprüfung durch den Verfassungsschutz "dringend geboten".

Die AfD habe offen mit zu den Ereignissen in der sächsischen Stadt aufgerufen und zur Hetze beigetragen. "Ihre Strukturen sind eng vernetzt mit denen der Rechtsextremen und Hooligans, die auf Menschen Jagd gemacht haben."

Katja Kipping ist für eine Beobachtung

Der Grünen-Innenexperte Konstantin von Notz sieht bei den Behörden in den Bundesländern eine wachsende Bereitschaft, die AfD unter Beobachtung zu stellen. "Man kann der AfD beim Extremisieren zugucken", sagte er der "Augsburger Allgemeinen". Die Reden, die politischen Forderungen, die Bündnispartner der Partei - alles rutsche immer weiter ins völkisch-rechtsextreme Umfeld, sagte von Notz.

Linken-Chefin Katja Kipping sprach sich für eine Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz aus. So ein Schritt alleine werde das Problem aber nicht lösen, sagte Kipping am Sonntag im "Sommerinterview" der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin".

"Natürlich wissen wir, dass die AfD Feinde der Verfassung sind. Das ist ja nichts Neues." Auch innerhalb der Linkspartei wird eine Gruppierung als extremistisch eingestuft und deshalb vom Verfassungsschutz beobachtet: Die Kommunistische Plattform.

Die Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Sahra Wagenknecht, lehnte eine Beobachtung seitens des Verfassungsschutzes dagegen ab. "Mit der AfD muss man sich politisch auseinandersetzen", sagte sie der "Rheinischen Post".

Mehrheit der Deutschen spricht sich für Beobachtung aus

Eine Mehrheit der deutschen Bevölkerung ist indes dafür, die AfD vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen. In einer repräsentativen Online-Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag der Onlineportale der Funke Mediengruppe vom Freitag sagten mehr als 57 Prozent der Befragten, die AfD solle "auf jeden Fall" (42,7 Prozent) oder "eher ja" (14,5 Prozent) vom Bundesamt für Verfassungsschutz beleuchtet werden.

Dagegen meinten knapp 36 Prozent, eine Überwachung sei "auf keinen Fall" (23,7 Prozent) oder eher nicht erforderlich. Rund 7 Prozent waren unentschieden.

Die Quote der Ostdeutschen, die für eine Überwachung sind, ist mit rund 48 Prozent deutlich niedriger als die der Westdeutschen (66 Prozent). Für die Online-Umfrage wurden am 31. August Antworten von 5.002 Nutzern ausgewertet.

In Chemnitz war es nach dem gewaltsamen Tod eines 35-Jährigen in den vergangenen Tagen mehrfach zu Demonstrationen rechter Gruppierungen gekommen, darunter AfD, Pegida und das rechtspopulistische Bündnis Pro Chemnitz. Es gab auch Angriffe auf Ausländer. Wegen der Tötung des 35-Jährigen sitzen zwei Männer aus Syrien und dem Irak in Untersuchungshaft.

In der Wählergunst legt die AfD seither zu: Im Sonntagstrend der "Bild am Sonntag" verbesserte sich die Partei bundesweit um einen Punkt auf 15 Prozent. (ank/afp/dpa)

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