Frank Plasberg und die Angst, Teil 2: Nachdem die Angst angesichts der Flüchtlingslage bereits in der vergangenen Woche Thema bei "Hart aber fair" war, folgte gestern Abend nun der Angst-Bürgercheck. Was nach Sammeln von Tresen-Thesen klingt, entpuppte sich aber als wirklich interessante Sendung, die mit einigen Vorurteilen aufräumte.

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Es ist vielleicht nur noch schwieriger, einen Fan des FC Bayern München in einer Dortmunder Kneipe zu finden, als eine Polittalkshow, der man erstens als Zuschauer gerne folgt, weil sie zweitens wirklich erkenntnisreich ist. In der man sich angesichts des ständigen Dazwischen-Redens und des parteipolitischen Geplänkels nicht dauernd die Ohren zuhalten möchte. Am Montagabend konnte man mit "Hart aber fair" ein solch seltenes Schauspiel in freier Fernsehwildbahn erleben. Wie konnte es dazu kommen?

Die Ausgangslage:

Angst ist offenbar ein Thema, das Frank Plasberg am Herzen liegt. Bereits in der vergangenen Woche begann er seine "Hart, aber fair"-Runde in einer Atmosphäre der Angst. Und auch den gestrigen Abend begann Plasberg wieder mit dem Thema Angst und zitierte SPD-Chef Sigmar Gabriel: "Man muss über Ängste offen reden und man darf auch nicht ein Bild entstehen lassen, dass man in Deutschland stigmatisiert wird, wenn man Angst hat". Plasberg wundert sich, dass man diesen Satz braucht, hat aber gleich eine Erklärung dafür: "Für Bedenken und Ängste ist in der deutschen Willkommenskultur kein Platz." Worauf er diese Behauptung stützt, verrät der Moderator zwar nicht, will aber dennoch an diesem Abend den Bürgercheck mit den Ängsten und Sorgen der Zuschauer machen.

Wer waren die Gäste?

Thomas Strobl. Der stellvertretende Partei- und Fraktionschef der CDU machte einen sehr besonnenen und pragmatischen Eindruck und lieferte den Anstoß zur grundsätzlichen Erkenntnis des Abends.

Roland Tichy. Der Wirtschaftsjournalist ist der Meinung, dass die Regierung die Kontrolle in der Flüchtlingspolitik verloren hat. Er blieb in seiner Argumentation bei mehreren Thesen die Erklärung schuldig, wie zum Beispiel bei der Behauptung des Asylmissbrauchs.

Katrin Göring-Eckardt. Die Fraktionschefin der Grünen lobte die Hilfsbereitschaft der Deutschen, ohne zu verschweigen, dass es auch zu Problemen kommen kann. Die Politik, so Göring-Eckardt, habe in der Vergangenheit Vieles verschlafen, aber die Probleme seien lösbar.

Eyüp Yildiz. Der stellvertretende Bürgermeister von Dinslaken sieht das Problem nicht bei den Flüchtlingen, sondern bei der Politik. Der Bund lasse nämlich die Kommunen im Stich. Er betonte unablässig, dass der Druck nicht nach unten, sondern nach oben weitergegeben werde müsse.

Uwe Hück. Er war der Pragmatiker in der Runde. Der Betriebsratsvorsitzende von Porsche kennt keine Angst vor den Flüchtlingen, wohl aber die Chancen, die mit ihnen ins Land kommen, denn wir brauchen diese Menschen. Die Schuld für manch angespannte Situation liegt auch laut Hück nicht bei den Flüchtlingen, sondern in den Versäumnissen der Politik.

Was war das Duell des Abends?

Angesichts der Qualität der gestrigen Sendung mag es oberflächlich sein, diesen Abend auf ein einziges Duell zu reduzieren. Aber als sich Roland Tichy und Eyüp Yildiz wegen der Systemfrage ordentlich in die Haare bekamen, hatte die Schimpferei der beiden - bei der viel im Wortgefecht unterging - nicht nur emotionalen Charakter. Es ging um nichts Geringeres als die Frage, in was für einem Land, mit welcher Vorstellung von einem guten Leben wir eigentlich leben wollen. Tichy ging dieses Wortgefecht im Übrigen so nahe, dass er nach der Sendung auf seinem Twitter-Profil noch weiter über Yildiz wetterte.

