Eine selbstbewusste 19-Jährige kritisiert das "Schulterzucken" der Politik, und Aktivistin Greta Thunberg zeigt sich von einer persönlichen Seite: Anne Will widmet ihre Sendung Klimawandel und Jugendprotesten.

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Die derzeit bekannteste 16-Jährige der Welt im Interview und Deutschlands derzeit beliebtester Politiker in der Talk-Runde: Anne Will kann am Sonntagabend mit hochkarätigen Gästen und einem vielversprechenden Thema aufwarten.

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Worüber wird bei Anne Will diskutiert?

Seit einigen Monaten demonstrieren Schüler und Studenten freitags für besseren Klimaschutz. Sie haben dem Thema damit in der Öffentlichkeit zu großer Aufmerksamkeit verholfen.

Die Schwedin Greta Thunberg ist am Wochenende eigens nach Deutschland gekommen, um die Goldene Kamera entgegenzunehmen. Mit dem Zug natürlich. Hat ihre Generation das Zeug, die Politik zu verändern?

Wer sind die Gäste?

  • Greta Thunberg: Vor einem Jahr war sie noch eine unbekannte schwedische Schülerin, jetzt ist sie das bekannteste Gesicht der Jugendbewegung "Fridays for Future". Wie sie schwänzen Schüler auf der ganzen Welt an Freitagen die Schule, um für den Klimaschutz zu demonstrieren. Bei Anne Will nimmt sie leider nicht in der Diskussionsrunde Platz, dafür wird aber ein Interview vom Vortag eingespielt.
  • Therese Kah: Die Dortmunderin hat 2017 Abitur gemacht, studiert inzwischen Informatik und organisiert Fridays-for-Future-Demos. Sie erklärt selbstbewusst, warum Schüler die Kundgebungen nicht aufs Wochenende legen: "Es braucht drastische Maßnahmen, um zu zeigen, wie drastisch der Klimawandel ist."
  • Reiner Haseloff: Sachsen-Anhalts CDU-Ministerpräsident wehrt sich gegen den Eindruck, die Politik würde nichts gegen den Klimawandel unternehmen. Er habe fünf Enkel, betont der 65-Jährige – auch für sie mache er Politik. Den Sauren Regen und die klimaschädlichen FCKW-Gase habe man bereits bekämpft. "Das Problem ist lösbar, wir werden die Klimaziele einhalten."
  • Robert Habeck: Der Grünen-Chef hat es in der vergangenen Woche im Politiker-Beliebtheitsranking des ZDF-Politbarometers erstmals an die Spitze geschafft. Bei diesem Thema hat er ziemlich leichtes Spiel: Dass die Grünen auf Bundesebene seit langem nicht mehr mitregieren, macht es ihm leicht, die anderen Parteien zu kritisieren. "Wir sind super darin, zu sagen, was 2040, 2050 gemacht werden muss – aber miserabel darin, während der Legislaturperiode etwas umzusetzen."´
  • Wolfgang Kubicki: Wer hätte das gedacht: Der FDP-Politiker erzählt, er habe in jungen Jahren gegen Atomkraft demonstriert. Jetzt hat er aber kein Verständnis für den Schulstreik vieler junger Menschen. "Das ist kein Streik, sondern schlicht und ergreifend Schuleschwänzen. Die Schüler schaden damit nur sich selbst."
  • Harald Lesch: Der streitlustige Astrophysiker, Professor und Wissenschaftsmoderator sieht das ganz anders. Er würde sich wünschen, dass noch viel mehr junge Menschen auf die Straße gehen: "Im Vergleich zur Bedrohung, die der Klimawandel darstellt, halte ich die Schulpflicht für unerheblich."

Was war das Rede-Duell des Abends?

Die kompromisslosen Forderungen der jungen Generation prallen auf den Zwang der Politik, Kompromisse zu finden – wie in anderen Talkshows zum Thema ist das auch an diesem Abend so.

FDP-Mann Kubicki erklärt, dass die Politik auch die Existenzängste von Menschen ernst nehmen müsse, die sich vor einem Ende der Kohleindustrie oder höheren Spritpreisen fürchten.

"Und was ist mit meinen Existenzängsten?", fragt Therese Kah schlagfertig zurück. Die Politik habe bisher nur mit einem Schulterzucken auf die Proteste der Jugendlichen reagiert, kritisiert sie.

Das will Kubicki wiederum nicht auf sich sitzen lassen. "Wir können nicht einfach hingehen und sagen: Wir machen morgen alle Kraftwerke dicht. Das geht in einem Rechtsstaat nicht. "

Was war der Moment des Abends?

Höhepunkt ist fraglos das aufgezeichnete Interview, das Anne Will mit Klimaaktivistin Thunberg geführt hat.

Zu sehen ist nicht die unerschrockene 16-Jährige, die auf einer Bühne den Politikerin streng ins Gewissen redet. Sondern eine eher schüchterne junge Frau, die trotzdem nicht von ihrem Standpunkt abrückt. "Ich bin eine Realistin, ich sehe Fakten", sagt sie.

Zudem erfährt der Zuschauer, dass die vergangenen Monate sie zu einem glücklicheren Menschen gemacht haben: "Ich habe das Gefühl, das ich etwas bewege", so Thunberg. "Ich denke, dass wir etwas brauchen, wofür wir kämpfen."

Wie hat sich Anne Will geschlagen?

Das Können der Moderatorin zeigt sich vor allem im Thunberg-Interview. Das ist kein Gefälligkeitsgespräch, Will stellt der 16-Jährigen vielmehr auch kritische Fragen: Sollen wirklich alle Menschen so leben wie Thunberg selbst? Kann Atomkraft helfen, die Klimakrise zu lösen?

Nur die Frage, ob die 16-Jährige "anders denkt", weil sie das Asperger-Syndrom hat, ist ziemlich daneben. Das hört sich beinahe an, als sei die Schwedin wegen der Autismus-Variante eben ein sonderbarer Mensch. Hoffentlich war das nicht so gemeint.

Was ist das Ergebnis?

So vielversprechend Gäste und Thema sind: Einen wirklichen Beitrag zur öffentlichen Diskussion bietet die Sendung nicht.

Spannend wäre es gewesen, darüber zu sprechen, wie das politische Engagement der Jugend dauerhaft wird – und wie die Politik ganz allgemein die Forderungen dieser Generation aufnehmen und verarbeiten kann. Darum geht es allerdings nur am Rande.

In puncto Klimaschutz fehlt zudem ein Vertreter der Bundesregierung – schließlich ist die wirklich für die Klimaschutzpolitik verantwortlich.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) wird im Einspielfilm zwar vorgeworfen, lediglich ein "autofreundliches Minimalpapier" zum Thema beigesteuert zu haben. Auch CDU-Politiker Haseloff kritisiert, der Verkehrssektor müsse mehr leisten.

Wie aber reagiert Scheuer wohl auf diese Vorwürfe? Auch das wäre eine spannende Frage gewesen.

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