• Binnen eines Monats hat sich der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern wieder gefährlich hochgeschaukelt.
  • Doch was sind die Auslöser der aktuellen Eskalation, wie reagiert Israel und ist das der Beginn einer neuen Intifada?

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Trotz internationaler Aufrufe zur Zurückhaltung eskaliert die Gewalt zwischen Palästinensern und Israelis im Nahen Osten weiter. In Aschkelon im Süden Israels wurden am Dienstag zwei Menschen durch Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen getötet, wie der israelische Rettungsdienst mitteilte.

Militante Palästinenser weiteten am Dienstag ihre Angriffe auf Israel aus und feuerten aus dem Gazastreifen hunderte Raketen ab. Das israelische Militär reagierte darauf mit Dutzenden Luftangriffen auf Ziele in dem Küstengebiet direkt am Mittelmeer. Auf beiden Seiten gab es Tote.

Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern hatte sich seit Beginn des muslimischen Fastenmonats Ramadan Mitte April zugespitzt. Inzwischen sind es die heftigsten Auseinandersetzungen seit mehreren Jahren.

Was sind die Auslöser der aktuellen Eskalation?

Seit der gewaltsamen Machtübernahme der Hamas im Gazastreifen im Jahre 2007 haben sich Israel und die radikale Palästinenserorganisation drei Kriege geliefert. Israel und Ägypten halten das Gebiet unter Blockade und begründen dies mit Sicherheitserwägungen. Rund zwei Millionen Menschen leben dort unter miserablen Bedingungen.

Im August 2020 verkündete die Hamas nach Vermittlung Katars eine Waffenruhe mit Israel. Aber auch danach gab es immer wieder Verstöße. Die Hamas wird von Israel, den USA und der EU als Terrororganisation eingestuft. Sie hat die Zerstörung Israels zu ihrem Ziel erklärt.

Der neue Ausbruch der Gewalt zwischen Israel und den Palästinensern ist der heftigste seit Jahren. Die Gewalt hat sich scheinbar plötzlich entladen – die Spannungen zwischen beiden Seiten brodeln allerdings schon seit einem Monat.

Als Ausgangspunkt gilt der Beginn des muslimischen Fastenmonats Ramadan am 12. April. Palästinenser in Jerusalem reagierten zornig darauf, dass die israelische Polizei Sperrzäune am Damaskustor aufstellte. Dies hinderte sie daran, sich auf Treppenstufen des Vorplatzes zu setzen, der im Ramadan als beliebtester Treffpunkt gilt. Viele junge Palästinenser im arabisch geprägten Ostteil der Stadt sehen darin eine Demütigung.

Die Palästinenser werfen der Polizei auch vor, auf dem Tempelberg (Al-Haram al-Scharif) gewaltsam gegen Muslime vorzugehen. Die Anlage mit dem Felsendom und der Al-Aksa-Moschee ist die drittheiligste Stätte im Islam. Sie ist aber auch Juden heilig, weil dort früher zwei jüdische Tempel standen. Nach israelischer Darstellung haben Palästinenser die Krawalle lange vorbereitet und in der Moschee auch Steine gehortet. Für Zunder sorgt auch die drohende Zwangsräumung palästinensischer Familien im Viertel Scheich Dscharrah.

Angeheizt wurden die Spannungen von Videos, die Angriffe junger Araber auf strengreligiöse Juden in Jerusalem zeigten. Dies rief wiederum ultrarechte jüdische Gruppen auf den Plan. Im Westjordanland mehrten sich wieder Anschläge und tödliche Vorfälle. Weiterer Grund für den Frust unter jungen Palästinensern: die Absage der für den 22. Mai geplanten Parlamentswahl. Es wäre die erste seit 15 Jahren gewesen.

Gewalt in Israel: Wie viele Opfer sind bisher zu beklagen?

Es hat bereits auf beiden Seiten Tote gegeben. Nach Angaben der israelischen Polizei wurden in der besonders schwer beschossenen Küstenstadt Aschkelon am Dienstag eine 65 und eine 40 Jahre alte Frau getötet. Dem Rettungsdienst Zaka zufolge wurden beide in ihren Häusern von Raketen getroffen. Ein Armeesprecher sagte, im Gazastreifen seien mindestens 15 Mitglieder der islamistischen Hamas und des militanten Islamischen Dschihads getötet worden.

