• Deutschland hatte zeitweise Corona-Impfungen mit dem Impfstoff von Astrazeneca ausgesetzt.
  • Grund für den Impfstopp ist ein möglicher Zusammenhang der Impfung mit Hirnvenenthrombosen.
  • Was ist eine Hirnvenenthrombose und wie entsteht sie?

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Es ist nur ein wenige Tage dauernder Stopp gewesen. Der Corona-Impfstoff von Astrazeneca kann in Deutschland nach einer wissenschaftlichen Überprüfung weiter gespritzt werden. Das Vakzin erhält jedoch einen neuen Warnhinweis zu möglichen Nebenwirkungen.

Ziel sei, dass Impfungen mit Astrazeneca schon an diesem Freitag wieder aufgenommen werden können, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Donnerstagabend nach einem Votum der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) und Beratungen mit den Ländern. Die EMA hatte zuvor die Sicherheit des Impfstoffes bekräftigt.

Es werde aber eine extra Warnung vor möglichen seltenen Fällen von Blutgerinnseln (Thrombosen) in Hirnvenen hinzugefügt, bemerkte Spahn. Wir erklären, was eine solche Hirnvenenthrombose ist und wie sie entsteht.

Hirnvenenthrombose: Nebenwirkung von Astrazeneca-Impfung?

Meldungen über seltene Hirnvenenthrombosen, die aufgrund der zeitlichen Nähe zu Impfungen mit dem Astrazeneca-Impfstoff einen Zusammenhang mit dem Impfstoff haben könnten, hatten zu der Entscheidung geführt, Impfungen mit dem Vakzin des britisch-schwedisch Herstellers auszusetzen.

Auf der Website des Paul-Ehrlich-Instituts hieß es am Montag: "In sieben Fällen wurde in zeitlichem Zusammenhang mit einer Impfung mit dem COVID-19-Impfstoff Astrazeneca eine spezielle Form von schwerwiegenden Hirnvenenthrombosen in Verbindung mit einem Mangel an Blutplättchen (Thrombozytopenie) und Blutungen festgestellt." Trotz insgesamt mehr als 1,6 Millionen Impfungen mit Astrazeneca sei dies überdurchschnittlich häufig.

Bei den betroffenen Personen wurde eine besondere Form von Hirnvenenthrombose diagnostiziert, eine Sinusvenenthrombose. Der Expertenrat des Paul-Ehrlich-Instituts habe ein Muster erkennen können. Ein Zusammenhang von Impfung und Erkrankung wird weiterhin untersucht.

Drei Todesfälle nach COVID-19-Impfung

Inzwischen gibt es in Deutschland 13 gemeldete Fälle von Hirnvenenthrombosen in zeitlichem Zusammenhang zu Impfungen mit dem Präparat, wie das Gesundheitsministerium am Donnerstag mitteilte. Insgesamt handele es sich um zwölf Frauen und einen Mann im Alter zwischen 20 und 63 Jahren.

Zu den schweren Zwischenfällen kam es nach 4 bis 16 Tagen nach der Impfung mit dem Impfstoff von Astrazeneca. Drei Patienten sind gestorben.

Was sind Thrombosen?

Die Blutgerinnung ist ein überlebenswichtiger Mechanismus, durch den sich kleinere Verletzungen innerhalb weniger Minuten schließen und so das Eindringen von Erregern und ein größerer Blutverlust verhindert wird.

Bei einer gestörten Blutgerinnung kann ein Blutgerinnsel (Thrombus) entstehen, das das Blutgefäß verengt oder verstopft. Löst sich ein venöser Thrombus und fließt über den Blutstrom etwa in die Lunge, droht eine lebensbedrohliche Lungenembolie. Bestimmte Risikofaktoren können dazu führen, dass sich Blutgerinnsel bilden.

Besonders häufig entstehen Thrombosen in den Beinvenen, die das Blut zum Herzen führen, da sich das Blut in den Beinen eher staut – etwa durch langes Sitzen auf Langstreckenflügen oder Autofahrten. Auch im Zusammenhang mit dem Coronavirus wurden vermehrt Blutgerinnungsstörungen bei COVID-Patienten beobachtet.

Sinusvenenthrombose: Thrombose im Gehirn

Eine besonders seltene Form der Thrombose ist die Sinusvenenthrombose im Gehirn. Bei der Sinusvenenthrombose handelt es sich eine seltene Erkrankung, bei der ein Blutgerinnsel Blutgefäße im Gehirn blockiert und der Blutfluss vom Hirn zum Herzen gestört wird. So kann es zu einer Blutstauung und einer damit einhergehenden Drucksteigerung kommen, zu Blutungen ins Hirngewebe oder zu einem Schlaganfall.

