Gesundheitsminister Spahn will die Masern mittels einer Impfpflicht ausrotten. Hunderttausenden Kindern und Erwachsenen fehlt die Impfung angeblich. Aber kann man Menschen dazu zwingen? Und soll man Verweigerer bestrafen?

Mehr aktuelle News finden Sie hier

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat Kritik an den geplanten Bußgeldern für Eltern, die ihre Kinder nicht gegen Masern impfen lassen, zurückgewiesen. "Es ist auch im Straßenverkehr so: Wenn Sie andere gefährden und sie werden erwischt, dann müssen Sie ein Bußgeld bezahlen", sagte Spahn im ZDF-Morgenmagazin.

Dass Impfgegner ihre Kinder erst recht nicht impfen lassen würden, wenn sie dazu verpflichtet würden, glaubt Spahn nicht. "Wenn man das mal überträgt auf andere Lebensbereiche, dann müsste man ziemlich viele Regelungen in Deutschland infrage stellen".

Spahns Ziel: Masern dauerhaft ausrotten

Eine stärkere Verpflichtung verhindere auch, dass Eltern die Impfung vergessen. "Das Ziel ist ja nicht, Bußgelder zu verhängen. Das Ziel ist, dass möglichst alle geimpft sind", sagte der Gesundheitsminister. Er glaube, dass die allermeisten die Impfungen machen werden und gar nicht so viele Bußgelder verhängt werden.

Der Minister verwies auch auf die Impfpflicht gegen Pocken, die sich als Erfolg erwiesen habe. "Heute muss niemand mehr an den Pocken erkranken und das wollen wir für die Masern auch", sagte Spahn.

Mit der geplanten Pflicht zur Masern-Impfung für Kinder und bestimmte Berufsgruppen müssten sich nach einem Medienbericht rund 600.000 Menschen nachträglich impfen lassen. Das hätten Schätzungen des Gesundheitsministeriums ergeben, berichtete die "Bild"-Zeitung (Montag).

Demnach befinden sich in Kitas und Schulen derzeit rund 361.000 nichtgeimpfte Kinder. In solchen Gemeinschaftseinrichtungen sowie in Krankenhäusern und Arztpraxen seien zudem schätzungsweise 220.000 Angestellte zur Impfung gezwungen.

Nötige Impfquote in Deutschland nicht erreicht

Der Gesundheitsminister verteidigte sein Vorhaben. Es sei eine Frage des allgemeinen Gesundheitsschutzes, sagte der CDU-Politiker am Sonntagabend in den ARD-"Tagesthemen". Trotz intensiverer Aufklärung seien die nötigen Impfquoten bisher nicht erreicht worden. Er wies auch den Vorwurf zurück, dass sein Gesetzentwurf Erwachsene ignoriere, die nicht ausreichend geimpfte seien.

Spahn setzt nach eigenen Worten darauf, dass die Debatte das Bewusstsein schärfe. "Gleichzeitig regeln wir, dass Erzieherinnen, Lehrerinnen und Lehrer, aber auch Personal in Krankenhäusern, in öffentlichen Gemeinschaftseinrichtungen, geimpft werden müssen."

Spahn will verpflichtende Masern-Impfungen für Kita- und Schulkinder mit Geldstrafen bis 2500 Euro und einem Ausschluss vom Kita-Besuch durchsetzen. Die Impfpflicht soll ab 1. März 2020 gelten, wie aus dem Gesetzentwurf hervorgeht, welcher der Deutschen Presse-Agentur vorliegt und über den zuerst die "Bild am Sonntag" berichtet hatte. Der Koalitionspartner SPD unterstützt die Pläne - anders als die oppositionellen Grünen.

Um die Zirkulation von Masern zu verhindern, seien Impfraten von mehr als 95 Prozent erforderlich, heißt es im Gesetzentwurf. "Diese werden in Deutschland nicht erreicht." Die angestiegenen Fallzahlen seien auf "fortschreitende Impfmüdigkeit" zurückzuführen.

Unter anderem in Bayern, Berlin, Hessen und Nordrhein-Westfalen sei es in den vergangenen Jahren zu großen Ausbrüchen gekommen. Allein bis Anfang März 2019 seien dem Robert-Koch-Institut 170 Masernfälle gemeldet worden.

Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery befürwortet Spahns Pläne. Er hält Strafen für Verstöße generell für gerechtfertigt, kann sich aber Ausnahmen vorstellen.

Keine Regel ohne Ausnahme - auch bei Impfpflicht?

Der Präsident der Bundesärztekammer gab im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur zu bedenken: "Eine Impfpflicht lässt sich leicht verlangen, aber ist schwer umzusetzen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man Kinder mit der Polizei zum Impfen schleppt." Deshalb müsse man versuchen, mit Vernunft auf die Menschen einzuwirken - das bedeute vor allem mit Aufklärung. Er fügte hinzu: "Sie werden darüber hinaus aber auch an einigen Strafen nicht vorbeikommen."

Montgomery sagte weiter: "Man wird auch Kommissionen gründen müssen, die denjenigen Eltern und Kindern, die schwerwiegende Gründe gegen die Impfung haben - denn die gibt es auch -, ermöglichen, von einer Impfung abzusehen. Mir schwebt da so was vor wie früher bei der Wehrpflicht. Die galt auch für alle, aber es gab Kommissionen, die die Verweigerer anerkannten. So etwas brauchen wir auch für Impfungen." (dpa/lag)




JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.