Die Gäste von Frank Plasberg widmen sich der Frage, wie man Hartz-IV-Beziehern mehr gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen kann. Eine Seltenheit in Talkshows: Am Ende kommt sogar ein Lösungsvorschlag auf den Tisch, den alle irgendwie ganz gut finden.

Eine Kritik

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Jens Spahn hat es mal wieder geschafft. Er selbst sitzt nicht im Studio, ist aber zumindest am Anfang von "hart aber fair" sehr präsent. Die Gäste von Frank Plasberg widmen sich einer Diskussion, die der neue CDU-Gesundheitsminister mit einem Interview angestoßen hat. Spahn hatte sinngemäß behauptet, mit Hartz IV lasse es sich ordentlich leben.

Im Studio ist die Frau zu Gast, die das Thema zum Gegenangriff nutzt: Sandra Schlensog hat den Politiker mit einer Petition aufgefordert, einen Monat lang unter den Bedingungen des Hartz-IV-Grundregelsatzes zu leben. Für die alleinerziehende Mutter und Hartz-IV-Empfängerin sind Spahns Äußerungen ein Hohn: Ja, sie habe ein Dach über dem Kopf und etwas zu essen – aber gesellschaftliche Teilhabe habe sie nicht. "Wenn man noch nie mit so wenig Geld auskommen musste, kann man diese Situation nicht nachvollziehen." Der erste Applaus im Studio ist ihr sicher.

Alle wollen mal arm gewesen sein

Vielleicht sind auch die anderen Gäste eingeschüchtert – auf jeden Fall betonen gleich drei von ihnen, irgendwie auch mal arm gewesen zu sein. Seine Familie habe früher nicht immer gewusst, wie sie die nächste Miete zahlen soll, sagt der Handwerker-Sohn und Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller (SPD). Unternehmerin Sina Trinkwalder betont, ihr sei als Studentin einmal der Strom abgedreht worden. Und Wirtschaftswissenschaftler Hans-Werner Sinn erzählt, auch seine Familie habe in der Nachkriegszeit in Armut gelebt. "Das Geld reichte hinten und vorne nicht." Sinn behauptet, er habe viel Sympathie für Hartz-IV-Bezieherin Schlensog.

All diese Beteuerungen wirken dann aber doch etwas unangebracht. Ob sich diese drei privilegierten Menschen wirklich in das Leben einer alleinerziehenden Mutter hineinversetzen können, die von Hartz IV lebt? Das lässt sich bezweifeln.

Teilhabe durch Arbeit

Die Diskussion verläuft ansonsten angenehm konstruktiv. Die Gäste kommen schnell zum Punkt, schweifen nicht ab, fallen sich nur selten ins Wort – und werden auch von Moderator Plasberg nicht ständig unterbrochen.

Vielleicht liegt das auch daran, dass sie sich in ein paar fundamentalen Fragen einig sind: Ob man nun Hartz IV für eine gute Idee oder sozialpolitisch überholt hält, ob man der Meinung ist, von Hartz IV lasse sich leben oder nicht – am Ende kommt es darauf an, dass jeder Mensch so schnell wie möglich einen guten Job findet. Einen Job, von dem er auch leben kann. Ein Arbeitsplatz sei soziale Teilhabe, sagt Unternehmerin Trinkwalder, die in ihrem Textilbetrieb auch Menschen beschäftigt, die es ansonsten auf dem Arbeitsmarkt schwer haben. Dem widerspricht auch der als wirtschaftsnah bekannte Wissenschaftler Sinn nicht: "Es muss einen Weg geben, alle in Arbeit zu integrieren", sagt er.

Wie könnte dieser Weg aussehen? Bevor diese Frage beantwortet wird, gibt es noch einen etwas seltsamen Auftritt. Eine zweifache Mutter berichtet, sie habe Hartz IV fünf Jahre lang genutzt, um ihre Kinder großzuziehen – und sei damit gut zurechtgekommen. Am Monatsende habe sie sogar immer noch etwas übrig gehabt. "Ich bin froh, dass der Staat mir das ermöglicht hat", sagt sie. Was soll diese Erfahrung den Zuschauern vermitteln? Dass man Hartz IV auch ganz bequem nutzen kann, um seine Kinder zu betreuen? Oder etwa, dass die Sätze zu hoch sind? Am Ende sagt auch die Mutter selbst vorsichtig: Ob man ihren Fall pauschalisieren könne, wisse sie nicht. Immerhin berichtet auch sie: Als sie wieder arbeiten ging, habe sie sich wie neugeboren gefühlt.

Solidarisches Grundeinkommen findet Zustimmung

Arbeit ist besser als Hartz IV, das sagen eigentlich alle im Studio. Wie man nun noch mehr Menschen in Arbeit bringen kann, dazu hat Berlins Bürgermeister Müller einen Vorschlag gemacht: Sein Konzept vom "solidarischen Grundeinkommen" sieht vor, dass Arbeitslose statt Hartz IV einen sozialversicherungspflichtigen Job bei der Kommune bekommen – zum Beispiel für Hilfsarbeiten an einer Schule oder als Übungsleiter in Vereinen. Damit würde der Staat Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren, so Müller.

Hartz-IV-Empfängerin Sandra Schlensog ist eher skeptisch, befürchtet "Beschäftigungsmaßnahmen" und einen "Tropfen auf den heißen Stein". Der CDU-Bundestagsabgeordnete Alexander Krauß dagegen stellt klar, dass die Große Koalition Schritte in diese Richtung grundsätzlich für richtig halte – und dafür vier Millionen Euro ausgeben will. Und selbst dem marktliberalen Ökonomen Sinn gefällt der SPD-Vorschlag: "Ich halte davon viel." Da ist sogar Frank Plasberg ein bisschen überrascht. Ein Lösungsvorschlag, auf den sich alle einigen können – das ist nicht unbedingt ein übliches Ende für eine politische Talkshow.

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