• Nach am Mittwoch vorgestellten Plänen sollen russische Öl-Lieferungen in die EU Anfang 2023 weitgehend eingestellt sein.
  • Welche Folgen hätte das hierzulande? Ein Überblick.

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Was genau schlägt die EU-Kommission vor?

Konkret ist geplant, dass nach einer Auslaufphase von sechs Monaten ein Einfuhrverbot für Rohöl gelten soll und bis Ende des Jahres dann auch keine Öl-Produkte mehr eingeführt werden. Weitreichende Ausnahmeregelungen sind nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) nur für Ungarn und die Slowakei geplant. Diese beiden EU-Mitgliedsstaaten decken derzeit noch einen Großteil ihres Öl-Bedarfs aus Russland und sehen sich auch wegen eines fehlenden Meereszugangs nicht in der Lage, schnell andere Lieferquellen zu erschließen.

Was könnte das für deutsche Verbraucherinnen und Verbraucher bedeuten?

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erwartet hohe Preissteigerungen. Grund ist demnach unter anderem, dass russisches Öl durch wahrscheinlich teurere Alternativen aus anderen Ländern ersetzt werden muss. Zudem bedeutet die Umstellung von Raffinerien und Lieferwegen Aufwand und Kosten. Der Mineralöl-Wirtschaftsverband Fuels und Energie e.V. äußert sich vage: Es sei "eher unwahrscheinlich", dass es keine Auswirkungen auf die Preise an den Tankstellen geben werde. Doch hänge die Markt- und Preisentwicklung von vielen Faktoren ab, etwa auch vom Dollar-Kurs und Beschlüssen der großen Förderländer.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) sieht das ähnlich. "Die Entwicklung der Preise nach einem Öl-Embargo-Beschluss kann niemand zuverlässig vorhersagen", sagte vzbv-Mobilitätsexpertin Marion Jungbluth der dpa. Der Ölmarkt sei immer schon sensibel und die Preise schwankend gewesen.

Energieexperte Klaus-Jürgen Gern vom Kieler Institut für Weltwirtschaft sagte: "Drastische Preisanstiege wären gar nicht zwangsläufig." Das gilt aus seiner Sicht zumindest für ein Embargo mit Übergangsfrist. Denn die schrittweise Abkehr von russischem Öl sei ja bereits angekündigt und in den derzeit hohen Preisen wohl schon berücksichtigt, so Gern.

Was kann man gegen den Preisanstieg tun?

Marion Jungbluth von der Verbraucherzentrale sagt, die Bundesregierung müsse einschreiten, wenn Konzerne sich in der Krise bereichern wollen würden. Sie bezieht sich auf mögliche Gewinne durch plötzliche Veränderungen der Marktsituation, sogenannte "windfall profits". Gefordert seien hier die Markttransparenzstelle für Kraftstoffe und das Bundeskartellamt.

"Die beschlossene Energiesteuersenkung vom 1. Juni 2022 muss eins zu eins an die Verbraucher und Verbraucherinnen weitergegeben werden", fordert die Expertin. Ein Preismoratorium solle auch verhindern, dass Tickets für Busse und Bahnen teurer werden. Wichtig sei zudem Energiesparen. Zugleich warnt Jungbluth: "Hamsterkäufe würden den Preis unnötig in die Höhe treiben oder sogar zu einer Verknappung führen, daher raten wir davon ab."

Was könnte das Embargo für die deutsche Wirtschaft bedeuten?

Betroffen wäre vor allem die Stadt Schwedt in Brandenburg. Dort steht die vom russischen Staatskonzern Rosneft betriebene PCK-Raffinerie, die bislang von russischen Öl-Lieferungen abhängig ist. 1.200 Menschen sind direkt im Werk beschäftigt, zudem Hunderte Mitarbeiter bei Zulieferern und Dienstleistern auf dem Gelände.

Wie abhängig ist Deutschland noch von russischem Öl?

