Monatelang stritt die Regierung über den Haushalt. Den Finanzminister Christian Lindner will das Geld zusammenhalten. Wenige Tage nachdem das Kabinett den Haushaltsentwurf beschlossen hat, plant Lindner nun Steuererleichterungen im großen Stil für Unternehmen.

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Finanzminister Christian Lindner will die Wirtschaft mit einem Steuerpaket um jährlich rund sechs Milliarden Euro entlasten. Das Wachstumschancengesetz solle die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands stärken und für mehr Investitionen sorgen, hieß es am Mittwoch aus dem Finanzministerium. Zuerst berichtete darüber die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ).

Lindner schlägt demnach fast 50 steuerpolitische Maßnahmen vor. Kernelement ist die im Koalitionsvertrag angekündigte Prämie für Investitionen in den Klimaschutz. Andere Vorschläge gehen über den Vertrag von SPD, Grünen und FDP hinaus. Der Entwurf ist in der Regierung noch nicht abgestimmt.

Aus der Grünen-Fraktion kam daher prompt Kritik. In der angespannten Haushaltslage seien sechs Milliarden Euro sehr viel Geld, betonte Fraktionsvize Andreas Audretsch. "Einerseits massiv zu kürzen und andererseits Geld mit der Gießkanne zu verteilen, passt nicht zusammen." Das Wirtschaftsministerium kündigte an, die Details genau zu prüfen.

Lindner will Investitionen fördern

Lindners Projekt trägt den Namen "Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness". Die wichtigsten Punkte daraus sind:

  • Investitionsprämie: Firmen, die ihre Energie- und Ressourceneffizienz im Rahmen eines Energiesparkonzepts verbessern, sollen bis 2027 unabhängig von ihrem Gewinn 15 Prozent der Investition erhalten, maximal aber 30 Millionen Euro. "Es entsteht der konkrete Anreiz eines schnelleren Umstiegs in die Klimaneutralität für Betriebe", hieß es im Finanzministerium.
  • Steuerliche Forschungsförderung: Bisher waren bei Forschung und Entwicklung nur Personalkosten förderfähig. Dies soll ausgeweitet werden auf anteilige Investitionskosten. Insgesamt sollen künftig bis zu 70 Prozent des Auftragswerts förderfähig sein.
  • Verlustverrechnung: Mit dem Verlustrücktrag kann ein Verlust mit den Gewinnen des Vorjahres verrechnet werden. Dadurch verringert sich die Steuerlast für das Vorjahr. Dieser Rücktrag soll nun auf drei Jahre ausgeweitet werden. Die zuletzt temporär erhöhte Betragsgrenze von zehn Millionen Euro soll dauerhaft gelten. Von 2024 bis 2027 sollen Beschränkungen auch beim Verlustvortrag aufgehoben werden. Das soll die Bereitschaft erhöhen, unternehmerische Risiken einzugehen.
  • Bürokratische Hürden: Neben den größeren steuerlichen Erleichterungen will Lindner diverse bürokratische Hürden abbauen. Meldeverfahren und Buchführungspflichten sollen vereinfacht und Daten statt auf Papier elektronisch übermittelt werden.

Zustimmung bekommt Lindner von seinem grünen Koalitionspartner vor allem für die Klimaschutz-Investitionsprämie. "Die Vorschläge des Finanzministers sind ein zarter Anfang für das, was wir brauchen: Nötig ist ein wirklicher Stimulus für Wachstum, Wohlstand und die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland", sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck. Audretsch dagegen kritisierte "pauschale Steuergeschenke ohne Ziel" und verwies auf die angespannte Haushaltslage.

Auch bei der Linken stießen Lindners Pläne auf Widerstand. "Der Finanzminister ist der Schutzpatron der Unternehmen", sagte die Linke-Vorsitzende Janine Wissler am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP. "Den Reichen wird gegeben, was breiten gesellschaftlichen Schichten zuvor genommen wurde."

Während es "ein Zerren um die Kindergrundsicherung gibt" und Lindner dieser im Koalitionsvertrag verabredeten Leistung "faktisch eine Abfuhr erteilt, will er zeitgleich Steuersenkungen für Unternehmen", kritisierte Wissler. "Diese Fokussierung auf Konzerninteressen ist eine Ohrfeige für die Menschen, die sich gerade abstrampeln, um den Kopf über Wasser zu halten."

Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau dagegen zeigte sich zufrieden: "Hier wird einfach, unbürokratisch und fair in der Breite geholfen, und die mittelständischen Unternehmen werden mit ihren Risiken nicht allein gelassen."

Finanzminister stimmt auf Sparkurs ein

Lindner hatte in den vergangenen Monaten die Regierungsressorts auf einen Sparkurs eingestimmt. Nach monatelangem Streit über den Haushalt beschloss das Kabinett Anfang Juli den Entwurf für den Bundeshaushalt 2024 sowie den Finanzplan bis 2027.

Dieser sei aber nur der Anfang. Laut Lindner müsse der Staat nach Mehrausgaben wegen Corona-Pandemie und Energiekrise wieder lernen, mit dem Geld der Bürgerinnen und Bürger auszukommen. Die Ressorts hatten ursprünglich Wünsche nach Milliarden-Mehrausgaben.

Laut Entwurf sollen die Ausgaben des Bundes im kommenden Jahr auf 445,7 Milliarden Euro zurückgehen - mehr als 30 Milliarden weniger als in diesem Jahr. Die Neuverschuldung soll 2024 bei 16,6 Milliarden Euro liegen. Damit soll die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse eingehalten werden, auf die Lindner vehement pocht. (afp/dpa/thp)

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