Welches war die Erkenntnis des Abends?

Es war nur ein kleiner Satz, aber er fasste die zentrale Erkenntnis der gestrigen Sendung doch ganz gut zusammen: "Dann ist in dieser Krise vielleicht auch eine Chance." Gesagt hat ihn Thomas Strobl, stellvertretender Partei- und Fraktionschef der CDU, auf die Frage, wie man bezahlbaren Wohnraum für Flüchtlinge, aber auch für bereits hier lebende Menschen schaffen kann. Für Strobl war dieser Satz vielleicht nur in Bezug auf eine ganz praktische Lösung gemünzt, aber er gibt der ganzen Debatte um Angst und Flüchtlinge eine neue Sichtweise.

Zuvor brachte Frank Plasberg nämlich mit einigen ausgewählten Stimmen die Ängste mancher Bürger in die Runde: Wie ist es mit dem ohnehin mancherorts knappen Wohnraum? Wird es Verteilungskämpfe um Wohnungen, Arbeitsplätze und Sozialleistungen geben? Wieso werden Sporthallen für Flüchtlinge genutzt? Die Runde war sich einig, dass es angesichts der ankommenden Flüchtlinge in der Tat einige Probleme gibt - oder geben kann.

Die Runde war sich aber auch weitgehend einig, dass die Schuld an der Lage nicht bei den Flüchtlingen zu suchen ist, sondern dass diese die Probleme, die es schon lange gibt, nur sichtbar machen. Wenn beispielsweise Flüchtlinge in Turnhallen untergebracht werden und deshalb Sportunterricht ausfällt, dann hat zum einen die Politik im Vorfeld bei den Unterkünften gepennt. Zum anderen fällt der Unterricht oft genug nicht wegen der belegten Turnhallen aus, sondern weil es zu wenig Lehrer gibt und zu wenig in Schulen investiert wurde.

Wenn Wohnraum fehle, dann nicht wegen der Flüchtlinge, wie Yildiz beschrieb, sondern weil der soziale Wohnungsbau von ehemals über vier Millionen Sozialwohnungen auf 1,5 Millionen zurückgefahren wurde. In Bezug auf den Arbeitsmarkt brachte es Uwe Hück auf den Punkt: "Wer die Flüchtlinge ablehnt, gefährdet unseren Wohlstand. Wir brauchen ihre Arbeitskraft." Für Göring-Eckardt ist zudem die Antwort auf soziale Verteilungskämpfe klar: "Es darf kein 'entweder, oder' geben, sondern nur ein 'und'." Kurzum, Deutschland hat einige Probleme - aber nicht wegen der Flüchtlinge.

Wie schlug sich Frank Plasberg?

Geht so. Es ist nun mal ein bisschen Plasbergs Art, gerade bei interessanten Beiträgen seinen Gästen das Wort abzuschneiden. Stattdessen werden dann vermeintlich brisante Zitate und Einzelmeinungen eingeblendet, auf welche die Gäste dann reagieren sollen. Das bringt die Sendung in den wenigsten Fällen nach vorne, hielt sich aber gestern in Grenzen.

Fazit der Sendung:

Eine überaus gelungene Sendung mit viel Licht und wenig Schatten. Es war aus verschiedenen Gründen gut, an prominenter Stelle über die aktuelle Flüchtlingslage und die eventuell damit verbundenen Ängste gesprochen zu haben. Zum einen, um einmal die Fakten zu klären und die wirklichen Probleme zu benennen. Zum anderen, damit niemand mehr behaupten kann, Ängste würden nicht wahrgenommen. Und zu guter Letzt, um nun angstfrei die Ärmel hochzukrempeln und die Baustellen im Land anzugehen. Oder wie es Uwe Hück ausdrückte: "Lasst uns mal nicht diskutieren, wie es nicht geht, sondern lasst uns diskutieren, wie es geht!"

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