• Schon 2019 gab es Querelen um angebliche Rechts-Tendenzen im Deutschen Feuerwehrverband – die Auseinandersetzung führte zu heftigen Turbulenzen im Vorstand.
  • Neuen Grund für Unruhe lieferte im September der Landesverband Thüringen. Prominenter Redner auf der Gästelist der Verbandsversammlung: AfD-Rechtsaußen Björn Höcke.
  • Driften die deutschen Feuerwehren nach rechts?

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Vor einem Jahr, im November 2019, hatte Hartmut Ziebs, der damalige Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes (DFV) vor rechtsnationalen Tendenzen in den Feuerwehrverbänden gewarnt – unter anderem auch vor Versuchen der AfD, in der Organisation Fuß zu fassen.

Im September sorgte der Feuerwehrverband Thüringen für neuen Diskussionsstoff: Bei der Verbandsversammlung im Erfurter Kongresszentrum gab es ein Grußwort der AfD – vorgetragen von Björn Höcke, der nicht nur Fraktionsvorsitzender im Thüringer Landtag ist, sondern Gallionsfigur der vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften und mittlerweile offiziell aufgelösten "Flügel"-Gruppierung der AfD.

"Wir helfen jeder und jedem"

Rechtsradikale Tendenzen bei der Feuerwehr? Frank Hachemer, Verbandspräsident der Feuerwehr in Rheinland-Pfalz, Vizepräsident des DFV und studierter Historiker, wird grundsätzlich und kommt gleich auf den kürzlich began­ge­nen Jahrestag der Reichspogromnacht vom 10. November 1938 zu sprechen: "Was damals geschah, dass Gotteshäuser brannten und die Feuerwehr stand daneben und hat nicht gelöscht – das wird heute nicht passieren", betont er im Gespräch mit unserer Redaktion.

Schon wegen ihrer Aufgabe hätten in der Feuerwehr rechtsextreme Gedanken wie Fremdenfeindlichkeit nichts zu suchen: "Wir helfen jeder und jedem, egal, welches Geschlecht, welcher Herkunft, welcher politischen Einstellung."

Ein Statement, das David Begrich begrüßt: "Wer Führungsverantwortung hat, muss die Grundlagen der Werte klarmachen", rät der Bildungsreferent von der Arbeitsstelle Rechtsextremismus in Sachsen-Anhalt. Speziell bei Institutionen wie Feuerwehr, Polizei und Militär sieht der Soziologe ein erhöhtes Potenzial für rechte Gesinnung. Begrich spricht von einer "Gefahrengemeinschaft", deren Erfolg darauf basiere, "dass Befehle nicht diskutiert, sondern schnell befolgt werden".

Menschen mit rechtsextremem Weltbild fühlten sich in solchen Strukturen wohl: "Autorität, klare Hierarchien und die potenzielle Gefährlichkeit des Einsatzes – ein solches Umfeld genießt in diesen Kreisen hohe Wertschätzung."

Die Verbände sind mit der Nachwuchsarbeit überfordert

Frank Hachemer kennt dieses Argument. Auch an der These, dass Äußerlichkeiten wie Uniformen und Orden der Feuerwehren eine "faschistische Ästhetik" widerspiegeln, sei wohl "etwas dran". Die Ausbildung bei der Feuerwehr könne das Problem aber nicht auffangen, meint der Feuerwehr-Vize: "Wir bilden Fachleute aus, wir sind nicht wie die Bundeswehr darauf vorbereitet, Menschenführung zu lehren."

Das sehen auch andere Feuerwehrler so. Allerdings werde Hilfe bei der Problemlösung "regional sehr unterschiedlich angefordert", sagt Bildungsreferent Begrich, obwohl die Verbände damit überfordert seien, in ihrer Nachwuchsarbeit auch politische Bildung zu vermitteln.

