Donald Trump und Kim Jong Un sind ohne gemeinsames Ergebnis wieder auseinander gegangen, der Gipfel in Hanoi zwischen dem US-Präsidenten und Nordkoreas Machthaber endete im Streit. Wer ist schuld?

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Keine gemeinsame Erklärung, kein Ergebnis - der mit Spannung und vielen Hoffnungen erwartete Gipfel zwischen US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un in Hanoi ist gescheitert.

Massive Differenzen über den Weg zu atomarer Abrüstung und die Aufhebung von Sanktionen führten zum vorzeitigen Abbruch des Gipfels. Statt eines abrupten Endes ging das Weiße Haus ursprünglich von der Unterzeichnung einer gemeinsamen Erklärung aus. So etwas geschieht in der internationalen Politik normalerweise nur, wenn man sich praktisch einig ist.

Warum kamen Trump und Kim nicht zu einer Verständigung? Wer ist schuld am Scheitern des zweiten Gipfels nach einer ersten Zusammenkunft in Singapur im vergangenen Juni? Dr. Hans-Joachim Schmidt, Nordkorea-Experte von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung in Frankfurt am Main, sieht beide Seiten in der Verantwortung.

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"USA und Nordkorea müssen Strategien überdenken"

"Sowohl die USA als auch Nordkorea hatten zu hohe Erwartungen an das Gipfeltreffen, die in Zukunft korrigiert werden müssen. Beide Seiten hatten ihre Maximalpositionen - und beide müssen nun ihre Strategie überdenken, wenn man einen Kompromiss finden will“, sagt Schmidt im Gespräch mit unserer Redaktion.

Die Hoffnungen auf eine Friedenslösung für die koreanische Halbinsel sind nun wieder deutlich geringer. Schmidt sieht den Annäherungsprozess zwischen den USA und Nordkorea zwar noch nicht als gescheitert an, warnt aber: "Die Wahrscheinlichkeit, dass er scheitern kann, ist ganz klar gestiegen."

Eine Absage des ursprünglich für Ende März, Anfang April anberaumten Gipfeltreffens zwischen Nord- und Südkorea hält Schmidt für wahrscheinlich: "Die südkoreanischen Hoffnungen sind vorläufig enttäuscht, da es in Hanoi keine ausreichenden Fortschritte gab."

Trump: Nordkorea muss mehr tun

Knackpunkt aus amerikanischer Sicht waren die Forderungen Kims nach einer Aufhebung aller Sanktionen. Allerdings kamen diese nicht wirklich überraschend. Schmidt erklärt die nordkoreanische Argumentation: "Man kann nicht eine Erklärung zur Beendigung des Korea-Krieges unterzeichnen und gleichzeitig die Sanktionen aufrechterhalten."

Andererseits ist Nordkorea nicht bereit, sein gesamtes Atomwaffenprogramm zur Disposition zu stellen. Trump zufolge bekräftigte Kim in Hanoi auch die zuvor schon geäußerte Bereitschaft, den wichtigen Atomkomplex in Yongbyon zu schließen. Dort gibt es einen Reaktor sowie Anlagen zur Herstellung von Plutonium und zur Anreicherung von Uran, was beides der Atombombenherstellung dient.

Die USA verlangten von Nordkorea, außer Yongbyon eine weitere Stätte an anderer Stelle zu schließen. "Ich denke, er war überrascht, dass wir darüber Bescheid wussten", sagte Trump. Nordkorea müsse mehr tun, um eine Aufhebung der Sanktionen zu erreichen.

Experte: Kim wird seine Atomwaffen nicht abgeben

Fraglich bleibt, ob Kim Jong Un überhaupt ein ernsthaftes Interesse an der vollständigen nuklearen Abrüstung hat. "Ich glaube nicht, dass er kurz- oder mittelfristig bereit sein wird, seine Atomwaffen völlig zur Disposition zu stellen", erklärt der Konfliktforscher. Im Bereich des Möglichen liegt für Schmidt, "die Denuklearisierung einzuleiten, also Teile seines Atomwaffenprogramms abzurüsten und die Atomwaffen- und Raketenentwicklung zu begrenzen".

Allerdings, so der Wissenschaftler, seien sich die Experten einig, dass man Nordkorea auf die Schnelle gar nicht vollständig abrüsten könne, dazu seien mindestens zehn bis zwölf Jahre nötig. "Die amerikanischen Unterhändler, zum Beispiel US-Außenminister Mike Pompeo, geben in internen Gesprächen mit Experten durchaus zu, dass sie selbst nicht daran glauben, Nordkorea völlig denuklearisieren zu können", so Schmidt. "Aber natürlich ist es absolut richtig, an diesem Ziel festzuhalten, damit im Falle der Wiedervereinigung das vereinigte Korea nicht nuklear wird."

Mangelnde Vorbereitung, schlechte Rahmenbedingungen

Vielleicht hätte eine bessere Vorbereitung dabei geholfen, Ergebnisse zu erzielen. Für die Rahmenbedingungen des Treffens wäre es zudem besser gewesen, wenn der Handelskonflikt zwischen den USA und China endgültig geregelt gewesen wäre, so der Experte. Außerdem sei der Austragungsort nicht glücklich gewählt worden.

Hintergrund: China und Nordkorea sind traditionell verbündet. Vietnam, in dessen Hauptstadt Hanoi sich die zwei Staatschefs trafen, befindet sich im Territorialstreit mit China um die Spratly-Inseln im Chinesischen Meer und sucht hier die amerikanische Unterstützung. Gleichzeitig stellt Vietnam für Nordkorea ein Vorbild bei der wirtschaftlichen Entwicklung dar. Somit habe der Gipfel in Hanoi "ein wenig den Geruch, dass die Amerikaner Nordkorea aus der Allianz mit China herausbrechen möchten", analysiert Schmidt.

"Der nächste Gipfel darf nicht scheitern"

Ist die Welt nach dem Scheitern des Gipfels also wieder ein bisschen gefährlicher geworden? "Nein, im Moment nicht", gibt Schmidt Entwarnung, schließlich hätten beide Seiten verdeutlicht, dass sie weiter verhandeln wollen. Kim Jong Un hat zugesichert, auch weiterhin keine Atomwaffen- und Raketentests zu unternehmen. Trump will die Sanktionen nicht weiter verschärfen.

Beide Seiten müssten sich korrigieren und nach neuen Lösungswegen suchen. Die Chance dazu sei immer noch gegeben, so Schmidt. Pläne für einen dritten Gipfel - nach Singapur und Hanoi - gibt es aktuell noch nicht. Das Weiße Haus erklärte nur, die "jeweiligen Teams" wollten die Gespräche fortsetzen. Klar ist aber laut Schmidt: "Der nächste Gipfel darf nicht scheitern, sonst kehrt die Konfrontation zurück." (Mit Material der dpa)

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Dr. Hans-Joachim Schmidt, Nordkorea-Experte von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung in Frankfurt am Main
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