Dem Gesundheitsministerium in Gaza zufolge starben im Zuge der Gewalt bislang 26 Menschen, darunter neun Kinder. Nach Berichten örtlicher Medien und von Augenzeugen wurden drei Kinder durch israelische Luftangriffe getötet, die übrigen sechs durch fehlgeleitete Raketen von Extremisten.

Nach israelischen Angaben wurden bei Angriffen im Gazastreifen 15 ranghohe Mitglieder militanter Palästinensergruppen getötet. Die Gruppe Islamischer Dschihad bestätigte den Tod von zwei führenden Mitgliedern. Palästinensischen Behörden in Gaza zufolge wurden 125 Menschen bei den israelischen Angriffen verletzt.

Zudem gab es auf dem Tempelberg in Jerusalem in den vergangenen Tagen immer wieder schwere Zusammenstöße. Palästinensische Rettungskräfte sprachen von Hunderten Verletzten. Nach Polizei-Angaben wurden fast zwei Dutzend Beamte verletzt.

Wie reagiert Israels Politik auf die Situation?

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu drohte mit einer harten Reaktion. "Die Terrororganisationen in Gaza haben am Abend des Jerusalem-Tags eine rote Linie überschritten und uns in den Vororten Jerusalems mit Raketen angegriffen", sagte Netanjahu bei einer Ansprache in der Stadt.

"Wir werden keine Angriffe auf unser Gebiet, unsere Hauptstadt, unsere Bürger und Soldaten dulden. Wer uns angreift, wird einen hohen Preis bezahlen." Er bereitete die israelischen Bürger auf einen längeren Konflikt vor.

Für Israel fällt die neue Gewalt in eine Zeit starker interner Instabilität. Netanjahu ist gerade zum dritten Mal binnen zwei Jahren beim Versuch gescheitert, eine Regierung zu bilden. Der 71-Jährige, gegen den ein Korruptionsprozess läuft, kämpft ums politische Überleben.

Laut des palästinensischen Politikwissenschaftlers Dschihad Harb versuche Netanjahu mit einem harten Vorgehen, seine Position vor allem im rechten Lager zu stärken. Seinen politischen Gegnern, die nun eine andere Koalition schmieden wollen, könnte die Eskalation einen Strich durch die Rechnung machen. Die Verhandlungen mit einer kleinen arabischen Partei, deren Unterstützung sie brauchen, liegen jetzt auf Eis.

Droht nun eine neue Intifada?

Das ist derzeit unklar. Ein Hamas-Sprecher sagte, die Raketen auf Israel seien eine "Botschaft" an den Feind Israel und eine "Reaktion auf seine Verbrechen und Aggression gegen die heilige Stadt". Zu den Angriffen bekannte sich auch die Gruppe Islamischer Dschihad.

Nach Angaben der israelischen Armee wurde bisher mehr als 300 Raketen aus Gaza in Richtung Israel abfeuert, etwa 90 Prozent von ihnen fing das israelische Abwehrsystem "Iron Dome" ab.

Vor diesem Hintergrund wird bereits von vielen das Schreckgespenst eines dritten Palästinenseraufstands Intifada an die Wand gemalt. Mehrere deeskalierende Maßnahmen der israelischen Regierung zeigten bislang kaum Wirkung.

Die Vorfälle in Jerusalem hätten die "Palästinenser im Westjordanland, im Gazastreifen und innerhalb Israels zusammengeschweißt", sagt Politikwissenschaftler Harb. Dafür, dass Israel sich auf einen längeren Einsatz im Gazastreifen vorbereitet, spricht die Tatsache, dass die Militäroperation schon einen eigenen Namen hat: "Wächter der Mauern".

Wie kann die Lage wieder beruhigt werden?

Nach Medienberichten bemühen sich ägyptische Unterhändler hinter den Kulissen um eine neue Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas. In den vergangenen Jahren war das mehrmals gelungen. Man hofft auf eine Beruhigung zum großen Fest Eid al-Fitr zum Abschluss des muslimischen Fastenmonats am Mittwoch oder Donnerstag. Am Sonntag beginnt in Israel außerdem der jüdische Feiertag Schavuot.

Aus Diplomatenkreisen erfuhr die Nachrichtenagentur AFP, dass Ägypten und Katar, die bereits in früheren Konflikten zwischen Israel und der Hamas vermittelt hatten, sich um eine Beruhigung der Lage bemühen würden. (dpa/afp/mf)

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