Ein Kinofilm über den WM-Titel? Das kann doch nur gut werden, oder? Doch statt spannender Dialoge und privater Einblicke in das Leben im Campo Bahia zeigt "Die Mannschaft" lieber Tischtennisspiele in Zeitlupe. Anschauen kann man sich den WM-Film trotzdem - auch weil er gegenüber "Deutschland. Ein Sommermärchen" einen ganz entscheidenden Vorteil hat.

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Am nächsten ist man den Weltmeistern erst ganz zum Schluss. Wenn Per Mertesacker und Shkodran Mustafi so tanzen, als würde ihnen wirklich niemand zusehen; wenn bei der Busfahrt zum Flughafen Thomas Müller plötzlich eine perfekte Jogi-Löw-Imitation hinlegt; und wenn ein Blick in die glasigen Augen der Fußballer genügt, um zu wissen: Nüchtern ist hier keiner mehr. Außer Philipp Lahm vielleicht.

Es gibt nur wenige Szenen in dem neuen WM-Film "Die Mannschaft", bei denen man das Gefühl hat, sie noch nicht zu kennen. Man sieht Jogi Löw am Strand joggen, Bilder vom Training, Spieler, die am Pool liegen und in ihre Handys starren, und Lukas Podolski, wie er einen Reporter ins Wasser wirft. Diese Bilder hat man bereits in den unzähligen Hintergrundberichten von ARD und ZDF gesehen, die den Zuschauern während der WM 2014 in Brasilien nur so um die Ohren flogen. Der einzige Unterschied: Dieses Mal werden die Bilder nicht von Katrin Müller-Hohenstein kommentiert.

Bierhoff klingt wie ein Werbevertreter

Auch die Einzelinterviews bieten kaum zusätzlichen Einblick. Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff, der gefühlt am häufigsten zu Wort kommt, klingt wie ein Werbevertreter, wenn er zum hundertsten Mal die Vorzüge des Campo Bahia lobt. Auch die Spieler, die zu Wort kommen, wiederholen nur, was man bereits weiß: Die Stimmung war super. Müllers Stolper-Freistoßtrick war eingeübt. Christoph Kramer kann sich an das Finale nicht mehr erinnern.

Leider vergibt der Film die Chance, den Fans die Nationalspieler als Menschen näherzubringen. Sie kommen kaum zu Wort. Die Szenen, in denen man sie lachen und frotzeln sieht, sind meistens von Musik überlagert. Was gesprochen, worüber gelacht wird, das erfährt der Zuschauer nicht. Stattdessen sieht man die späteren Weltmeister in Adiletten über das Gelände laufen, stets brav in die vorgeschriebene Einheitskleidung gewandet. Das ist nicht besonders aufregend.

Die Spieler sind zu brav

Vielleicht liegt es auch ein bisschen an dieser Spielergeneration, dass der Film seine Längen hat. Thomas Müller gibt zwar noch manchmal den bajuwarischen Gaudibursch, doch sonst tanzt kein anderer Spieler auch nur annähernd aus der Reihe. Die Lahms und Schürrles sind wohl einfach zu brav. Sie erzeugen keine Reibung. Sie haben sich alle lieb. Christoph Kramer wird für die sehr schräge Darbietung von Ronan Keatings Klassiker "When you say nothing at all" nicht einmal ein bisschen aufgezogen. Stattdessen singt unter dem Sternenhimmel die ganze Mannschaft mit. Und sogar die Brasilianer finden die deutsche Nationalmannschaft - trotz 7:1 - total supi. Große Kinomomente sehen anders aus.

Da hilft es auch nicht, dass die Filmemacher fast krampfhaft versuchen, Spannung in Szenen zu erzeugen, in denen rein gar nichts passiert. Spieler beim Tischtennis - Zeitlupe. Fahnen wehen im Wind - Zeitlupe. Es wird trainiert - Zeitlupe. Dazu wummert basslastige Musik. Als Zuschauer versucht man zwanghaft, einen tieferen Sinn hinter diesen Szenen zu entdecken, nur um dann enttäuscht festzustellen: Es gibt ihn nicht.

Vielleicht liegt die Abwesenheit von Spannung aber auch daran, dass "Die Mannschaft" ein offizieller Fifa-Film ist. Wie Lukas Podolski auf der Premierenfeier verriet: "Es hätte Stoff für zwei Filme gegeben. Aber die Fifa hat wohl einiges rausgestrichen." Vermutlich also alle Szenen, in denen das Logo eines Nicht-Fifa-Sponsors zu sehen war.

Sollte man ins Kino gehen?

Den Film kann man sich selbstverständlich trotzdem anschauen. Allein des Weltmeistergefühls wegen. "Die Mannschaft" ist eine nette Erinnerung an einen für deutsche Fußballfans großartigen Sommer. In ein paar Jahren wird man sich vor allem über den Zusammenschnitt der wichtigsten Spielszenen und Tore freuen. "Die Mannschaft" hat zudem einen ganz entscheidenden Vorteil gegenüber "Deutschland. Ein Sommermärchen", dem Film von 2006: Dieses Mal steht am Ende der Titel. Und das ist doch das Wichtigste.

"Die Mannschaft" kommt am 13.11.2014 in die deutschen Kinos.
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