Der Bundesverband mobile Beratung, dem die Arbeitsstelle Rechtsextremismus angehört, berät und schult Gruppenleiter auch der Feuerwehr. Problematisch werde es dort, sagt Begrich, "wo Corpsgeist und falsche Kameradschaft herrschen, wo Brauchtum nicht hinterfragt wird". Wenn etwa fragwürdige Trinksprüche zur "Alltagskultur" gehörten, sich aber niemand traue, daran Kritik zu üben, gerate der eigentliche Wertekanon der Institution ins Hintertreffen. Wenn rechtes Gedankengut virulent werde, wenn es nicht um jugendlichen Spaß an der Provokation, sondern um einen ausgesprochenen Gruppenkonsens handle, rät er der Führung, "klare Grenzen zu ziehen".

Denn eigentlich gehören Werte wie Empathie, Mitmenschlichkeit und Solidarität zur Grundaus­stattung von Organisationen wie der Feuerwehr. Und weil die Feuerwehren vielerorts zentraler Pfeiler von regionalem Brauchtum sind, tragen sie in Begrichs Augen auch große Verantwortung für das soziale und kulturelle Leben in den Dorfgemeinschaften.

"Das ist nur schwer hinnehmbar"

Höckes Einladung möchte Feuerwehr-Vizepräsident Hachemer trotz alledem differenziert bewertet wissen: Der Thüringer Verband habe nach seiner Information alle im Landtag vertretenen Parteien eingeladen – dass die AfD ausgerechnet Höcke schickt, habe man dort bis zuletzt nicht gewusst. Demnach, erklärt Hachemer, sei Höcke "nicht, wie suggeriert wird, gezielt eingeladen worden".

Trotzdem habe der Auftritt eines Politikers, den man laut Gerichtsbeschluss einen "Faschisten" nennen darf, "eine Qualität, wo man sagen muss, das ist nur schwer hinnehmbar". Wäre er selbst anwesend gewesen, meint Hachemer, hätte er sicher nicht den Saal verlassen, wie das nach dem Vorfall etwa der brandenburgische Vize-Verbandschef Frank Klier von sich sagt. "Solche Leuten", hält Hachemer dagegen, "würde ich den Saal nicht überlassen wollen".

Was der Thüringer Verband mit der Einladung des Rechtsextremisten habe sagen wollen, wisse er nicht, sagt der Soziologe Begrich. Allerdings sei – gewollt oder nicht – die Botschaft offenkundig: "Die Einladung sagt: Solche Leute sind willkommen, sie gehören zur Mitte der Gesellschaft."

Die Gefahr der Unterwanderung durch rechte Parteigänger sieht Vizepräsident Hachemer "definitiv": "Daher müssen wir das Phänomen nicht nur weiter beobachten, sondern mehr in die Ausbildung auf diesem Sektor investieren." Sein Landesverband setzt mittlerweile Ehrenamtslotsen ein, die in Problemfällen juristische und psychologische Beratung vermitteln.

Außerdem gibt es einen Extremismus­beauf­trag­ten, "der lange als Fachkraft in einer Bundesbehörde war, die sich mit der Bekämpfung rechtsradikaler Einflüsse beschäftigt". Er berät die Feuerwehr beim frühzeitigen Erkennen versteckter rechter Symbole und der Diagnose von Vorfällen sowie dem Umgang damit.

Über die Experten:
David Begrich ist Bildungsreferent bei der Arbeitsstelle Rechtsextremismus von Miteinander e.V., dem Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt.
Frank Hachemer ist Präsident des Landesfeuerwehrverbands Rheinland-Pfalz und Vizepräsident des Deutschen Feuerwehrverbandes (DFV). Im DFV-Präsidium ist er verantwortlich für Öffentlichkeitsarbeit und Vorbeugenden Brandschutz.

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Frank Hachemer, Vizepräsident des DFV
  • Gespräch mit David Begrich, Bildungsreferent
  • Website des Deutschen Feuerwehrverbands
  • Website des Thüringer Feuerwehrverbands
  • "Feuerwehr Magazin"
  • Instagram-Account von Björn Höcke
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