• Die Grippewelle ist in Deutschland bislang ausgeblieben.
  • Den weiteren Verlauf der Influenzasaison können Expertinnen und Experten jedoch nicht verlässlich vorhersagen.
  • Grippeschutzimpfungen können daher auch jetzt noch sinnvoll sein.

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Nach dem Ausfall der Grippewelle im Winter 2020/21 sind die Influenzaviren jetzt zurück. Seit Mitte Dezember steigen die Zahlen der Infizierten in Europa und Experten und Expertinnen befürchten, dass es in Kliniken und Praxen zu einer Doppelbelastung durch Corona und Grippe kommen könnte.

Vor der Pandemie forderte die Influenza laut Angaben der EU-Seuchenschutzbehörde European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) jeden Winter bis zu 650.000 Todesopfer weltweit, im letzten Jahr hatte sich das Grippevirus aufgrund von Lockdowns und AHA-Regeln deutlich weniger verbreitet.

Grippewelle noch nicht in Deutschland angekommen

In Europa hat die Grippesaison laut aktuellem Bericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) Anfang Dezember begonnen. In der ersten Woche des Jahres 2022 lag die Influenza-Positivenrate mit fünf Prozent jedoch unter dem regionalen Schwellenwert von zehn Prozent. Lediglich sechs europäische Länder meldeten erhöhte Raten, darunter Frankreich mit 16 Prozent. In Deutschland hingegen ist die Grippewelle bislang ausgeblieben (Stand: Ende Januar.).

"Das bisherige Niveau an labordiagnostisch bestätigten Influenza-Fällen liegt über dem des vergangenen Winters, aber niedriger als in den Saisons vor der Pandemie", erklärt Biologin Susanne Glasmacher vom RKI. "Bislang sind die wissenschaftlichen Kriterien für den Beginn der Grippewelle in Deutschland noch nicht erfüllt."

Für die dritte Woche im Jahr 2022 wurden an das Robert-Koch-Institut 239 labordiagnostisch bestätigte Influenzafälle übermittelt, zwanzig Prozent der Betroffenen mussten im Krankenhaus behandelt werden. Die Zahl der gemeldeten Grippefälle in der aktuellen Saison stieg damit auf 1.255. Diese Werte sind laut RKI im Vergleich mit den letzten fünf Jahren vor Corona sehr niedrig, es wurden jedoch deutlich mehr Fälle als im Vorjahr übermittelt. Ein Grund dafür könnten die im Vergleich zum letzten Winter deutlich lockereren Regeln zum Schutz vor einer Coronainfektion sein.

Ob sich der Erreger in den nächsten Wochen verstärkt ausbreiten wird, ist unklar. "Der weitere Verlauf der Influenzasaison kann generell nicht prognostiziert werden", betont Susanne Glasmacher. Die nächsten Wochen werden zeigen, ob die diesjährige Grippewelle besonders stark sein wird und ob beziehungsweise wann in Deutschland ein "Peak" erreichen wird.

Grippeviren gefährlich für ältere Menschen

Influenzaviren mutieren ständig, sodass die Impfstoffe jährlich angepasst werden müssen. "Derzeit zirkuliert hauptsächlich der Virustyp H3N2", sagt Susanne Glasmacher vom RKI. "Bei Grippewellen, in denen Influenza-H3N2-Viren dominierten, waren in der Vergangenheit besonders ältere und hochbetagte Menschen von schweren Krankheitsverläufen betroffen, beispielsweise in der Saison 2016/17."

Eine Besonderheit in diesem Jahr liegt darin, dass ein Großteil der Bevölkerung durch die ausgefallene Grippesaison im letzten Jahr nicht durch eine Infektion "geboostert" wurde. Auch viele Kinder seien in Zeiten der Corona-Pandemie noch nicht mit dem Grippevirus in Kontakt gekommen. Vielen Menschen fehlt daher der natürliche Schutz vor einer Grippeinfektion. Auf der anderen Seite hemmen Abstands- und Hygieneregeln sowie das Tragen von Masken auch in diesem Jahr die Übertragung sowohl des Corona- als auch des Grippevirus.

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Impfung jetzt noch möglich

Wie gut der diesjährige Grippeimpfstoff hilft und ob die Anpassung an die aktuellen Grippeviren ausreichend ist, lässt sich dem RKI zufolge noch nicht sagen. Belastbare Daten seien erst im Verlauf beziehungsweise nach einer Grippewelle verfügbar. "Die Impfstoffe werden wie jedes Jahr immer nach den Subtypen des Vorjahres entwickelt", betont Anke Richter-Scheer, erste Vorsitzende des Hausärzteverbandes Westfalen-Lippe. "Damit sollten sie ausreichen, insbesondere da wir ja seit wenigen Jahren den tetravalenten Impfstoff verimpfen, der noch wirksamer ist."

Seit Jahren tritt die Influenza verstärkt im Januar und Februar auf. "Das ist der Grund dafür, dass wir empfehlen, sich nicht vor Oktober gegen Influenza impfen zu lassen, damit der Impfschutz zu Beginn des Frühjahres noch stark genug ist", erklärt Anke Richter-Scheer. Insbesondere ältere Menschen und Personen mit bestimmten chronischen Erkrankungen haben ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf der Influenza. Da die Grippesaison in der Regel bis Mitte Mai anhält, kann Experten zufolge eine Schutzimpfung auch jetzt noch sinnvoll sein.

Verwendete Quellen:

  • Interview mit Fr. Susanne Glasmacher, Biologin und Pressesprecherin des RKI.
  • Schriftliche Anfrage an Fr. Anke Richter-Scheer, erste Vorsitzende des Hausärzteverbandes Westfalen-Lippe.
  • RKI – Arbeitsgemeinschaftt Influenza. "ARE-Wochenbericht für die Kalenderwoche 3".
  • European Center for Disease Prevention and Control: "This winter’s flu season epidemic has started – what we know so far and what needs to be done to control it".
  • Paul-Ehrlich-Institut: "Grippeschutzimfpung – auch jetzt noch möglich".
  • Ärzteblatt. "Zu früh für Entwarnung in Grippesaison".
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