• Der Weltklimarat warnt in seinem jüngsten Sachstandbericht erstmals vor der Bräunung von Gewässern.
  • Sie erschwert nicht nur die Trinkwasserversorgung und führt zu einem erhöhten CO2-Ausstoß, sondern trägt lokal sogar zum Artensterben bei.

Mehr Themen zur Klimakrise finden Sie hier

Im Zuge der Erderwärmung werden Flüsse und Seen brauner, weil in ihnen mehr organisches Material und Mikroorganismen entstehen. Diesen Vorgang beobachteten Forscher zuerst in kaltgemäßigten Klimazonen, die von der Erderwärmung stärker betroffen sind als gemäßigte Klimazonen. Wenn Gewässer sich braun verfärben, können dort lebende Tiere sterben, außerdem wird das Trinkwasser ungenießbar.

Das Phänomen der Bräunung von Gewässern ist inzwischen so weit verbreitet, dass es 2022 in den Sachstandsbericht der Arbeitsgruppe II des Weltklimarats aufgenommen wurde. Es kann dem Klimawandel als Ursache eindeutig zugeordnet werden. Im Bericht wird eine Studie von Gesa Weyhenmeyer von 2016 prominent erwähnt.

Viele Gewässer in Deutschland sind von klimabedingter Bräunung betroffen

Die deutsch-schwedische Erdsystem-Wissenschaftlerin gehört zu den ersten Forschenden, die dieses Phänomen mit den Klimaveränderungen in Verbindung gebracht haben. Sie erklärt: "Gebiete, in denen es wärmer, aber dabei nicht trockener wird, zählen zu den Risikogebieten." Viele Gebiete in Schweden, aber auch in Deutschland sind betroffen.

Schreitet der Klimawandel voran, ist mit einer weiteren Bräunung zu rechnen, warnt Weyhenmeyer: "Ob und wie stark sich ein Gewässer verfärbt, ist von der Landnutzung, Lufttemperatur und dem Niederschlag abhängig."

Oberflächengewässer werden tendenziell brauner, wenn Starkregen gehäuft auftritt

Nadelwälder und vor allem Moore begünstigen den Prozess, erklärt Mark Gessner vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und der TU Berlin. Da sich dort organische Substanzen im Vergleich zu Laubstreu langsamer abbauen, akkumulieren sie sich stärker.

Besonders bei Starkregen, der im Zuge des Klimawandels häufiger stattfindet, waschen sie stärker aus den Böden aus und gelangen so in die Oberflächengewässer. Gessner: "Wir können davon ausgehen, dass Oberflächengewässer tendenziell brauner werden, wenn Starkregenereignisse häufiger auftreten."

Das Institut für Geoökologie in Braunschweig hat sich die Gewässer im Harz genauer angesehen. Mit Blick auf die erhobenen Daten stellt auch Harald Biester, der dort das Institut für Umweltgeochemie leitet, fest: "Flüsse vor allem in den Waldgebieten der Mittelgebirge werden zunehmend verbräunen." Grund seien auch hier in erster Linie die häufigeren Starkregenereignisse.

Braunes Wasser aus dem Wasserhahn: Wasserwirtschaft kann nicht einfach Chlor einsetzen

In Deutschland muss sich die Wasserwirtschaft auf die zunehmende Bräunung von Oberflächengewässern einstellen, auch wenn man diese vor allem aus Skandinavien und Kanada kennt. "Braunes Wasser aus dem Wasserhahn wird nicht sehr geschätzt – obwohl die Farbe an sich zunächst kein gesundheitliches Problem darstellt", sagt Gessner.

"Es ist ein Abwägen, ab welchen Konzentrationen man eine teure Extrabehandlung macht", sagt Weyhenmeyer. Wenn aber das Wasser mit den braunen Inhaltsstoffen mit Chlor behandelt wird, können chlororganische Verbindungen entstehen. Gessner: "Die schmecken fürchterlich und haben sicher auch ein gesundheitsgefährdendes Potenzial."

