Kein Schlagabtausch, dafür viele Zahlen: Finanzminister Olaf Scholz und CSU-Politiker Manfred Weber diskutieren bei "Maybrit Illner", ob der Staat noch das Geld für teure Projekte hat. Eine klare Antwort gibt es nicht. Eine Journalistin aber kritisiert die deutsche Obsession, die schwarze Null halten zu wollen.

Eine Kritik

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350 Milliarden Euro kann der deutsche Bundesfinanzminister jährlich unters Volk bringen. Aber wie ist das Geld am besten angelegt? Darauf haben die Gäste von Maybrit Illner recht unterschiedliche Antworten.

Was ist das Thema?

Deutschland hat Jahre des Aufschwungs hinter sich und im Bundeshaushalt eine schwarze Null geschafft. Doch jetzt kommt die Konjunktur ins Stocken, unruhige Zeiten in der Weltpolitik sorgen für Unsicherheit.

Trotzdem soll in den kommenden Jahren und Jahrzehnten reichlich Geld fließen. Für verbesserte Sozialleistungen, den Kohleausstieg, neue Verkehrswege.

Die Frage ist also berechtigt: Ist für all das genug Geld da?

Wer sind die Gäste?

Olaf Scholz: Der Bundesfinanzminister muss sich für widersprüchliche Aussagen rechtfertigen: Er betont einerseits, die fetten Jahre seien vorbei und wacht über einen ausgeglichenen Haushalt. Seine Partei hat aber auch vorgeschlagen, den Sozialstaat um- und auszubauen. Scholz ist überzeugt: Beides lässt sich vereinbaren. "Der Zusammenhalt unserer Gesellschaft ist von allergrößter Bedeutung."

Martin Weber: "Bitte Vorsicht: Wir sollten jetzt keine neuen Sozialprojekte versprechen", sagt dagegen der CSU-Politiker, der gerne Präsident der EU-Kommission werden würde. Stattdessen wollen die Unionsparteien den Solidaritätszuschlag abschaffen. "Wir müssen jetzt erstmal alles dafür tun, dass die Wirtschaft in Schwung bleibt", findet Weber.

Katrin Göring-Eckardt: Die Grünen-Fraktionsvorsitzende kritisiert, das Geld werde in Deutschland falsch ausgegeben: zum Beispiel für "klimaschädliche Subventionen". Stattdessen müsse der Staat zum Beispiel verstärkt gegen Kinderarmut kämpfen. "Da werden wir viel mehr Geld brauchen, um diesen Makel auszumerzen."

Clemens Fuest: "Der Standort Deutschland ist kein Selbstläufer", warnt der Präsident des Münchener ifo-Instituts. Die Politik habe sich in den vergangenen Jahren stark aufs Verteilen konzentriert, findet der Wirtschaftswissenschaftler. Jetzt seien Investitionen an der Zeit – zum Beispiel in Forschung und Infrastruktur.

Carolin Roth: Die Journalistin des Fernsehsenders CNBC in London fragt, ob die Fixierung auf einen ausgeglichenen Haushalt nicht ein deutsches "Eitelkeitsprojekt" sei: "Ist es nicht viel wichtiger, jetzt zu investieren?" Wichtig findet sie aber auch die Entlastung der Wirtschaft: Im internationalen Vergleich seien die Unternehmenssteuern in Deutschland zu hoch.

Was war das Rede-Duell des Abends?

Der Titel kann in dieser Sendung nicht vergeben werden: Wirkliche Rede-Duelle sparen sich die Gäste. Das sorgt für eine sachliche Atmosphäre – aber auch für eine stellenweise recht zähe Stunde.

Einem Duell am nächsten kommen Manfred Weber und Katrin Göring-Eckardt. Die Grünen-Politikerin will vom CSU-Mann wissen, wann er sich endlich vom ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban lossage, dessen Partei zur Familie der europäischen Christdemokraten gehört.

Das hat mit dem Thema der Sendung nichts zu tun, sorgt aber immerhin für ein bisschen Spannung. Auch wenn Weber sich eher aus der Affäre windet: "Wir gehen mit aller Härte gegen dieses Land vor", sagt er entschlossen.

Doch ob er Orbans Partei auch aus dem christdemokratischen Parteienbündnis werfen will, behält er dann für sich.

Was war der Moment des Abends?

Daniel Turek darf von den Zuschauerrängen aus seine Situation in die Diskussion einbringen: Der Logistiker arbeitet am berühmten Berliner Klinikum Charité – allerdings nicht direkt, sondern bei einer Tochter-Gesellschaft. Seit die ausgegliedert wurde, verdient er netto gerade mal rund 1.350 Euro im Monat.

Das zeigt eindrücklich, wie weit allgemeine Wirtschaftsdaten und die Lebenssituation der Bürger auseinanderliegen können. "Die fetten Jahre haben wir gar nicht erlebt", sagt Turek.

Wie hat sich Maybrit Illner geschlagen?

Wie so häufig fragt die Moderatorin präzise und bisweilen provokativ. Und sie lässt nicht locker. Die Frage, wie viel die Sozialreformen der SPD kosten würden, stellt sie Olaf Scholz gleich drei Mal. Eine konkrete Antwort gibt es leider trotzdem nicht.

Das sind die Erkenntnisse

Dem SPD-Projekt Grundrente dürfte in Deutschland nicht mehr viel im Wege stehen. Dass Menschen, die ihr ganzes Leben gearbeitet haben, im Alter über mehr Geld verfügen, finden alle irgendwie gut.

Wirklich schlauer ist der Zuschauer nach der Sendung trotzdem nicht. Vielleicht weil irgendwann alles irgendwie zur Sprache kommt: der Mindestlohn, die Tarifflucht, die Einwanderungspolitik und dann auch noch Viktor Orban. Ob der Solidaritätszuschlag gestrichen wird oder nicht, bleibt unklar. Und was zum Beispiel die neuen Sozialpläne der SPD kosten, will der Finanzminister partout nicht sagen.

Vielleicht hätte Maybrit Illner noch ein viertes Mal nachfragen sollen.

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