Was tut Putin da? Und wo ist Obama? Mit vielversprechenden Gästen spricht Maybrit Illner über das "Schlachtfeld Syrien". Sie will wissen: "Wer stoppt Krieg und Flucht?" Wirkliche Antworten hat die Runde nicht.

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In jungen Jahren ist Dominic Musa Schmitz auf Sinnsuche. Über einen Bekannten gerät er in die Salafisten-Szene. Mittlerweile ist er ausgestiegen – und nun zu Gast bei Maybrit Illner. Der Salafismus hat ihm "Halt gegeben, neue Brüder, eine riesengroße Familie, Regeln und Struktur im Alltag".

Im Laufe der Jahre seien der Westen, Israel, die Amis seine Feinde geworden. "Alles und jeder, der anders war als wir und für etwas anderes stand." Illner will wissen, was er als erstes machen würde, wenn er Politiker wäre. Darüber hat er sich "noch nie Gedanken gemacht". Auch für Syrien hat er keine Lösung.

Damit ist der junge Mann, der für den Rest des Abends in dieser Talkshow keine Rolle mehr spielen soll, in guter Gesellschaft: Die deutsche Verteidigungsministerin ist gekommen, der Oberbefehlshaber der amerikanischen Streitkräfte in Europa, der Vorsitzende der Linken-Bundestagsfraktion, außerdem ein amerikanischer Think-Tank-Chef sowie der UN-Korrespondent der taz. Eine vielversprechende Gästeauswahl.

Verwirrende Lyrik, verwirrende Lage

Vielleicht aber ist schon Ursula von der Leyens Einstieg ein Sinnbild der Unsicherheit. Sie setzt auf Lyrik – mit einem Satz, "der Bertolt Brecht zugeschrieben wird": "Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin." Ein Satz, den jeder kenne. Aber er gehe eben noch weiter: "Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin, dann kommt der Krieg zu uns." Nun stammen diese Zeilen gar nicht von Brecht, sondern der erste Teil vom amerikanischen Dichter Carl Sandburg, der Zusatz von einem anonymen Autor.

Verwirrende Lyrik, verwirrende Lage: "Die Situation in Syrien ist komplex", betont Ben Hodges, kommandierender General des US-Heeres in Europa. "Es gibt keine schnelle Lösung." Ein Teil der Lösung aber, so der Experte, sei Russland. Ein Russland, das zurzeit in Syrien seine Waffen teste. Der Meinung, dass es ohne die Russen keine Lösung geben kann, ist auch Dietmar Bartsch, Fraktionsvorsitzender der Linken im Bundestag. Dass Putin im Moment aber eher wesentlicher Teil des Problems ist, scheint Konsens.

Kempe: "Machtvakuum, das nun andere füllen"

Doch nicht nur Russland macht Sorgen: "Wir haben große Fehler gemacht", sagt Fred Kempe, Präsident der US-Denkfabrik "Atlantic Council", der im Laufe des Abends immerhin einige aufschlussreiche Analysen wagt. "Wir müssen als transatlantische Gemeinschaft zusammenkommen. Sonst werden Mächte dominieren, die nicht so wohlwollend sind."

Die amerikanische Zurückhaltung habe zu einem Machtvakuum geführt, das nun andere füllten. Von der Leyen nimmt den US-Präsidenten in Schutz: Jahrelang habe man sich heftig beschwert, dass die USA ohne Absprache drauflos marschierten. "Diesmal stimmen sie sich mit uns ab, das dauert eben länger."

Eine militärische Lösung in Syrien reiche nicht aus, das betont Kempe mehrfach: Er wünscht sich eine "Ordnungspolitik", diplomatische Verhandlungen, den Aufbau der Wirtschaft. Und er sagt: "Russland ist nur so stark, weil wir schwach waren."

"Taz"-Autor Andreas Zumach weiß ziemlich gut Bescheid – und geht Ursula von der Leyen damit sichtlich auf die Nerven. Allerdings auch, weil er ihr ständig ins Wort fällt. Einmal beschimpft sie ihn sogar als "Herr Oberlehrer". Er betont immer wieder, dass der IS mit Luftangriffen nicht zu besiegen sei – und dass die Kurden an den Genfer Verhandlungen teilnehmen müssten.

Schwierige "Partnerwahl"

Die Russen, die Kurden, die Türken, die Saudis: Immer wieder geht es um die Frage, wer eigentlich Partner sein darf. Und was passiert, wenn es einsam wird am Verhandlungstisch. "Warum umarmen wir immer noch die Saudis?", wird von der Leyen gefragt. "Das tun wir nicht. Das würden sie auch nicht tolerieren", sagt die Verteidigungsministerin. Nicht von einer Frau zumindest. Etwas zu albern für ein so ernstes Thema. Das findet wohl auch Linken-Politiker Bartsch. Es müsse Schluss damit sein, Regime wie den Iran oder Saudi-Arabien aufzurüsten.

Noch einmal landet die Runde bei der Frage, ob die Kurden an den Genfer Verhandlungstisch gehören – und ob die Flüchtlingssituation Deutschland in dieser Frage erpressbar mache. Weil die Regierung auf Erdogan angewiesen sei: "Nein. Ganz klare Ansage", behauptet von der Leyen.

Neue Denkanstöße? – Fehlanzeige!

Schnell wird die globale Sicht auf den Syrienkonflikt wieder eine engere: "Wie bigott" ist das, will Illner wissen, von der Türkei zu verlangen, immer mehr Menschen aufzunehmen, während die EU Grenzen dichtmache. Mit diesem Vorwurf ist von der Leyen nicht einverstanden: Man wolle schließlich "Kontingente aus der Türkei holen". So kämen Menschen geordnet und auf legalem Weg auch nach Deutschland.

Die Lage in Syrien ist komplex. Eine einfache Lösung gibt es nicht. So viel war auch vor dem Talk schon klar. Und doch hat die Zusammensetzung der Runde mehr versprochen, als sie am Ende halten konnte: zu viele Allgemeinplätze, zu viele Wiederholungen, zu wenige neue Denkanstöße.

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