Bei Anne Will ging es am Sonntagabend um die Klimapolitik der Ampel. Ist das neue Heizungsgesetz ein Motor für die Wirtschaft oder sorgt es für den Ausverkauf ebenjener? Journalist Bernd Ulrich sorgte für einen erheiternden Vergleich.

Eine Kritik
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Diese Woche wurde bekannt: Das hessische Familienunternehmen Viessmann verkauft seine Klima-Sparte für rund zwölf Milliarden Euro an einen US-Konzern. Darunter fällt beispielsweise das Geschäft mit Wärmepumpen. Eine Rolle soll nach Aussage des CEO Maximilian Viessmann auch das "regulatorische Umfeld" gespielt haben. Erst kürzlich wurde das neue Gebäude-Energie-Gesetz vorgelegt. Droht ein Ausverkauf von deutschen Vorzeige-Firmen?

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Das ist das Thema bei "Anne Will"

Bei Anne Will ging es am Sonntagabend (30. April) um die Klima-Politik der Ampel. Im Fokus stand ihre Auswirkungen auf die Wirtschaft. Sorgt die Ampel-Politik, allen voran das neue Gebäude-Energie-Gesetz, für ein Öko-Wirtschaftswunder oder ist es eine Gefahr für den Standort Deutschland? Zur Debatte stand dabei beispielsweise das Ziel, 500.000 neue Wärmepumpen im Jahr zu verbauen. Überfordert das Tempo der Wärmewende Bürger und Unternehmen?

Das sind die Gäste

  • Stephan Weil (SPD): Der Ministerpräsident von Niedersachsen meinte, man müsse im Wärmepumpen-Markt zuschauen, "dass wir genügend deutsches Know-how behaupten können". Wenn Deutschland es richtig mache, könne es eine Art Wirtschaftswunder geben. "Richtig ist, dass wir durch die Klimavorgaben Investitionsbedarfe auslösen, die es in dieser Wucht vorher nicht gegeben hat", so Weil. Die kommenden zehn Jahre würden eine Stressphase werden.
  • Franziska Brantner (Grüne): "Das ist großartig", sagte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz über den Teilverkauf von Viessmann. Die Amerikaner würden zusätzlich ein "Wärmepumpen-Know-how" mitbringen. "De facto wird da ein transatlantischer Klima-Champion aufgebaut, der ermöglicht, dass wir in Deutschland sogar billiger Wärmepumpen haben", so Brantner.
  • Thorsten Frei (CDU): "Es ist grundsätzlich richtig, wenn auch ausländisches Kapital in Deutschland investiert wird", sagte der CDU-Politiker. Man sei aber schon in der Vergangenheit mit hohen Fördermilliarden in die Solar-Industrie hineingegangen und innerhalb von wenigen Jahren seien nur noch Asiaten auf dem Markt gewesen. Traditionsfirmen wie Mercedes, Bosch, Bayer oder BASF würden nicht mehr in Deutschland investieren, sondern in Polen, China oder den USA. "Das ist ein Hinweis darauf, dass wir als Wirtschaftsstandort nicht attraktiv genug sind", sagte Frei.
  • Veronika Grimm: Die Wirtschaftswissenschaftlerin meinte: Klimaneutrales Wirtschaften müsse einen finanziellen Vorteil gegenüber dem fossilen Wirtschaften bringen. "Man bräuchte so etwas wie einen CO2-Preis", so Grimm. Um ein Ökowirtschaftswunder zu erleben, müssten viele Infrastrukturen angekurbelt werden – von Strom bis Digitalisierung. "Da ist einiges in der Pipeline, was beschleunigt werden muss", sagte die Ökonomin. Man bewege sich aber auch im Spannungsfeld, die Bevölkerung zu verlieren, wenn man zu streng sei oder zu locker.
  • Bernd Ulrich: Der stellvertretende Chefredakteur der "Zeit" erinnerte daran, welche Auswirkungen der Angriffskrieg von Russland auf den Energiemarkt gehabt hat. Er erwähnte auch daraus entstandene neue Partnerschaften, wie z. B. mit Saudi-Arabien. "Wir finanzieren wieder die Gegner der Demokratie", merkte er an. Deshalb sei die Wärmewende unabhängig von den Klimazielen ein Freiheitsdienst. "Unsere Freiheit wird auch im Keller verteidigt", so Ulrich.

