Markus Feldenkirchen knöpfte sich im Jahresrückblick bei "Hart aber fair" die Terrororganisation Hamas vor. Carlo Masala stellte fest, dass Israel den Krieg gegen die Hamas "medial verloren" habe. Und FDP-Frau Strack-Zimmermann hält einen ganz langen Krieg in der Ukraine für möglich.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Thomas Fritz dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Das war das Thema

Krieg in der Ukraine, Hamasterror, Dauerchaos bei der Ampel: Louis Klamroth lud seine Gäste am Montagabend unter dem Titel "2023 – ein Jahr, das uns das Fürchten lehrt" zum Jahresrückblick in sein Studio ein. Das war mitunter schwere Kost, bei der die Analysen wenig optimistisch auf 2024 blicken lassen.

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Klamroths Sidekick Brigitte Büscher, die bei "Hart aber fair" 22 Jahre lang neben Frank Plasberg die Zuschauermeinungen eingeholt hatte, feierte nach einem Jahr an der Seite Klamroths ihren Abschied. Unklar blieb, ob sie freiwillig abtrat oder weil Klamroth ab 2024 die Sendung mit einer anderen Firma produziert und einen klaren Cut zur Plasberg-Ära will.

Das waren die Gäste

  • Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP): Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Deutschen Bundestag findet, dass die Welt "mit moralischen Einschätzungen" beim israelischen Vorgehen gegen die Hamas in Gaza "sehr vorsichtig" sein sollte – aufgrund der "unglaublichen Dimension" dessen, was am 7. Oktober in Israel passiert ist. Weiterhin stellt es sie vor ein Rätsel, wie das Massaker mit mehr als 1.200 Toten passieren konnte, ohne dass es vorher durch die israelischen Sicherheitsorgane aufgedeckt wurde. Der israelische Premier Benjamin Netanjahu werde das Ganze "politisch nicht überleben", weil er Israels Sicherheit nicht garantieren konnte, prognostizierte sie.
  • Carlo Masala: Der Sicherheitsexperte sprach von einem "klassischen Versagen der Sicherheitsdienste und einem politischen Negieren der Gefahr, die von der Hamas ausging". Masala deklinierte Israels Ziel, die Hamas zu vernichten, wie folgt durch: Von der Hamas dürfe keine Bedrohung mehr für Israel ausgehen und sie müsse als politischer Akteur in Gaza und Westjordanland ausscheiden. "Diese Ziele sind durchaus realistisch zu erreichen." Jedoch habe Israel den Krieg gegen die Hamas wie bisher jeden Krieg gegen die Hamas "medial verloren". Aufgrund des Krieges in einem urbanen Umfeld, der viele zivile Tote und viele hässliche Bilder hervorbringt. Der Experte beobachtet, dass der Druck der USA auf Israel, den Krieg bald zu beenden, deutlich größer wird. Die arabischen Staaten sollten wiederum der Hamas klarmachen, dass sie keine Zukunft hat, was die Länder unter anderem aus Angst vor der eigenen Bevölkerung bisher nicht getan haben.
  • Gerhart Baum (FDP): Der ehemalige Bundesinnenminister nannte den 7. Oktober einen Schock, vergleichbar mit 9/11 in den USA. Das Sicherheitsbewusstsein der Israelis sei komplett zerstört worden. Das Gemetzel sei von vorne bis hinten inszeniert worden, dazu gehören auch die Bilder der Opfer in Gaza, ist Baum sicher. Kritik an den Bombardierungen von Gaza und den vielen zivilen Opfern übte der Israelfreund sehr bedacht. Das Recht auf Selbstverteidigung gehe ziemlich weit. Dennoch stellte er fest, dass Israel das humanitäre Völkerrecht nicht angewandt habe durch die Belagerung in Gaza und die Blockade der Lebensmittelversorgung. Seine große Hoffnung: dass nach dem Krieg eine Chance für einen dauerhaften Frieden besteht.
  • Katrin Eigendorf: Die Kriegsberichterstatterin des ZDF sagte, dass sich das Ausmaß der Gewalt gegen Frauen, aber auch gegen Kinder am 7. Oktober nicht in Worte fassen lasse. "Ein Abgrund der Menschlichkeit, in den man da blickt, wenn man diese Bilder sieht." Das habe eine traumatisierende Wirkung auf das ganze Land. Dennoch müsse Israel als demokratischer Staat beim Angriff auf Gaza die Verhältnismäßigkeit wahren. "Israel bricht internationales Recht", sagte sie und benutzte zwischendurch sogar das Wort "Vernichtungskrieg". Es gebe ein Recht der Bevölkerung auf Schutz sowie Wasser und Nahrung. "Für die Hamas ist die wichtigste Waffe jedes tote Kind und jeder tote Zivilist." Besonders bemängelte Eigendorf wie Masala das bisher fehlende Szenario der Israelis für die Zeit nach dem Krieg.
  • Markus Feldenkirchen: Auch der "Spiegel"-Journalist findet das Vorgehen in Gaza immer weniger verhältnismäßig, je länger die Bombardierungen dauern. Die humanitäre Situation dort? "Schlimmer geht es eigentlich kaum." Feldenkirchen befürchtet, dass der Hass aufgrund der vielen toten Zivilisten sich in ein paar Jahren wieder gegen Israel wenden könnte. Er findet es richtig, dass die Freunde Israels zunehmend auch Kritik üben – nach dem Motto: "Im Grund sind wir solidarisch, aber eure Exzesse, die machen wir nicht mit." Eine Anspielung auch auf die zunehmenden Morde und Vertreibungen von Palästinensern durch radikale israelische Siedler im Westjordanland.

