• Viele Straßen, Schienen und Schulen in Deutschland sind marode.
  • Die SPD will die Infrastruktur wieder auf Vordermann bringen. Ansonsten sei das "Vertrauen in den Staat" in Gefahr, sagt Parteichef Lars Klingbeil.
  • Die Finanzierung dürfte noch für Gesprächsstoff mit der FDP sorgen.

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Ein Blick auf die deutsche Infrastruktur im vergangenen Jahr: 2022 erreichten nur zwei von drei Zügen der Bahn pünktlich ihr Ziel. Ein historischer Tiefststand. Im Sauerland ist die Autobahn-Talbrücke Rahmede seit einem Jahr gesperrt. Wegen massiver Schäden muss sie gesprengt und über mindestens fünf Jahre komplett neu gebaut werden. Die Region ächzt unter dem Umleitungsverkehr. Und ein bundesweites Ärgernis sind marode Schulen: Die Förderbank KfW schätzt, dass sich im Bildungsbereich ein Investitionsrückstand von 45,5 Milliarden Euro angesammelt hat.

Parteivorstand verspricht "Comeback der Infrastrukturpolitik"

Es lässt sich nüchtern feststellen, dass die deutsche Infrastruktur vielerorts verschlissen, renovierungsbedürftig, marode ist. Deswegen verspricht die SPD jetzt, Tempo zu machen: Bei seiner Klausur am Sonntag und Montag hat der Parteivorstand eine Resolution mit dem Titel "Starke Infrastruktur für Deutschlands Zukunft" beschlossen. Alles solle auf Vordermann gebracht werden: Straßen und Schienen, Stromtrassen und Mobilfunknetze, Schulen, Kitas und Universitäten. Das Versprechen der SPD: "ein Comeback der Infrastrukturpolitik für das 21. Jahrhundert".

Dieses Problem anzugehen, war Ende 2021 ein zentrales Versprechen der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP: Stolze 80 Mal kommt das Wort "Infrastruktur" im Koalitionsvertrag vor. "Wir werden die öffentliche Infrastruktur, öffentliche Räume und Netze modernisieren und dafür Planung, Genehmigung und Umsetzung deutlich beschleunigen", heißt es ganz am Anfang.

Der SPD geht es aber nicht schnell genug. "Wir brauchen einen Turbo", sagt der Parteivorsitzende am Montag bei einer Pressekonferenz im Willy-Brandt-Haus. Seine Botschaft an die Bundesregierung: "Guckt, ob wir noch schneller werden können." In seinem eigenen Wahlkreis, erzählt Klingbeil, funktioniere das Aufstellen seit 18 Jahren nicht.

Zeit zwischen Planungs- und Baubeginn soll halbiert werden

Als Vorzeigebeispiel werden nun stets die neuen Flüssiggas-Terminals an der deutschen Küste genannt. Um das weggefallene russische Import-Gas zu ersetzen, soll dort künftig sogenanntes LNG ins deutsche Netz eingespeist werden. Die Fertigstellung des ersten Terminals in Wilhelmshaven gelang in für deutsche Verhältnisse rasender Geschwindigkeit von rund 200 Tagen.

"Diese neue Deutschland-Geschwindigkeit brauchen wir jetzt für alle Infrastruktur-Projekte. Es gibt da keine Ausreden mehr", sagt Klingbeil. Die SPD will die Zeit zwischen Planungs- und Baubeginn halbieren. Zu Schienen und Straßen schreibt die SPD: "Wir wollen die modernste und zugleich nachhaltigste Verkehrsinfrastruktur Europas."

Eine ganze Reihe Hindernisse

Das klingt angesichts zahlreicher Hindernisse durchaus sehr ambitioniert. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund bezifferte den Investitionsrückstand allein im kommunalen Bereich im vergangenen Jahr auf rund 159 Milliarden Euro. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat aber klargemacht, dass er 2023 an der Schuldenbremse nicht rütteln will – das dürfte massive Investitionen in den kommenden Jahren eher begrenzen.

Hinzu kommt: Der Fachkräftemangel und die Verteuerung von Materialien machen Unternehmen und der öffentlichen Hand schon jetzt zu schaffen. Zudem besteht innerhalb der Koalition keine Einigkeit über Schwerpunkte: Die Grünen wollen in erster Linie den Schienenverkehr ausbauen, die FDP setzt auch auf den Ausbau von Straßen und Autobahnen.

Klingbeil hält das Versprechen der SPD trotzdem nicht für übertrieben. Wenn Menschen wegen gesperrter Brücken statt 45 Minuten jetzt 90 Minuten zur Arbeit brauchen, dann verliere man "Vertrauen in den Staat und seine Handlungsfähigkeit", sagt er. "Die Ziele sind so ambitioniert, weil sie so ambitioniert sein müssen."

Wer soll das bezahlen? Lars Klingbeil soll Kommission führen

Die FDP signalisiert Zustimmung: "Deutschland braucht mehr Tempo in der Verwaltung und beim Ausbau der Infrastruktur", schrieb Bundesjustizminister Marco Buschmann auf Twitter. Trotzdem dürfte der Gesprächsbedarf zwischen den Koalitionspartnern in den kommenden Monaten größer werden.

Die SPD will sich nämlich noch einmal genauere Gedanken darüber machen, wie sie die Generalsanierung des Landes finanzieren will. Die Sozialdemokraten wollen – wie die Liberalen – zwar einerseits private Investitionen erleichtern. Andererseits setzen sie aber auch auf den Staat. Eine Kommission unter dem Vorsitz von Lars Klingbeil soll deswegen im Laufe dieses Jahres Vorschläge erarbeiten, wie der Staat seine Einnahmen erhöhen kann. Einzelheiten will Klingbeil am Montag noch nicht nennen. Er verrät aber: Über die Wiedereinführung der Vermögenssteuer oder einen "Transformationssoli" werde man bestimmt sprechen. Beides war bisher aber mit der FDP nicht zu machen.

Verwendete Quellen:

  • KfW Research: Mehr als 45 Mrd. EUR Investitionsrückstand in Schulen
  • SPD.de: Resolution des SPD-Parteivorstands: "Starke Infrastruktur für das 21. Jahrhundert"
  • Deutscher Städte- und Gemeindebund: Kommunaler Investitionsrückstand immer größer
  • Twitter-Account von Marco Buschmann
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