• Kremlkritiker Alexej Nawalny muss am Samstag gleich zu mehreren Gerichtsterminen.
  • Für den Oppositionellen geht es um viel, denn ihm drohen mehrere Jahre in einem Straflager.
  • Doch die Chancen für die Berufung Nawalnys stehen schlecht.

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Gut einen Monat nach seiner Rückkehr nach Russland steht Kremlgegner Alexej Nawalny an diesem Samstag gleich mehrfach vor Gericht. Im Abstand von nur wenigen Stunden geht es um zwei verschiedene Verfahren gegen den Oppositionellen.

Am Vormittag will die Justiz zunächst über eine Beschwerde Nawalnys gegen das kürzlich gegen ihn verhängte Straflager-Urteil entscheiden. Dann wird sich entscheiden, ob der 44-Jährige in den nächsten Jahren in Haft bleibt, womit in der russischen Hauptstadt gerechnet wird.

Am Nachmittag soll dann im selben Gerichtsgebäude im Nordosten Moskaus ein Prozess wegen angeblicher Beleidigung eines Weltkriegsveteranen fortgesetzt werden - auch hier könnte ein Urteil fallen. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Strafe von 950.000 Rubel (10 675 Euro) gefordert. Das ist mehr als das Doppelte eines durchschnittlichen Jahresgehalts in Russland.

Nawalny bestreitet die Vorwürfe, einen 94 Jahre alten Teilnehmer des Zweiten Weltkrieges beleidigt haben soll. Er sieht das Verfahren gegen ihn als politisch motiviert an, um ihn öffentlich als Verbrecher darzustellen und mundtot zu machen. Kremlsprecher Dmitri Peskow hatte gesagt, Veteranen dürften nicht beleidigt werden.

Nawalny hatte Protagonisten eines Propagandavideos zur umstrittenen Verfassungsänderung im vergangenen Sommer als "Verräter" bezeichnet. Darin war auch der Veteran aufgetreten. Nawalny beruft sich auf das Recht auf freie Meinungsäußerung.

Internationale Empörung über politisch motiviertes Urteil

Am mittlerweile vierten Verhandlungstag soll er noch einmal die Möglichkeit haben, Stellung zu den Vorwürfen zu nehmen. Zuletzt hatte er seine Auftritte vor Gericht für Kritik an der russischen Justiz und an Russlands Präsident Wladimir Putin genutzt. Die Staatsanwaltschaft will ihn dafür zur Verantwortung ziehen.

Dieses Verfahren kritisierte Nawalnys Team ebenso als politisch motiviert wie das zu Monatsbeginn verhängte Urteil zu dreieinhalb Jahren Straflager. Ihm werden aber ein mehrmonatiger Hausarrest und Haftzeiten angerechnet, so dass seine Anwälte von zwei Jahren und acht Monaten ausgehen.

Nawalny soll gegen Bewährungsauflagen in einem früheren Strafverfahren verstoßen haben, während er sich in Deutschland von einem Anschlag mit dem Nervengift Nowitschok erholte.

Das Urteil hatte international Empörung ausgelöst. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte forderte Russland erst am Mittwoch auf, Nawalny unverzüglich aus der Haft zu entlassen.

Das Urteil in diesem früheren Verfahren hatte das Menschenrechtsgericht 2017 als offenkundig unangemessen bezeichnet. Moskau wies die Forderung als Einmischung in innere Angelegenheiten vehement zurück.

EU glaubt an Giftanschlag durch Russland auf Nawalny

Nawalny sitzt seit fast einem Monat in Haft. Das hatte in Russland Massenproteste ausgelöst. Mehr als 11.000 Menschen wurden dabei festgenommen. Nawalnys Team hatte zuletzt angekündigt, die Proteste im Frühjahr und Sommer fortzusetzen. Es wurde nicht ausgeschlossen, dass es an diesem Samstag zu spontanen Aktionen kommen könnte.

Der Oppositionsführer war am 20. August während eines Inlandsflugs zusammengebrochen. Er kam zunächst in ein Krankenhaus in Sibirien. Zwei Tage später wurde er zur Behandlung nach Berlin geflogen.

Untersuchungen mehrerer Labore zufolge wurde er mit dem Kampfstoff Nowitschok vergiftet. Russland hingegen sah bislang keine Hinweise auf eine Vergiftung aus und deshalb keinen Grund für Ermittlungen.

Die EU hatte bereits im vergangenen Jahr Einreise- und Vermögenssperren gegen mutmaßliche Verantwortliche aus dem Umfeld von Präsident Putin verhängt. In Brüssel wird davon ausgegangen, dass staatliche Stellen in Russland hinter dem Attentat stehen.

Die EU-Außenminister wollen an diesem Montag über mögliche weitere Strafmaßnahmen beraten. Kremlsprecher Peskow sagte am Freitag der Staatsagentur Tass zufolge dazu: "Wir hoffen, dass sich bei unseren Dialogpartnern der gesunde Menschenverstand durchzusetzen wird." Der Druck über Sanktionen habe sich als unwirksam erwiesen. (dpa/thp)  © dpa

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