Seit Jahren kennen die Preise für Immobilien nur eine Richtung: steil nach oben. Zuletzt aber ging es ebenso rasant bergab. Vieles spricht dafür, dass der Markt nur eine Pause einlegt. Beim Mieten zeigt sich das schneller als beim Kaufen.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Fabian Hartmann sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Für viele ist es immer noch ein Traum: das eigene Haus im Grünen oder zumindest die Eigentumswohnung in der Stadt. Wer kaufen wollte, hatte aber in den letzten Jahren ein Problem: Seit 2010 sind die Bau- und Immobilienpreise stark gestiegen. Bundesweit haben sich Ein- und Zweifamilienhäuser sowie Eigentumswohnungen zwischen 2010 und 2022 um rund 94 Prozent verteuert. Zum Vergleich: Die Inflationsrate stieg im gleichen Zeitraum nur um 25 Prozent.

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Doch mit der Preisrallye bei den Immobilien könnte es vorbei sein. Zumindest vorerst. Das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) meldete kürzlich, dass es bei den Preisen im vergangenen Jahr einen Einbruch in "historischem Ausmaß" gegeben habe. Und zwar im gesamten Markt, also bei Wohnungen und Häusern.

  • Eigentumswohnungen: Minus 8,9 Prozent.
  • Einfamilienhäuser: Minus 11,3 Prozent
  • Mehrfamilienhäuser: Minus 20,1 Prozent.

Ein Absturz, keine Frage. Nur: Was bedeutet das? Ist der Markt außer Rand und Band? Konstantin Kholodilin kennt die Antwort. Er ist Ökonom und beschäftigt sich am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin mit Immobilienmärkten. "Der Rückgang der Preise ist rekordverdächtig", sagt Kholodilin. "Aber das war auch der Anstieg zuvor."

Wo die Preise fallen und wo nicht

Aus ökonomischer Sicht ist eine Phase der Preiskorrektur also durchaus angebracht und kein Grund zur Besorgnis. Ein genauerer Blick auf die Landkarte zeigt ohnehin, dass die Preise nicht überfall gefallen sind beziehungsweise es nicht mehr tun. Von den sieben größten Städten – also da, wo der Markt in der Regel besonders angespannt ist – ging es in Stuttgart und Köln im vierten Quartal 2023 mit jeweils 3,6 Prozent preistechnisch nochmal deutlich nach unten. Anders als in Berlin (minus 0,4 Prozent), Frankfurt (minus 0,2 Prozent) und Hamburg (plus 0,2 Prozent).

Ist die Talsohle schon erreicht?

Gut möglich. "Aktuell gibt es zwei Hauptfaktoren, die die Preise bestimmen", sagt DIW-Forscher Kholodilin. Und beide zeigen in unterschiedliche Richtungen. "Die hohen Zinsen drücken die Preise", so der Experte. Der wirtschaftliche Mechanismus dahinter ist simpel: Angesichts einer hohen Inflation hat die Zentralbank die Leitzinsen – also den Zins, zu dem sich Geschäftsbanken finanzieren können – erhöht. Dies drückt zwar die Teuerungsrate, erschwert aber die Finanzierung von Immobilien über Kredite. Die Folge: Für viele Menschen ist ein Kauf nicht mehr erschwinglich.

Sinkende Immobilienpreise bedeuten also – Stichwort Zins – nicht zwangsläufig, dass Eigentum bezahlbarer ist. Zumal die Nachfrage, das ist der andere Faktor, hoch bleibt. "Die Bevölkerungsentwicklung und Wanderungsbewegungen sprechen für tendenziell steigende Preise", sagt Ökonom Kholodilin. Vereinfacht gesagt: In Deutschland leben immer mehr Menschen. Und die zieht es in die Großstädte.

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Welcher Faktor letztlich dominiert, ist immer auch eine Frage der konjunkturellen Entwicklung. Auch beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln sprechen die Experten davon, dass der Markt "eine Phase der Bodenbildung erreicht" hat. Dafür spricht vor allem: Die Aussicht auf Zinssenkungen, die positive Entwicklung der Einkommen und: die starken Mietpreisanstiege, mit denen weiterhin zu rechen ist.

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Miet- und Kaufpreise zeigen langfristig in gleiche Richtung

Für den Markt für Wohnimmobilien wie für Mieten gilt nämlich: Einer wachsenden Bevölkerung steht eine stagnierende bis sinkende Bautätigkeit gegenüber. Die Preise geraten unter Druck, wenn die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage zunimmt. Und das tut sie in Deutschland seit vielen Jahren. Langfristig bewegen sich Miet- und Kaufpreise in die gleiche Richtung.

"Es ist offensichtlich, dass die Mieten auf mittlere Frist weiter steigen", sagt DIW-Forscher Kholodilin. Die Ampel-Koalition wollte mit dem Bau von 400.000 zusätzlichen Wohnungen pro Jahr Abhilfe schaffen. Nur: Von dieser Stückzahl ist sie weit entfernt. Im Interview dieser Redaktion räumte Bauministerin Klara Geywitz (SPD) erstmals ein, dass die Politik das eigens vorgegebene Ziel nicht erreicht.

Ohnehin stellt sich die Frage, inwiefern Neubau das Allheilmittel ist. Natürlich: Ein größeres Angebot kann helfen, den Preisanstieg abzubremsen. Neubau bedeutet aber auch Ressourcenverbrauch, Versiegelung von Flächen und die Gefahr, am Bedarf vorbei zu bauen. Zumal es nicht an Wohnraum in Deutschland fehlt. Er ist nur falsch verteilt. Für ländliche Räume könnte die Preisexplosion in den Großstädten auch eine Chance sein, wieder attraktiv zu werden.

Hohe Zinsen treiben Mietpreise weiter

Ein Blick auf die Mietpreisdynamik in den Großstädten unterstützt diese These. Das IW Köln hat untersucht, wie sich die Mietpreise dort entwickelt haben. Im ersten Quartal 2022 sind sie – im Vergleich zum Vorjahreszeitraum – etwa in Berlin um 17 Prozent, in Leipzig um 12,2 Prozent und in München um 10,5 Prozent gestiegen. Da können die Einkommen nicht mithalten.

Ausgerechnet die hohen Zinsen könnten diese Dynamik weiter verschärfen. Mieter, die sich überlegt hatten, ins Eigentum zu wechseln, können nun womöglich die Finanzierung nicht mehr stemmen. Damit erhöht sich der Druck auf den Mietmarkt, weil Kaufen unattraktiver wird. Ein weiteres Beispiel dafür, wie eng Kauf- und Mietmarkt zusammenhängen.

"Für Käufer ist die Lage im Moment in der Tat nicht besonders gut", sagt auch DIW-Forscher Kholodilin. Ob sich daran in absehbarer Zeit etwas ändert, ist fraglich. Damit der Erwerb von Wohneigentum für breite Schichten realistischer wird, müssten etwa die Einkommen deutlich zulegen. Die Wachstumsaussichten für die deutsche Volkswirtschaft sind allerdings mau – und damit sinken auch die Aussichten auf stark steigende Löhne.

Der Traum vom Eigentum; er dürfte damit auch weiterhin für viele vor allem eines bleiben: ein Traum.

Über den Gesprächspartner

  • Dr. Konstantin Kholodilin ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Makroökonomie am DIW Berlin. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit Immobilienmärkten, räumlicher Ökonometrie und der Entwicklung von Frühindikatoren.

Verwendete Quellen

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