Das ist der Moment des Abends bei "Anne Will"

Noch recht zu Beginn sortierte Journalist Ulrich die Debatte über die Klimapolitik und Wärmepumpen auf anschauliche Weise: "Montags haben wir Angst, dass die Chinesen in den europäischen Markt eindringen und alles aufkaufen. Dienstags haben wir Angst, dass wir nicht genug Heizpumpen haben und die nicht billig genug sind. Mittwochs haben wir Angst, dass die Japaner, Koreaner und Amerikaner den deutschen Markt überschwemmen. Ich weiß nicht, was die Donnerstags-Angst dann ist. Ich finde das zu kleinteilig und pessimistisch", so Ulrich.

Das ist das Rede-Duell des Abends

CDU-Mann Frei meinte in der Diskussion über die Wärmewende und Ordnungspolitik: "Die Frage ist doch, ob man hier nicht an verschiedenen Stellen von Vernunft auf Glauben umstellt und einfach auch ein Stück zu weit geht." Er verstehe nicht, warum das neue Gebäude-Energie-Gesetz zielstrebig nur auf die Wärmepumpe ausgerichtet sei. Brantner schüttelte den Kopf: "Machen wir doch gar nicht.".

Frei hielt wieder dagegen: "Ist es tatsächlich schon, im Neubau werden Sie keine Pellet-Heizung einsetzen können" und schob nach "Sie können Dinge reinschreiben, die faktisch unmöglich sind. Aber dadurch wird es nicht besser." Alles laufe innerhalb kürzester Zeit auf die Wärmepumpe hinaus. Die Beteiligten könnten sich nicht richtig auf diese Situation vorbereiten.

Ulrich kommentierte von der Seitenlinie: "Aber Sie wissen schon, dass es eine Klimakrise gibt, schon seit ein paar Jahren eigentlich." Dann übernahm noch einmal Brantner und zählte auf, was das Gesetz beinhaltet: "65 Prozent Erneuerbare, das kann die Wärmepumpe sein, das kann Biogas sein, das kann Solarthermie sein, das kann das Wärmenetz sein, das kann ein hybrides Modell sein."

So hat sich Anne Will geschlagen

Anne Will machte ihren Job in Sachen Ausgewogenheit gut. Als es um den Viessmann-Verkauf ging, fragte sie kritisch in Richtung CDU-Politiker Frei: "Was an einem 12 Mrd.-Euro-Deal mit Standortgarantien ist denn ein Ausverkauf?" Gleichzeitig erinnerte sie die Grünen-Politikerin Brantner, als die den Deal hochlobte: "Der Finanzminister, Teil der Koalition, sieht das nicht ganz so positiv wie Sie."

Wills Fragen waren inhaltlich relevant, sie fragte z. B.: "Droht der Wärmepumpen-Industrie das gleiche Schicksal wie der Solarindustrie?" oder "Was müssen wir tun, damit es ein Öko-Wirtschaftswunder wird?" Nicht besonders zufriedenstellend war an der Diskussion alleinig, dass sie zu selten auf Lösungen und Kompromisse hinauslief. Hier hätte Will die Standpunkte noch besser zusammenführen müssen.

Das ist das Ergebnis bei "Anne Will"

"Wir müssen schneller werden" (Digitalisierung, Wärmewende, Mobilitätsreform ...) ist bedauernswerterweise zu einer Leier geworden, die aktuell in jeder Talkshow zu hören ist. So verpufften auch diesmal die Forderung von Grimm und Brantner nach Entbürokratisierung, mehr Fachkräfte und Co. Teilweise driftete die Debatte mit Begriffen wie "Skalenvorteil", "Synergieeffekte" und "Stakeholder" zu sehr ins Technische ab. Ziemlich traurig mutete es außerdem an, dass über die Frage, ob wir in Sachen Klimapolitik noch mehr Zeit verplempern können, überhaupt diskutiert werden musste.

Verwendete Quellen:

  • ARD: Sendung "Anne Will" vom 30.04.2023
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