US-Verteidigungsminister James Mattis hat Europa die Pistole auf die Brust gesetzt: Entweder Europa steckt mehr Geld in die Nato, oder die USA wird ihr Engagement zurückfahren. Erpressung? Vielleicht. Doch völlig abwegig ist die Forderung nicht.

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Dass die Europäer für die Nato tiefer in die Tasche greifen sollen, ist keine fixe Idee von James Mattis. Was der neue Verteidigungsminister der USA da fordert, wollten auch Vorgänger-Regierungen schon. Neu ist nur, dass Mattis mit Konsequenzen droht.

Auf Drängen von Barack Obama hin hatten sich die Bündnispartner 2014 darauf verständigt, ihre Ausgaben bis 2024 auf mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu steigern.

Jedoch: Das ist nur eine Absichtserklärung. Sie ist nicht verbindlich. Und zuletzt erfüllten neben den USA lediglich Griechenland, Estland, Großbritannien und Polen das Ziel.

Auch Deutschland ist von der Zwei-Prozent-Marke weit entfernt. Zwar sind die Verteidigungsausgaben zuletzt deutlich gestiegen. Weil gleichzeitig das BIP anstieg, lag die Quote aber weiterhin bei nur 1,2 Prozent.

Nach Angaben aus Bündniskreisen müsste Deutschland bei der aktuellen Wirtschaftsleistung eigentlich rund 75 Milliarden US-Dollar für Verteidigung ausgeben. Tatsächlich waren es laut Nato zuletzt knapp 45 Milliarden US-Dollar.

Von der Leyen stimmt Mattis zu

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) nannte die Forderung in den "ARD"-Tagesthemen "plausibel". Es sei nicht fair, dass die Amerikaner doppelt so viel leisten wie alle Europäer zusammen. Außerdem könne die Bundeswehr mehr Geld ohnehin gut gebrauchen.

In einem Gastbeitrag für die "Süddeutsche Zeitung" räumte sie ein: "Wir Deutsche und die meisten Europäer haben uns viel zu lange bei der Sicherheitsvorsorge auf die breiten Schultern unserer amerikanischen Freunde verlassen."

Geld allein ist aus von der Leyens Sicht aber kein Allheilmittel. Sie will, dass die europäischen Staaten militärisch enger zusammenarbeiten. Es gelte, zumindest "Schlüsselfähigkeiten" auf dem Kontinent zu erhalten, statt sich auf die Amerikaner zu verlassen.

Damit Europa die Ressourcen dafür hat, müssten "Doppelstrukturen, die wir uns aus nationaler Eitelkeit lange geleistet haben", reduziert werden.

"Überwölbendes transatlantisches Ziel ist doch eine gut ausgebildete, motivierte, hochprofessionelle Streitkraft mehrerer Nationen, die modern ausgerüstet jederzeit einsetzbar ist", schreibt die Ministerin. Davon würden EU und Nato gleichermaßen profitieren.

Pressestimmen: "Kein Unding"

Viele Zeitungen schlagen in ihren Kommentaren in die gleiche Kerbe, auch weil sie eine Nato ohne Amerika für wertlos halten.

  • "Mattis Kritik ist völlig richtig", schreibt die Wochenzeitung "Die Zeit". "Es geht nicht, dass die USA vier Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben, während es in Deutschland nur 1,2 Prozent sind. Viele Amerikaner fragen sich, warum die Europäer sich sechs Wochen bezahlten Urlaub, einen großzügigen Sozialstaat und kostenlose Unis leisten, während sie selbst sich deutlich härter für die Betriebskosten der freien Welt abarbeiten. Europa ist aus amerikanischer Sicht in der Nato das, was Griechenland aus deutscher Sicht im Euro ist."
  • "Was Washington verlangt ist kein Unding, sondern verständlich", findet der "Reutlinger General-Anzeiger". "Die Nato-Europäer müssen künftig finanziell mehr stemmen. Zu lange schon ist man im Windschatten der USA gefahren."
  • "Ohne Amerika wäre die Nato verloren, und ohne die Nato ist Europa verloren", schreibt "Die Welt". "Wenn die amerikanische physische Präsenz wackelt, die Garantien verhandelbar werden, dann ist europäische Sicherheit nur noch ein Wort. Denn Amerika bleibt, wie vor 20 Jahren die damalige US-Außenministerin Madeleine Albright sagte, 'the indispensable nation', die unverzichtbare Nation."

Der SPD geht die Forderung zu weit

Einen etwas anderen Ton schlägt die SPD an. Deren verteidigungspolitischer Sprecher Rainer Arnold findet es zwar grundsätzlich richtig, dass Deutschland seinen Verteidigungsetat aufstockt.

Die Zwei-Prozent-Regel sei aber eher für schwächere Volkswirtschaften geeignet. "Sollte sich bei uns die Wirtschaftsentwicklung abschwächen, kämen wir auch schnell auf zwei Prozent", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung".

Deutschlands Militärausgaben nahezu verdoppeln zu wollen, sei "ehrlich abenteuerlich". Wichtiger sei zu klären, "welche Fähigkeiten Deutschland und andere Partner jeweils einbringen können".

Mit Material von dpa
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