Die langfristige Finanzierung des Deutschlandtickets bleibt weiterhin ungewiss. Dabei ist das Ticket ein voller Erfolg für Klimaschutz und soziale Teilhabe. Eine Kolumne.

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Mit dem ÖPNV in Deutschland zu fahren, war bislang vor allem eines: kompliziert. Insgesamt gibt es mehr als 60 Verkehrsverbünde mit eigenen Tarifen und Apps. Auch auf meinem Smartphone häufen sich Apps der verschiedenen Verkehrsverbünde, vom Hamburger HVV, der Berliner BVG bis zum Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen VBN und den Leipziger Verkehrsbetrieben LVB.

Hinzu kommen die Kosten: Allein für die ÖPNV-Monatskarte in Berlin zahle ich normalerweise 69 Euro. Wenn ich meine Familie in Leipzig oder Hamburg besuche, kosten die Tageskarten mittlerweile um die 9 Euro. Und eine Einzelfahrt ans Meer mit der Regionalbahn kostet von Berlin aus 48 Euro – preiswert sieht anders aus.

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Das Deutschlandticket ist einfacher und günstiger

Mit dem Deutschlandticket für 49 Euro monatlich ist das Ganze einfacher und vor allem günstiger geworden. Egal, wo ich in die Busse, Straßenbahnen, S- und U-Bahnen oder Regionalzüge einsteige – ich brauche keine zusätzlichen Apps mehr, auch die panische Fahrkartensuche entfällt. Ich steige ein und fahre los. Das geht sogar bis ins Ausland.

Ja, ich bin großer Fan des Deutschlandtickets. Ich nutze es so gut wie jeden Tag. Und ich bin damit nicht allein. Das sieht man daran, wie überfüllt die Züge teilweise sind. Wer schon einmal von Hamburg über Schwerin nach Berlin gefahren ist, weiß, wovon ich spreche. Die Züge sind auf dieser Strecke voll mit Familien, Seniorinnen, Studierenden, Schülern, Backpackern und Pendlerinnen. Einen Sitzplatz zu ergattern, ist da oft ein Glücksfall.

Aktuelle Zahlen belegen meine subjektive Wahrnehmung. Mehr als zehn Millionen Menschen nutzen das Deutschlandticket bereits. Seit der Einführung des Nahverkehr-Abos ist die Zahl der Fahrgäste im Regionalverkehr um 18 Prozent gestiegen, sagte kürzlich die für den Regionalverkehr zuständige DB-Vorständin Evelyn Palla.

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Mehrheit der Deutschen unterstützt das Deutschlandticket

In einer aktuellen Umfrage des "Stern"-Magazins sprechen sich außerdem zwei Drittel der Befragten dafür aus, dass das Ticket für 49 Euro bleiben muss. Es bringt mehr Menschen auf die Schiene und gerade als Abozahlerin und Pendler spart man erheblich an Geld. Kurzum: Das Ticket ist ein voller Erfolg. Dennoch steht es auf der Kippe.

Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat zwar bestätigt, dass das Ticket bestehen bleiben soll. Für die Finanzierung sollen nicht verbrauchte Mittel aus diesem Jahr im nächsten Jahr eingesetzt werden. Doch eine langfristige Finanzierung ist weiterhin nicht gesichert. Auch eine Erhöhung des Ticketpreises ist nicht ausgeschlossen.

Warum wir ein 29-Euro-Ticket brauchen

Doch genau eine solche Preiserhöhung wäre fatal und vor allem kontraproduktiv. Schon heute gibt es viele Menschen, die das 49-Euro-Ticket nicht haben, weil es zu teuer ist oder weil es sich nicht für sie lohnt, weil sie zum Beispiel auf dem Land leben, wo der Nahverkehr schlechter ausgebaut ist. Steigt der Preis weiter an, wird auch das Abo immer unattraktiver. Würde das Ticket 59 Euro oder gar 69 Euro kosten, würde sich das nur für viel fahrende Bus- und Bahn-Nutzerinnen und -Nutzer in Großstädten wie mich lohnen – ein falsches Signal.

Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum für Sozialforschung in Berlin sagte in einem Interview mit dem Deutschlandfunk (DLF), dass bereits das 49-Euro-Ticket zu teuer sei und der perfekte Preis 29 Euro betragen müsste, um viel mehr Menschen in die Züge zu holen. Für 29 Euro würden auch die Leute ein Abo kaufen, die sonst den öffentlichen Personennahverkehr nicht nutzen würden. Durch den Anstieg der Abonnentinnen und Abonnenten würden auch die Einnahmen steigen. Das erleichtere die Finanzierung des Tickets.

Bei einem 29-Euro-Ticket lässt man das Auto eher stehen als bei einem 49- oder 59-Euro-Ticket. Es ermöglicht ärmeren Menschen mobil zu sein, steigert die soziale Teilhabe. Es fördert in Deutschland die so dringend benötigte Mobilitätswende. Denn gerade der Verkehrssektor verfehlt hierzulande Jahr um Jahr die Klimaziele.

Deutschlandticket braucht Unterstützung

Volker Wissing wurde für die Einführung des Deutschlandtickets vor Kurzem mit dem Innovationspreis ausgezeichnet. Und auf den ersten Blick wirkt es wie ein schlechter Witz, dass gerade ein Verkehrsminister, der Autobahnen ausbauen und wichtige Klimaschutzmaßnahmen blockiert, ausgezeichnet wird. Gleichzeitig verstehe ich die Juryentscheidung. Wir sollten das Deutschlandticket, am besten eins für 29 Euro, viel mehr loben. Es ist eine ideale Lösung, um die Menschen vom Auto in die Busse und Bahnen zu holen – und gerade daher braucht es jetzt jede Unterstützung. Natürlich braucht es zusätzlich den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, insbesondere auf dem Land. Denn auch ein preiswertes Deutschlandticket hilft wenig, wenn man es gar nicht erst nutzen kann.

Vorschläge für die langfristige Finanzierung des Deutschlandtickets gibt es einige. Laut einer Studie des Forums Sozial-Ökologische Marktwirtschaft bringt der Bund pro Jahr rund 5,5 Milliarden Euro Steuergelder für die Subventionierung von Dienstwagen auf – die meisten sind nach wie vor klimaschädliche Verbrenner. Das Deutschlandticket kostet den Bund dieses Jahr hingegen lediglich 1,5 Milliarden Euro. Eine Reform der Dienstwagenbesteuerung könnte die Finanzierung des Deutschlandtickets sichern und vor allem eine Preiserhöhung des Tickets verhindern. Wissing muss nun zeigen, dass er den Innovationspreis zu Recht bekommen hat.

Ich habe meine nächste Reise von Berlin nach Leipzig mit dem Deutschlandticket bereits geplant und werde die dreistündige Zugfahrt mit Podcast hören und Lesen verbringen – ohne Staus, ohne Spritkosten, ohne Parkplatzsuche.

Verwendete Quellen

  © RiffReporter

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