"Nur im reaktiven Modus", "zermürbt die Demokratie von innen": Norbert Röttgen ging bei "Markus Lanz" mit der Ampel-Regierung hart ins Gericht. Vor allem die Taurus-Entscheidung von Olaf Scholz macht den CDU-Politiker wütend.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Natascha Wittmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

"Hochbedeutsam und hocheffektiv" wäre der Taurus-Marschflugkörper laut CDU-Außenexperte Norbert Röttgen für die Ukraine. Umso fassungsloser machte ihn bei "Markus Lanz" die sich abzeichnende Weigerung, das Waffensystem an Kiew zu liefern. Dabei stand die Verkündung der Entscheidung durch Bundeskanzler Olaf Scholz zum Zeitpunkt der ZDF-Talk-Aufzeichnung offenbar noch aus.

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Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

Wochenlang wurde über eine mögliche Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine diskutiert. Nach langem Zögern hat Bundeskanzler Olaf Scholz beschlossen, das Waffensystem vorerst nicht zur Verfügung zu stellen. Im Gegenzug sagte er dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj für die Wintermonate ein weiteres Flugabwehrsystem vom Typ "Patriot" zu. An der Entscheidung entzündete sich heftige Kritik, wie auch an den jüngsten Aussagen von Friedrich Merz, abgelehnte Asylbewerber ließen sich zulasten deutscher Patienten "die Zähne" machen. Auch darüber diskutierte die "Markus Lanz"-Runde vom Donnerstag.

Das sind die Gäste

  • Norbert Röttgen, CDU-Politiker: "Die Ukrainer werden nicht kapitulieren - sie werden weiterkämpfen."
  • Sabine Adler, Journalistin: "Das wichtigste innenpolitische Thema in der Ukraine ist die Korruption."
  • Roman Deininger, Journalist: "Unser föderales System kommt gerade ins Ächzen."

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Bei "Markus Lanz" nutzte CDU-Politiker Norbert Röttgen mehrmals die Gelegenheit, um verbal gegen die Ampelkoalition zu schießen. Er warnte unter anderem davor, dass wir uns "in einer Krise der Demokratie" befänden. "Diese Regierung ist ins Amt gekommen (...) ohne einen Plan! Wir sehen das jetzt auf dramatische Weise", kritisierte Röttgen energisch. Nicht nur in der Klima-, sondern auch in der Asylpolitik fehle es der Ampel an einer Vision und Strategie.

Besonders seit Ausbruch des Ukraine-Krieges sei die Regierung "sowieso nur im reaktiven Modus", es gebe "gar nicht mehr die Kapazität, um vorausschauend Politik zu machen". Röttgen redete sich weiter in Rage, als es um den Wirtschaftsstandort Deutschland ging: "Wenn das so weitergeht, werden wir gar keine Industriekapazitäten mehr haben, die Ukraine militärisch zu unterstützen. Unsere Lager sind alle leer." Laut des CDU-Mannes sitze die Bundesregierung nur da und warte, "bis die Probleme kommen". Aber sie habe "keinen vorausschauenden Gestaltungsanspruch (...) und das zermürbt die Demokratie von innen".

Norbert Röttgen, Markus Lanz, Sabine Adler
Osteuropa-Expertin Sabine Adler und CDU-Politiker Norbert Röttgen machten im Gespräch mit Markus Lanz deutlich, wie bedeutsam eine Lieferung der Taurus-Marschflugkörper für die Ukraine wäre. © ZDF / Markus Hertrich

Mit Blick auf den anhaltenden Angriffskrieg in der Ukraine wollte Lanz daraufhin wissen, was wirklich hinter der Taurus-Absage stecke. Röttgen wetterte, Scholz liefere "sich abwechselnde und zum Teil sogar ausschließende Ausreden". Der CDU-Politiker ergänzte wütend, "dass dieser Marschflugkörper Taurus hocheffektiv ist. Das wäre für die Verteidigung der Ukraine hochbedeutsam und hocheffektiv".

