Frankreich steht unter Schock: Wieder ist das Land Opfer eines Terror-Attentäters geworden. Der mehrfach verurteilte Mann tötete im Umfeld des Straßburger Weihnachtsmarkts drei Menschen. Er befindet sich auf der Flucht. Es gibt Berichte, wonach er Richtung Deutschland unterwegs sei. Grenzkontrollen werden verschärft.

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Frankreich ist erneut von einem schweren Terroranschlag erschüttert worden. Bei dem Angriff mitten in der Weihnachtssaison wurden am Dienstagabend drei Menschen in Straßburg getötet, wie Frankreichs Innenminister Christophe Castaner am frühen Morgen mitteilte.

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Zwölf Menschen wurden nach seinen Angaben verletzt, sechs von ihnen sehr schwer. Die Polizei ging von einem terroristischen Hintergrund aus. Der Täter, von den Behörden als Gefährder eingestuft, war am frühen Mittwochmorgen noch auf der Flucht. Er ist nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur ein französischer Staatsbürger mit nordafrikanischen Wurzeln.

Auf die Frage, ob der Mann ins benachbarte Deutschland geflüchtet sein könnte, antwortetet der Bürgermeister der elsässischen Metropole, Roland Ries, am Mittwoch im Radiosender Europe 1: "Die Grenze ist im Prinzip geschlossen."

Massive Kontrollen in Grenzregion nach Deutschland

Tatsächlich wurden in der Grenzregion die Polizeikräfte massiv verstärkt. Die Bundespolizei kontrolliert mehrere Grenzübergänge von Deutschland nach Frankreich.

Wie ein Sprecher am Mittwochmorgen sagte, ist die Polizei in Kehl, Iffezheim, Breisach und Rheinau im Einsatz. Pendler von Deutschland nach Frankreich müssten sich auf Wartezeiten bis zu 90 Minuten einstellen, hieß es weiter.

Wie lange die Kontrollen noch andauern, sei unklar. "Wir sind auf die Kollegen in Frankreich angewiesen. Solange die Lage nicht bereinigt ist, werden wir weiter kontrollieren", sagte der Polizeisprecher.

Täter 2017 von Deutschland nach Frankreich abgeschoben

Nicht nur der Straßenverkehr, sondern auch der öffentliche Nahverkehr werde überprüft. Dazu zählt auch die grenzüberschreitende Tram D. Diese war in der Nacht bereits komplett gesperrt worden, inzwischen fährt sie aber wieder. Laut Polizei wird auch die Fußgänger- und Radfahrerbrücke Passerelle des Deux Rives zwischen Kehl und Straßburg kontrolliert.

Der 29-jährige Täter ist den deutschen Behörden bekannt. Er wurde vom Amtsgericht Singen wegen schweren Diebstahls zu einer Gefängnisstrafe verurteilt und war in Deutschland in Haft. Nach dem Verbüßen der Strafe wurde er im Jahr 2017 nach Frankreich abgeschoben, wie die dpa weiter erfuhr.

Höchste Sicherheitswarnstufe in Frankreich

Frankreichs Regierung ließ nach dem Anschlag die höchste nationale Sicherheitswarnstufe ausrufen, die sogenannte "urgence attentat". Das bedeute verstärkte Kontrollen an den Grenzen des Landes, erläuterte Castaner. Auch Weihnachtsmärkte würden stärker kontrolliert.

Laut dem Minister war der mutmaßliche Täter bereits wegen Delikten in Frankreich und Deutschland verurteilt worden.

Der Verdächtige hatte nach Angaben der Präfektur gegen 20:00 Uhr nahe dem Weihnachtsmarkt der Elsass-Metropole das Feuer eröffnet.

Castaner beschrieb den genauen Tatort nicht näher und sagte lediglich, der Täter habe an drei verschiedenen Orten in der Stadt "Terror" verbreitet. Zwischen 20:00 und 21:00 Uhr habe er sich zweimal einen Schusswechsel mit Sicherheitskräften im Patrouilleneinsatz geliefert.

Täter von Soldaten verletzt?

Die Nachrichtenagentur AFP meldete unter Berufung auf die Polizei, der vermutlich radikalisierte Mann sei vor seiner Flucht von Soldaten verletzt worden. Laut dem Sender France Info entkam er mit einem Taxi, das er gestohlen hatte.

Weite Teile der Straßburger Innenstadt wurden von Dienstagabend an über Stunden abgeriegelt. Menschen wurden dazu aufgerufen, die Innenstadt in Richtung Norden zu verlassen und nicht in Richtung des südöstlich gelegenen Stadtteils Neudorf zu gehen. Dort war nach dem flüchtigen Tatverdächtigen gefahndet worden.