Im Zuge der Diskussion um mögliche Nebenwirkungen des Astrazeneca-Impfstoffs wabern verschiedene Begriffe durchs Netz: Sinusthrombose, Hirnvenenthrombose oder auch Sinusvenenthrombose. Diese verschiedenen Formen unterscheiden sich in ihrer Lokalisation im Gehirn:

  • Sinusthrombose – Verschluss venöser Blutleiter im Hirn
  • Hirnvenenthrombose – Verschluss von Hirnvenen
  • Sinusvenenthrombose – kombinierter Verschluss von Venen und venösen Blutleitern (Sinus)

Etwa 1 Prozent aller Schlaganfälle gehen auf eine Sinusvenenthrombose zurück. Frauen sind dreimal häufiger betroffen als Männer. Erwachsene erkranken oft im Alter zwischen 30 und 40 Jahren.

Ursachen für eine Hirnvenenthrombose oder Sinusthrombose

Ein Greifswalder Wissenschaftler hält nach Angaben der Universitätsmedizin Greifswald (UMG) - wie auch andere Forscher weltweit - einen bestimmten Mechanismus für die Ursache der möglichen Thrombose-Fälle nach einer Astrazeneca-Impfung. Laut des Leiters der Abteilung Transfusionsmedizin der Universitätsmedizin Greifswald, Andreas Greinacher, sind über die Immunantwort des Körpers die Blutplättchen aktiviert worden, was wiederum zu den schwerwiegenden Hirnvenenthrombosen mit Blutplättchenmangel führen könnte.

Generell gibt es verschiedene Ursachen für eine Thrombose im Hirn. Dabei wird zwischen erworbenen und genetischen Risikofaktoren unterschieden. Erworbene Risikofaktoren sind beispielsweise:

  • Alter
  • hormonelle Veränderungen, etwa durch Einnahme der Anti-Baby-Pille, Hormonersatztherapien oder Schwangerschaft
  • Übergewicht
  • Rauchen
  • Niedriger Blutdruck durch Bewegungsmangel
  • Krebserkrankungen

Auch Infektionen, zum Beispiel eitrige Nasennebenhöhlenentzündungen, können zu der Erkrankung führen. Dann spricht man von einer septischen Sinus- oder Hirnvenenthrombose. Erkrankungen oder genetisch bedingte Störungen, die mit einer gesteigerten Blutgerinnung einhergehen, spielen ebenfalls eine Rolle.

Mögliche Symptome für eine Sinusvenenthrombose

Steigt das Blutvolumen im Kopf, kommt es zu erhöhtem Hirndruck. Dadurch können starke Kopfschmerzen auftreten. Allerdings warnen Mediziner davor, bei jedem Kopfschmerz in Panik zu geraten. Weitere mögliche Symptome, die häufig parallel zu starken Kopfschmerzen auftreten, sind:

  • epileptische Anfälle
  • neurologische Ausfälle
  • Sehstörungen
  • Bewusstseinsstörungen
  • Koma

Behandlung von Hirnvenenthrombose und Sinusvenenthrombose

Vorsorgeuntersuchungen werden aufgrund der Seltenheit von Sinusvenenthrombosen und wegen des komplizierten Diagnoseverfahrens nicht durchgeführt. Erhärtet sich der Verdacht auf die seltene Erkrankung nach erfolgter Blutuntersuchung, können die Blutgefäße im Hirn mittels bildgebender Verfahren wie Kernspintomografie dargestellt werden.

Zur Behandlung von Hirnthrombosen wird der Gerinnungshemmer Heparin verabreicht, um das Gerinnsel abzubauen. Zur symptomatischen Behandlung von Begleiterscheinungen wie Kopfschmerzen, epileptischen Anfällen oder zum Senken des Hirndrucks werden entsprechende Medikamente verordnet. Bei einer septischen Thrombose kommen Antibiotika zum Einsatz, die den Entzündungsherd eliminieren sollen.

Ein Großteil der Patienten kann erfolgreich behandelt werden. In seltenen Fällen kann es auch zu Behinderungen oder einem tödlichen Verlauf kommen.

Hinweis: Der Artikel wurde am 19. März nach der Rücknahme des Impfstopps von Astrazeneca und den Erkenntnissen der Universitätsmedizin Greifswald zur möglichen Ursache der Hirnvenenthrombosen aktualisiert.

Verwendete Quellen:

  • Aerzteblatt.de: "Thrombosefälle nach Astrazeneca-Impfung: Impfstopp ist umstritten"
  • Ambos.com: "Zerebrale Sinus- und Venenthrombose"
  • Frontiersin.org: "Hormonal contraceptives and cerebral venous thrombosis risk: a systematic review and meta-analysis"
  • Neurologienetz.de: "Zerebrale Sinus- und Venenthrombose"
  • Website des Helios Klinikums Erfurt: "Hirnvenenthrombosen – was Sie wissen sollten"
  • Meldungen der Deutschen Presse-Agentur
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