Darum ging es noch bei "Hart aber fair"

Zweites großes Thema im Jahresrückblick war der Krieg in der Ukraine. Strack-Zimmermann stellte fest: "Wenn ein Krieg nach einem Jahr nicht entschieden ist, dann kann er auch zehn Jahre dauern." Die FDP-Politikerin forderte mehr Unterstützung für das Land. "Entweder wollen wir, dass die Ukraine gewinnt – oder ich gehe mal so weit zu sagen: dass sie nicht verliert – oder wir wollen es nicht."

Carlo Masala bewertete die militärische Lage trotz der gescheiterten Gegenoffensive nicht nur negativ. Die Ukrainer machen weiter Druck auf die Krim und sie haben den Dnjepr überquert, was ein großes Problem für die Russen werden könnte. Seine Prognose: Kiew baut zunächst Defensivstellungen aus, um nicht weiter an Boden zu verlieren und kann nach jetzt abgeschlossenen Verträgen mit Rüstungsfirmen vielleicht Mitte/Ende 2024 wieder in die Offensive gehen, wenn genug Material da ist.

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Markus Feldenkirchen stellte nüchtern fest, dass Putin die Ukraine "platt machen" wird, wenn die Unterstützung weiter nachlässt. Die Unterstützungsgelder zwischen August und Oktober 2023 seien bereits 90 Prozent niedriger gewesen als im gleichen Vorjahreszeitraum. Wenn es in diesem Tempo, auch aus Deutschland, weitergeht, dann sieht er schwarz für die Ukraine.

Und Russland? Für Gerhard Baum ist das Land nur "eine Tankstelle mit Atombomben". Eigendorf sieht dort derzeit keinerlei Chancen auf einen Regimewechsel.

Das war der Moment des Abends

Markus Feldenkirchens Wutrede gegen die Hamas sorgte für fast stürmischen Applaus im Publikum. Manche würden die Terroristen ja als Kämpfer bezeichnen. Der Journalist fragte sich, warum eigentlich. Denn sie hätten auf einem Musikfestival Leute niedergemetzelt, in den Kibbuzim alte unbewaffnete Menschen hinterrücks überfallen. In Gaza verstecke sich die Hamas hinter Kindern, hinter Kranken in Krankenhäusern. "Das ist wirklich das Ehr- und Eierloseste, was ich je erlebt habe."

Das war ein weiterer Moment des Abends

Carlo Masala berichtete, dass die EU das einst selbst gesteckte Ziel, eine Million Schuss Munition für die Ukraine zu produzieren, wieder aufgegeben hat. Aufgrund des fehlenden Willens, die Kapazitäten in den Rüstungsfabriken zu erhöhen - was auch auf die eigene Wehrhaftigkeit der EU-Staaten kein gutes Licht wirft. "Um Gottes Willen, wie verteidigen wir uns denn selbst?", sprudelte es aus Gerhard Baum heraus. "Das wollen wir heute Abend nicht vertiefen", antwortete Strack-Zimmermann lachend. "Wir wollen ja fröhlich ins neue Jahr gehen."

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Das war das Rededuell des Abends

Katrin Eigendorf berichtete, dass in der Ukraine die Unterstützung für den Krieg gegen Russland langsam nachlässt. Zudem werde Präsident Wolodymyr Selenskyj immer umstrittener, weil er mit einem kleinen Kreis von fünf, sechs Leuten alles alleine entscheide. Das Land stehe nicht mehr "geeint zusammen", so Eigendorf. Baum widersprach vehement: "Das möchte ich bezweifeln. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieses Land, das eine Demokratie aufgebaut hat, sich ohne weiteres sich einer Diktatur Putins unterwirft. Bei allen Schwierigkeiten, sie werden durchhalten. Es bleibt ihnen gar nichts anderes übrig. Sie geben sich sonst auf."

Das ist das Fazit

Das war ein launischer Jahresrückblick mit vielen tiefgründigen Analysen und geballter Expertise am Tisch von Louis Klamroth. Positiv blieben trotz der inhaltlichen Schwere die humorigen Szenen in Erinnerung. "Was haben die nochmal über sie gesagt?", wollte Markus Feldenkirchen am Ende, als es um die deutsche Innenpolitik ging, von Maria-Agnes Strack-Zimmermann wissen. "Boah, die Alte nervt", rief die FDP-Politikerin fröhlich und zitierte die angeblichen Worte eines Beraters von Kanzler Olaf Scholz (SPD). Sie schien das eher als Auszeichnung zu sehen.

Apropos Innenpolitik: Die letzten 15 Minuten der Sendung, die sich mit der Ampel-Dauerkrise beschäftigten, hatten nach der schweren Kost Gaza- und Ukraine-Krieg fast etwas Belangloses. Worum streiten wir uns nochmal in Deutschland? Ach ja, um den nächsten Haushalt und fehlendes Geld. Dass wir angesichts der Schwierigkeiten in der ganzen Welt scheitern sollten "an 17 Milliarden Euro", konnte auch FDP-Urgestein Baum nicht verstehen: "Wir müssen uns zusammenraufen", forderte er.

Dann kam noch der Auftritt von Brigitte Büscher: Nach 23 Jahren "Hart aber fair", darunter 22 an der Seite Frank Plasbergs, will die "Zuschaueranwältin" sich beruflich neu orientieren. "Alles Liebe, alles Gute", sagte sie zu ihrem Abschluss, bei der ein Strauß Blumen durch Klamroth oder ein humoriger Einspieler eine nette Geste gewesen wäre. Ein paar gute Wünsche für 2024 kann nach diesem schlimmen Jahr 2023 die ganze Welt gebrauchen – aber vor allem die Menschen in der Ukraine und im Nahen Osten.

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