Werde er nicht geliefert, könne das "verheerende Folgen" nach sich ziehen, denn durch die fehlende Unterstützung der Ukraine werde "dieser Krieg länger sein". Putin spiele laut dem CDU-Außenpolitiker auf Zeit, "und wenn es einen Teilgewinn für Putin gibt, dann wird der Krieg in Europa bleiben. Wir werden alle dafür teuer bezahlen". Er halte die Absage der Taurus-Lieferung daher für "nicht verantwortlich". Sabine Adler, langjährige Korrespondentin des Deutschlandfunks in Russland, stimmte zu und ergänzte, dass der Krieg nur gewonnen werden könne, "indem man endlich mal in einem Moment die geballte Kraft hat, um diese russische Armee wirklich rauszuschmeißen".

Das ist das Rede-Duell des Abends

CDU-Parteichef Friedrich Merz hatte in der vergangenen Woche in einer Fernsehdebatte gesagt, abgelehnte Asylbewerber ließen sich in Deutschland "die Zähne machen" und nähmen so deutschen Patienten die Zahnarzttermine weg. Ein Satz, der für viel Empörung sorgte. Lanz fragte stichelnd in Richtung Röttgens, ob er schon mal beim Zahnarzt warten musste. Der CDU-Politiker verneinte dies und stellte klar, dass er mit der Wortwahl seines Parteichefs nicht einverstanden sei: "Ich hätte es nicht gesagt und ich werde es auch nicht sagen."

Röttgen ergänzte, dass es sich bei Asylbewerbern um Menschen handle, "und wir gehen mit Menschen anständig um. Wir machen nie Politik gegen Menschen. Wir wenden auch keine Sprache an gegen Menschen". Daraus folge, "dass jeder Mensch Respekt verdient" habe. Lanz hakte gespielt überrascht nach: "War das also respektlos?" Röttgen antwortete: "Ich hätte so darum nicht formuliert, genau."

Journalistin Sabine Adler zeigte sich über die Aussage erschüttert: "Wir werden uns auf jeden Fall immer an diesen Satz erinnern." Merz werde "seine Kanzlerkandidatur damit beerdigen können". SZ-Journalist Roman Deininger bezeichnete Merz provokant als "den Problembär" und sagte: "Das, was Friedrich Merz gemacht hat, ist natürlich ein Ton, eine Sprache, die Menschen verächtlich macht, die Ressentiments weckt und das ist natürlich dem Vorsitzenden einer Volkspartei (...) nicht würdig."

Eine Steilvorlage für Lanz, der von Norbert Röttgen wissen wollte, ob Merz noch immer ein guter Kanzlerkandidat wäre. Der CDU-Politiker ließ sich darauf jedoch nicht ein und erklärte, dass die Union ja "bescheuert sein" müsste, wenn sie "zwei Jahre vor der Bundestagswahl bei der Problemlage, die das Land hat, Kanzlerkandidaten" benennen würde.

Röttgen ergänzte genervt, dass er unter dem Gesichtspunkt "nicht auf die provozierte Frage antworten" müsse, "weil es wäre wirklich bescheuert". Lanz ließ nicht locker und fragte erneut: "Warum ist er nicht der Richtige?" Röttgen schüttelte weiter den Kopf und wich der Frage aus: "Ich wäre bescheuert - wir wären bescheuert."

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Nicht nur beim Ukrainekrieg, sondern auch bei der Reizfigur Friedrich Merz überzeugte Markus Lanz mit teils spitzen Fragen, die seine Gäste - allen voran Norbert Röttgen - aus der Reserve lockten. Der ZDF-Moderator ließ auch nicht locker, als Röttgen sich weigerte, konkret zu antworten.

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

Die Lage in der Ukraine ist höchst brenzlig. Immer mehr Menschen fallen Russlands brutalen Angriffskrieg zum Opfer - und ein taktischer Erfolg rückt in immer weitere Ferne. Dennoch hat sich Olaf Scholz gegen eine Lieferung der Taurus-Marschflugkörper entschieden. Ein verheerender Fehler, wie Norbert Röttgen bei "Markus Lanz" kritisierte. Dem stimmte auch Osteuropa-Expertin Sabine Adler zu, die erklärte, dass die Ukraine nur Erfolg haben könne, wenn "wir alles reinwerfen".  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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