Während Union und SPD miteinander ringen, suchen Maybrit Illner und ihre Gäste nach einem Leitbild für eine neue Große Koalition. Fündig werden sie nicht.

Weitere politische Talkshows finden Sie hier

Ein Wort, das es im vergangenen Jahr in viele Polit-Talkshows geschafft hat, ist das "Narrativ". Wenn nach einem "gemeinsamen Narrativ" gesucht wird, dann geht es um das große Ganze, eine gemeinsame Idee, eine Geschichte, die ein politisches Bündnis zu erzählen hat.

Und auf diese Suche gehen am Donnerstagabend auch die Gäste von Maybrit Illner im ZDF. Während in der SPD-Parteizentrale Christ- und Sozialdemokraten die Chancen einer erneuten "GroKo" ausloten, zerbricht sich die Runde die Köpfe darüber, welcher Grundgedanke dieses Bündnis durch die nächsten vier Jahre tragen könnte.

Fündig werden aber auch die Talkshow-Gäste nicht so richtig. Kein Wunder, schließlich hat jeder seine eigenen Ideen. Die junge Polit-Aktivistin Sophie Pornschlegel findet zum Beispiel, dass die Politik mehr an die Themen der jungen Generation denken muss - an die Digitalisierung zum Beispiel.

Das ist einer der wenigen Punkte, bei denen sie sich mit ihrem Nebenmann, dem früheren CDU-Fraktionsvize Michael Fuchs, einig ist. "In der Digitalisierung ist Deutschland ein Entwicklungsland", sagt der Christdemokrat, dessen Partei immerhin seit zwölf Jahren dieses "Entwicklungsland" regiert.

Die SPD fürs Soziale, die Union für die Sicherheit

Die frühere SPD-Bundespräsidentenkandidatin Gesine Schwan wiederum meint, dass die neue Regierung vor allem soziale Fragen angehen muss. Robin Alexander, Redakteur der Tageszeitung "Die Welt", bestreitet dagegen, dass es in Deutschland ein Gerechtigkeitsproblem gebe.

Er glaubt, dass die Große Koalition vielmehr einen kulturellen Riss kitten muss: "Komme ich kulturell in meinem eigenen Land nicht mehr klar? Das ist die Frage unserer Zeit", sagt der Journalist wohl mit Blick auf die große Zahl von Flüchtlingen, die in den vergangenen Jahren nach Deutschland kamen.

"Und die Frage kann man nicht lösen, indem man viel Geld ausgibt", ist er überzeugt.

Sein Kollege vom Spiegel, Markus Feldenkirchen, hofft dagegen, dass die "GroKo" gleich beide wichtigen Themen angehen würde: Die SPD habe ihre Kompetenz bei sozialen Themen, die Union in der Inneren Sicherheit.

"Wenn sich das verbinden könnte, würden wir in vier Jahren ein anderes Gesellschaftsgefühl haben."

Die Gesellschaft als zerbrochene Glasplatte

So einfach wäre es nach Einschätzung von Robert Habeck nicht. Der schleswig-holsteinische Umweltminister, der gerne demnächst auch Grünen-Vorsitzender wäre, übernimmt auch an diesem Abend die Rolle, die er besonders gut kann: die des nachdenklichen Pragmatikers, der sich über das große Ganze den Kopf zerbricht.

Durch die Gesellschaft gehe nicht ein einzelner Riss, sagt Habeck. Für ihn gleicht Deutschland eher einer Glasplatte, die auf den Boden gefallen und von Tausenden kleinen Rissen durchzogen ist. "Wir haben als Politiker nicht mehr die Elemente, all diese kleinen Herausforderungen zu bedienen und alle kleinen Risse zu kitten."

Familiennachzug - Argumente schon hinreichend bekannt

Da man bei dieser Suche nicht so recht weiterkommt, geht es dann auch um ein konkretes Thema, über das sich Talkshow-Gäste in den vergangenen Wochen schon zu genüge ausgetauscht haben: die Frage, ob Flüchtlinge ihre Familien nach Deutschland holen dürfen.

CDU-Politiker Fuchs will den Familiennachzug - wie zu erwarten - weiterhin aussetzen. Die Mehrheit der anderen Gäste ist dagegen überzeugt, dass die Integration besser gelingt, wenn Männer ihre Familien um sich herum haben.

Ganz neu sind die Standpunkte nicht. Einige Sätze hört man an diesem Abend nicht zum ersten Mal. Gesine Schwan sagt zurecht, dass die Argumente eigentlich schon hinreichend ausgetauscht seien.

Die lange Hängepartie bei der Regierungsbildung lähmt inzwischen auch die politischen Diskussionen in den Fernsehtalkshows. Noch ein weiterer Grund, warum Deutschland schnell eine neue Regierung braucht.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.