Weniger Leistungen für Asylbewerber fordern FDP-Chef Lindner und Justizminister Buschmann und könnten damit neuen Krach in der Ampel auslösen.

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Die FDP-Minister Christian Lindner und Marco Buschmann stoßen mit ihrer Forderung nach weniger Leistungen für Asylbewerber bei den Koalitionspartnern SPD und Grüne auf Widerspruch. "Im Vorfeld der Ministerpräsidentenkonferenz hagelt es gerade Vorschläge von ganz unterschiedlicher Treffsicherheit", sagte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese dem Redaktionsnetzwerk Deutschland vor den Bund-Länder-Beratungen über die Finanzierung der Migrationskosten am 6. November.

FDP-Vorschlag zu Leistungskürzungen bei Asylbewerbern wird von SPD-Fraktionsvize teilweise unterstützt

Schon jetzt seien die Leistungen für Asylbewerber auf einem niedrigen Niveau. Bei Geduldeten sei unter bestimmten Umständen eine weitere Reduzierung von Leistungen bereits möglich, sagte Wiese. So sagte er der Funke-Mediengruppe: "Eine Anpassung der Leistungen für Asylbewerber kann Sinn machen, wenn ein Verfahren sehr lange dauert." Eine Anpassung "würde ich nicht von vornherein ausschließen, das muss man diskutieren", sagte er.

Bei Menschen, die geduldet sind, könnten schon heute Leistungen reduziert werden. "Auch diese Möglichkeit könnte man öfter nutzen", sagte Wiese.

In der "Rheinischen Post" mahnte der SPD-Politiker jedoch: "Aber man kann diese Schraube nicht immer weiter drehen. Die Leistungen müssen Geflüchteten in Deutschland ein menschenwürdiges Dasein ermöglichen. Das hat nicht zuletzt das Bundesverfassungsgericht mit seiner Rechtsprechung festgezurrt."

Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann machte in der RP ebenfalls deutlich: "Die in Artikel 1, Absatz 1 Grundgesetz garantierte Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren, das hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil bereits im Jahr 2012 festgestellt." Auch Grünen-Chefin Ricarda Lang kritisierte den FDP-Vorschlag.

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Lindner und Buschmann für genaue Prüfung der Sozialleistungen

In einem Gastbeitrag für die "Welt am Sonntag" hatten sich Bundesfinanzminister Lindner und Bundesjustizminister Buschmann für Kürzungen bei den Leistungen für Asylbewerber ausgesprochen. "Unter ganz besonders engen Voraussetzungen wäre sogar eine Absenkung von Leistungen quasi auf 'null' denkbar", schrieben sie.

Sie schlugen dies bei Menschen vor, "denen humanitärer Schutz in dem für sie nach den Dublin-Regeln zuständigen EU-Staat zusteht, die sich aber weigern, den Schutz dort in Anspruch zu nehmen. In diesen Fällen wäre es denkbar, die Leistung auf die Erstattung der notwendigen Reisekosten in den zuständigen Staat abzusenken."

Buschmann verteidigte den Vorstoß. "Es kommen zu viele Menschen, die auf unseren Sozialstaat angewiesen sind. Wir müssen unsere Sozialleistungen in den Blick nehmen. Bei der Höhe der Leistungen und der Dauer des Bezugs nach dem Asylbewerberleistungsgesetz haben wir Spielräume, die wir nutzen sollten", sagte der Justizminister der "Bild"-Zeitung. "Wir brauchen eine neue Realpolitik mit Blick auf die irreguläre Migration nach Deutschland", führte Buschmann weiter aus.

Christian Lindner und Marco Buschmann diskutieren.

FDP-Politiker Lindner und Buschmann fordern weniger Leistungen für Asylbewerber

Bundesfinanzminister Christian Lindner und Bundesjustizminister Marco Buschmann wollen die Leistungen für Asylbewerber senken. Unter bestimmten Voraussetzungen sollen sie sogar auf "null" gesetzt werden. (Bildcredit: Wochit/getty images)

Scharfe Kritik von Sozialverbänden und -organisationen

Gegenwind für die Idee der FDP-Politiker gab es gleich von mehr als 150 sozialen Organisationen. "Mit Bestürzung verfolgen wir die aktuelle politische Debatte über Asylsuchende, die zunehmend von sachfremden und menschenfeindlichen Forderungen dominiert wird", heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung.

Solange Geflüchtete bedürftig seien, hätten sie Anspruch auf das sozialrechtlich definierte Existenzminimum. "Nun geht es offenkundig darum, diesen grundlegenden Anspruch Asylsuchender einzuschränken, mit der Begründung, so könne die Zahl der Geflüchteten in Deutschland reduziert werden", schrieben die Unterzeichner, zu denen Amnesty International Deutschland, der AWO-Bundesverband und Save the Children Deutschland gehören.

Nach Ansicht der unterzeichnenden Organisationen kommen Asylbewerber nicht wegen der Sozialleistungen nach Deutschland, sondern suchen Schutz. "Wenn in diesem Jahr 2023 das Bundesamt in über 70 Prozent aller Asylanträge, die bis September inhaltlich entschieden wurden, einen Schutzstatus feststellt", werde dies allzu deutlich. "Die Behauptung, von den geringen Asylbewerberleistungen würden relevante Geldbeträge in Herkunftsländer überwiesen oder im Nachhinein an Schlepper ausgehändigt, ist zynisch und realitätsfern." Das Asylbewerberleistungsgesetz gehöre abgeschafft, stattdessen müssten Betroffene in das reguläre Sozialleistungssystem einbezogen werden.

Länder und Kommunen, deren Aufgabe die Unterbringung und Versorgung einer wachsenden Zahl von Schutzsuchenden ist, weisen seit Monaten auf einen Handlungsdruck in der Migrations- und Asylpolitik hin. Am 6. November wollen Bund und Länder bei einer Konferenz der Ministerpräsidenten mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über weitere Maßnahmen zur Migrationspolitik sprechen. Diskutiert wird die Frage, ob Barzahlungen für Asylbewerber durch eine Bezahlkarte und Sachleistungen ersetzt werden sollten. (dpa/the)

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