Bill Gates hat ein Pandemie-Szenario skizziert, wonach binnen eines halben Jahres mehr als 30 Millionen Menschen sterben könnten. Er sieht weltweite Krankheitsausbrüche als die "aktuell größte Bedrohung der Menschheit" und warnt, die USA seien nicht gut für einen solchen Fall gerüstet. Doch wie sieht es in Deutschland aus?

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Das Horror-Szenario, das Microsoft-Gründer und Multimilliardär Bill Gates bei einer Veranstaltung der Massachusetts Medial Society vorstellte, geht von einem hoch ansteckenden und durch die Luft übertragenen tödlichen Erreger aus.

Wenn sich ein solcher Erreger heutzutage verbreiten würde, so Gates, könnten innerhalb kurzer Zeit bis zu 33 Millionen Menschen sterben.

Die Simulation der Pandemie stammt vom Institute of Disease Modeling (IDM), einer Einrichtung der Initiative "Global Good", die von Gates und dem Patentverwalter Intellectual Ventures ins Leben gerufen wurde.

Gates wirbt damit unter anderem für die Entwicklung eines universellen Grippe-Impfstoffs.

Verheerende Pandemien in der Vergangenheit

Bei dem Begriff Pandemie denken viele sofort an die Spanische Grippe, durch die 1918 bis 1920 zwischen 20 und 50 Millionen Menschen starben.

Eine Krankheitswelle mit so vielen Todesfällen hat es seitdem nicht mehr gegeben. Zwei weitere Influenza-Wellen erreichten aber ebenfalls ein schlimmes Ausmaß: 1957/58 die sogenannte Asiatische Grippe und 1968 bis 1970 die Hongkong-Grippe mit jeweils mindestens einer Million Toten.

Auch in diesem Jahrhundert gab es bereits eine gravierende Pandemie: 2009/10 kostete die Schweinegrippe weltweit mindestens 15.000 Menschen das Leben.

"Es ist nicht die Frage, ob das nächste neue Influenza-Virus kommt, sondern nur wann", sagte Susanne Glasmacher vom Robert Koch-Institut (RKI) dazu im Gespräch mit unserer Redaktion.

Simulationen wie die des IDM sieht die Biologin zwar skeptisch, weil viele Variablen den Verlauf einer Pandemie - also einer weltweiten Epidemie - in die eine oder andere Richtung beeinflussen könnten.

Die generelle Gefahr einer Pandemie, sagt sie, bestehe aber - durch neue Influenza-Viren und durch bislang unbekannte andere Viren.

Fast jedes Jahr, so Glasmacher, werde irgendwo ein neuartiger, potenziell gefährlicher Erreger entdeckt. Denn gegen unbekannte Viren kann sich das menschliche Immunsystem erst einmal schlecht wehren, sie richten also am meisten Schaden an. Außerdem gibt es gegen sie anfangs noch keine Impfstoffe.

Wichtig: Sofortige Isolation und Quarantäne

Ein Beispiel für ein solches unbekanntes Virus war 2002/03 der Ausbruch von SARS (Schweres akutes respiratorisches Syndrom) in Asien.

Wie bei der Schweine- (H1N1) und der Vogelgrippe (H5N1) schaffte auch dieses Virus den Sprung vom Tier zum Menschen; es ist allerdings leichter von Mensch zu Mensch übertragbar und die Erkrankung verläuft häufiger schwer.

"Bei einem solchen Ausbruch helfen nur Isolation der Erkrankten und Quarantäne derjenigen, die sich angesteckt haben könnten", so Glasmacher.

Denn bis ein Impfstoff entwickelt ist, dauert es im besten Fall einige Monate. Und so schnell geht es auch nur, wenn der Ausbruch von einem Influenza-Virus verursacht wird und dafür ein Impfstoff vorbereitet wurde.

Also eigentlich viel Zeit für ein Virus, sich zu verbreiten. Die Mobilität vieler Menschen heutzutage tut ihr Übriges. Die Schweinegrippe kam zum Beispiel aus Amerika nach Europa und verlief vor allem in Spanien und Großbritannien schwerwiegend.

Dass sie in Deutschland moderater ausfiel, als viele vorhergesagt hatten, liegt laut Glasmacher auch an einem guten Notfallmanagement:

"Das RKI hat die Zahl der Erkrankungen kontinuierlich überwacht, die Gesundheitsämter haben überprüft, mit wem die Kranken Kontakt hatten. So konnte die Ausbreitung so lange eingedämmt werden, bis ein Impfstoff hergestellt war."

Nationaler Pandemieplan soll helfen

Seit 2003 gibt es in Deutschland ein Netzwerk von Kompetenz- und Behandlungszentren, die als ständiger Arbeitskreis (Stakob) zusammenarbeiten und sich ausschließlich um hoch pathogene, also hoch ansteckende Krankheitserreger kümmern.

In den Behandlungszentren gibt es sogenannte Sonderisolierstationen, in denen Patienten, die sich mit einem gefährlichen Virus infiziert haben, behandelt werden.

Derzeit gibt es in Deutschland sieben solcher Stationen. Im Fall von SARS hat das System funktioniert: Ein Patient auf der Durchreise wurde in Frankfurt am Main ins Krankenhaus auf eine Isolierstation gebracht, so gab es hierzulande keine weiteren weiteren SARS-Ansteckungen.

Dass eine Pandemie nicht immer glimpflich verlaufen muss, wissen aber natürlich auch Politiker, Gesundheitsämter, Ärzte und Wissenschaftler. Deswegen haben sie vor einigen Jahren für Deutschland einen Nationalen Pandemieplan erstellt.

Er wurde 2005 veröffentlicht und basiert auf Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Darin ist zum Beispiel festgelegt:

  • Dass Impfstoffe im Pandemiefall schneller zugelassen werden können
  • Dass mit Aushängen und Infoblättern in öffentlichen Gebäuden und Verkehrsmitteln darüber informiert werden muss, wie man sich vor einer Infektion schützt
  • Dass Kindergärten und Schulen geschlossen und Konzerte oder andere Veranstaltungen, bei denen sich viele Menschen treffen, abgesagt werden können
  • Dass Krankenhäuser dafür zu sorgen haben, dass im Notfall Betten "freigelenkt", also freigemacht, werden können

Wie leistungsfähig das System ist, werde sich, so Susanne Glasmacher, letztlich im Ernstfall erweisen müssen. Sie sieht Deutschland aber gut aufgestellt - auch für den Fall, dass die Gefahr nicht direkt aus der Natur kommt, sondern von Terroristen.

Gefahr durch Bioterrorismus

Denn Viren können rekonstruiert, modifiziert und verbreitet werden – auch von Kriminellen. Zu den Erregern und Toxinen, die für bioterroristische Zwecke missbraucht werden könnten, zählen unter anderem Pocken. Pockenviren seien relativ einfach in großen Mengen zu produzieren, schreibt das RKI.

Zudem haben immer weniger Menschen einen Impfschutz, weil die Krankheit als ausgerottet gilt. Deutschland hat aber seit einigen Jahren wieder einen Impfstoffvorrat.

Am wirksamsten wäre es natürlich, einen universellen Impfstoff zu entwickeln, wie ihn sich auch Bill Gates vorstellt.

Denkbar ist das. Aber bis es so weit ist, dürften noch Jahre vergehen - zumal das Interesse der Impfstoffhersteller an einer "Breitbandimpfung" begrenzt sein dürfte.

Mit einzelnen Impfungen lässt sich im Zweifel einfach mehr Geld verdienen.

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