Die Polizei rief die Bürger dazu auf, Ruhe zu bewahren und den Anweisungen der Sicherheitskräfte zu folgen.

Frankreich im Ausnahmezustand

Die Regierung habe zusätzliche Kräfte mobilisiert, die auf dem Weg nach Straßburg seien, sagte Castaner. 350 Einsatzkräfte und mehrere Hubschrauber seien an der Fahndung beteiligt. Castaner selbst traf in der Nacht in Straßburg ein.

Der mutmaßliche Täter hätte einem Medienbericht zufolge eigentlich schon am Dienstagmorgen verhaftet werden sollen. Wie France Info unter Berufung auf Polizeiquellen berichtete, war er jedoch nicht zu Hause.

Demnach wird dem 29-Jährigen versuchter Mord vorgeworfen. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung Stunden vor den Schüssen sollen Granaten gefunden worden sein, wie France Info und die Zeitung "Le Parisien" berichteten.

Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron berief in Paris eine Krisensitzung ein. Er beriet sich am frühen Mittwochmorgen unter anderen mit Premierminister Édouard Philippe und Verteidigungsministerin Florence Parly. "Solidarität der gesamten Nation für Straßburg, unsere Opfer und ihre Familien", schrieb Macron auf Twitter.

Frankreich ist in den vergangenen Jahren immer wieder Ziel von islamistisch motivierten Terroranschlägen geworden, die fast 250 Menschen das Leben kosteten.

Auch diesmal übernahmen wieder Anti-Terror-Spezialisten der Pariser Staatsanwaltschaft die Ermittlungen. Die Untersuchung wurde unter anderem dem Inlandsgeheimdienst DGSI übergeben, wie Justizkreise der Deutschen Presse-Agentur in Paris bestätigten.

Weihnachtsmarkt und Schulen schlossen

Der Weihnachtsmarkt in Straßburg bleibt am Mittwoch geschlossen. Auch die kulturellen Einrichtungen der Stadt öffnen nicht, wie es in einer Mitteilung der Stadt hieß.

Der Unterricht sollte am Mittwoch an Grundschulen und Vorschulen ausgesetzt werden. Eltern wurde geraten, ihre Kinder zu Hause zu lassen, wie die Präfektur mitteilte. An weiterführenden Schulen und Hochschulen sollte der Unterricht stattfinden.

Auch das Europaparlament in Straßburg wurde zwischenzeitlich abgeriegelt. Über Stunden hinweg durfte niemand das Gebäude verlassen, Mitarbeiter wurden per Handy-Kurznachricht und Mail gewarnt. Erst am frühen Mittwochmorgen durften Abgeordnete und Mitarbeiter sich auf den Heimweg machen.

"Meine Gedanken sind bei den Opfern der Schießerei in Straßburg, die ich mit großer Entschiedenheit verurteile", schrieb EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker auf Twitter.

Straßburg sei eine symbolische Stadt für den Frieden und die europäische Demokratie. "Werte, die wir immer verteidigen werden." Die EU-Kommission stehe an der Seite Frankreichs.

Auch Deutschland ist erschüttert

Der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert äußerte sich auf Twitter "erschüttert über die schreckliche Nachricht" aus Straßburg.

"Welches Motiv auch immer hinter den Schüssen steckt: Wir trauern um die Getöteten und sind mit unseren Gedanken und Wünschen bei den Verletzten. Hoffentlich gerät niemand mehr in Gefahr."

Am deutsch-französischen Grenzübergang kontrollierte die Polizei am Abend Autos, die von Deutschland nach Frankreich fuhren, wie eine dpa-Reporterin berichtete. "Wir verstärken (...) aktuell die Kontrollen an der deutsch-französischen Grenze in diesem Bereich", teilte die Bundespolizei Baden-Württemberg auf Twitter mit.

Später twitterte sie, dass der Verkehr einer grenzüberschreitenden Straßenbahn eingestellt worden sei. "Sofern möglich vermeiden Sie bitte aktuell den Grenzübertritt im Bereich Kehl", hieß es weiter.

Zusammen mit dem Weihnachtsmarkt in Dresden zählt der Straßburger Weihnachtsmarkt zu den ältesten Europas. Der "Christkindelsmärik" wurde 1570 erstmals erwähnt.

Er sollte schon einmal Ziel eines Attentats sein: Im Jahr 2000 wurde ein geplanter Sprengstoffanschlag einer algerischen Gruppe rechtzeitig verhindert. (hau/szu/dpa, mit Material der AFP)

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