Verfärbtes Wasser kann zum Aussterben von Tierarten beitragen

Skandinavische Wissenschaftler stellten in den letzten Jahren zudem fest, dass die durch den Klimawandel verursachte Bräunung auch weitreichende Folgen auf das Ökosystem von Flüssen, Seen und Auen hat: Das Wasser wird durch die Verfärbung immer wärmer, weil es die Sonnenstrahlen absorbiert, anstatt sie zu reflektieren. Für die Tierwelt hat das Folgen. Habitate verändern sich. Lokal kann das zum Aussterben von Tierarten beitragen.

Stark betroffen sind alle Organismen, die Licht brauchen, erklärt Gesa Weyhenmeyer. Das Licht in braunem Wasser ist nämlich deutlich schwächer. Wenn sich damit die Wasserschichtung verstärkt, kann das zu Sauerstoffmangel in den Gewässern führen. Hauptsächlich die am Boden lebenden Lebewesen leiden dann unter Sauerstoffmangel.

Dramatischer Schwund von Sauerstoff im Tiefenwasser

Eine Forschergruppe des Leibniz-Instituts konnte am Kleinen Gollinsee nördlich von Berlin beobachten, dass der gelöste organische Kohlenstoff binnen weniger Monate von 10 Milligramm pro Liter auf 50 mg/l zunahm und das Seewasser braun färbte. Das hatte weitreichende Folgen, darunter auch einen dramatischen Schwund des Sauerstoffs im Tiefenwasser. "Dadurch sind damals alle Wasserpflanzen und bodenlebende Wassertiere in dem See abgestorben", berichtet Gessner.

Ein Grund für den extrem schnellen und starken Anstieg lag vermutlich darin, so Gessner, dass in den trockeneren Jahren der Grundwasserspiegel sank und dadurch vermehrt organische Substanz umgewandelt wurde. Mit dem später wieder steigenden Wasserstand wurde der dadurch gebildete gelöste organische Kohlenstoff mobilisiert und aus den Böden im Einzugsgebiet ausgewaschen. Begünstigt hat die Braunfärbung des Sees dabei, dass sich die hohen Einträge auf ein relativ kleines Wasservolumen verteilten. Gessner: "Momentan erholt sich der See wieder."

Braunes Wasser erhöht die Freisetzung von CO2 aus dem Gewässer

Mit der Bräunung des Wassers gehen noch weitere Probleme einher. So verursachen sie auch einen erhöhten Ausstoß von Kohlendioxid (CO2). Das liegt an dem organischen Material, das die Bräunung verursacht. Millionen von Mikroorganismen in den Gewässern wandeln das organische Material effektiv zu CO2 um, das dann aus den Gewässern ausgestoßen wird. So können sich Gewässer von einer CO2-Senke zu einer CO2-Quelle wandeln. Starke Niederschläge können das Phänomen verstärken, weil dann mehr Nahrung für die Kleinstlebewesen in Form von organischem Material in die Gewässer gespült wird.

Auch Forst- und Landwirtschaft tragen zur Bräunung bei, wenn sie nicht nachhaltig betrieben werden. In Deutschland wird ein Drittel der überflutbaren Auen als Ackerflächen sowie als Siedlungs-, Verkehrs- und Gewerbeflächen genutzt, steht also als Stau- und Versickerungsraum nicht zur Verfügung. Nur 9 Prozent der Auen sind noch ökologisch weitestgehend intakt.

Eine Renaturierung der Flüsse und die Wiederanbindung an Auen könnte nicht nur die zunehmende Bräunung stoppen, sondern auch Raum für eine vielfältige Tier- und Pflanzenwelt schaffen. Funktionierende Auen filtern Oberflächenwasser und halten es in der Landschaft. So beugen sie Dürren vor und bieten Raum für einen vorbeugenden Schutz vor Hochwasser und Fluten, etwa nach Extremregenereignissen.

Verwendete Quellen:

  • IPCC Reports: Chapter 2: Terrestrial and Freshwater Ecosystems and their Services
  • Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz: Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz
Dieser Beitrag stammt vom Journalismusportal RiffReporter. Auf riffreporter.de berichten rund 100 unabhängige JournalistInnen gemeinsam zu Aktuellem und Hintergründen. Die RiffReporter wurden für ihr Angebot mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet.

  © RiffReporter

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.