Ohne Lieferungen aus Russland sei keine "Öl-Krise" zu erwarten, sagte Wirtschaftsminister Habeck zuletzt. Der Anteil russischen Öls am deutschen Verbrauch ist nach seinen Angaben innerhalb weniger Wochen von 35 auf 12 Prozent gesunken. Der verbliebene Anteil russischen Öls entfällt demnach auf die Raffinerie in Schwedt.

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Gibt es noch andere mögliche unerwünschte Nebenwirkungen?

Als ein Risiko gilt, dass ein Embargo die Öl-Preise international so in die Höhe treibt, dass Russland am Ende mit weniger Exporten mindestens genauso viel Geld verdient wie vorher. Damit einhergehen könnte, dass Öl für ärmere Länder unbezahlbar wird. Dies wiederum könnte Präsident Wladimir Putin laut dpa dazu nutzen, russisches Öl billiger an ärmere Länder zu verkaufen - unter der Bedingung, dass sich diese Länder nicht an den westlichen Sanktionen gegen Russland beteiligen. Innerhalb der EU in Brüssel, aber auch in Deutschland und den USA sind den Angaben zufolge daher nicht alle Politikerinnen und Politiker davon überzeugt, dass ein Öl-Embargo derzeit die klügste Idee ist.

Warum schlägt die Kommission dennoch ein Embargo vor?

Einen nicht unerheblichen Anteil an der Entscheidung dürfte der große Druck aus der Öffentlichkeit gehabt haben. Für viele Menschen ist es schwer verständlich, dass die EU-Staaten auch mehr als zwei Monate nach Kriegsausbruch noch so viel Öl in Russland einkaufen und damit indirekt auch die Regierung von Putin stützen. Nach Schätzung der Denkfabrik Bruegel wurde in die EU zuletzt noch täglich russisches Öl im Wert von etwa 450 Millionen Euro importiert.

Wie stark könnte das neue Embargo Russland treffen?

Zu Jahresbeginn hat Russland noch die Hälfte seiner täglich knapp fünf Millionen Barrel Rohöl nach Europa exportiert. Auch von den drei Millionen Barrel an Öl-Produkten, also Diesel oder Schweröl, ging die Hälfte in Richtung Westen. Das Öl, das bisher über die Druschba-Pipeline geflossen ist - etwa 750.000 Barrel pro Tag -, dürfte selbst mit teuren Schifftransporten nicht komplett in andere Länder umgeleitet werden. Die einzige Pipeline nach Osten gilt als ausgelastet.

Bereits im April ist die Öl-Förderung um neun Prozent gefallen. Bis Jahresende erwartet der russische Finanzminister Anton Siluanow einen Rückgang von 17 Prozent. Öl-Einnahmen machen rund 30 Prozent des russischen Haushalts aus. Bislang sind die Verluste für Russland laut dpa zu ertragen. Die hohen Öl-Preise gleichen einen Teil davon aus, da die Regierung bei ihrer Finanzplanung noch von einem deutlich geringeren Öl-Preis ausgegangen war.

Wie geht es jetzt weiter?

Über die Vorschläge der Kommission wird jetzt von den ständigen Vertretern der EU-Staaten in Brüssel beraten. Wenn aus den Hauptstädten keine großen Einwände mehr kommen, könnte das Embargo dann bereits in den kommenden Tagen zusammen mit weiteren neuen Russland-Sanktionen beschlossen werden.

Neben dem Öl-Embargo bestätigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Pläne für Strafmaßnahmen gegen weitere Finanzinstitute. Sie sehen ihren Angaben zufolge vor, drei Banken, darunter die größte - die Sberbank - vom internationalen Finanzkommunikationssystem Swift abzukoppeln. "Dadurch treffen wir Banken, die für das russische Finanzsystem relevant sind, und schränken Putins Fähigkeit zu weiteren Zerstörungen ein", so von der Leyen. Zudem sind unter anderem neue Strafmaßnahmen gegen russische Staatsmedien sowie gegen Verantwortliche für mutmaßliche Kriegsverbrechen geplant. (dpa/okb)

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