In ihrem ersten "Tatort"-Fall untersuchen die Kommissare Adam Schürk (Daniel Sträßer) und Leo Hölzer (Vladimir Burlakov) den Mord am Erben einer reichen Textilunternehmerfamilie. Wie realistisch ist das Szenario? Und wie geht es mit dem Saarland-"Tatort" weiter? Sechs Fragen und Antworten zum Krimi am Ostermontag.

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Welche Bezüge zur Realität hat der neue Saarland-"Tatort"?

Bei der Aufklärung des Falles stoßen die Kommissare auf das Thema Zwangsarbeit im Zweiten Weltkrieg. Das Projekt "Zwangsarbeit 1939-1945" an der Freien Universität Berlin geht von zwölf Millionen Menschen aus, die damals für das nationalsozialistische Deutschland arbeiten mussten. Ohne sie wäre die landwirtschaftliche Versorgung und Rüstungsproduktion nicht möglich gewesen.

Dazu gehörten zwangsverpflichtete Zivilisten aus überfallenen Ländern ebenso wie KZ-Häftlinge und Kriegsgefangene. Erst Jahrzehnte nach Kriegsende begannen sich Firmen wie Bayer, Daimler, Krupp oder Siemens ihrer Vergangenheit zu stellen. Selbst dann wurde die Beschäftigung - wie Patriarch Bernhard Hofer das im Film tut – häufig damit entschuldigt, dass es die während des Krieges eben allgemein übliche Praxis und ein Ausdruck der Vaterlandsliebe gewesen sei.

Schreckliche Berühmtheit erlangte die Verteidigung des IG-Farben-Managers Fritz ter Meer 1948 vor dem Alliiertengericht: Den Arbeitern "ist kein besonderes Leid zugefügt worden, da man sie ohnedies getötet hätte." Doch nicht nur Großunternehmen, sondern auch kleine Handwerksbetriebe, Bauern und Privathaushalte forderten immer mehr ausländische Arbeitskräfte an und waren so mitschuldig an dem ausbeuterischen System.

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Im Film geht es vor allem um russische Zwangsarbeiter. Wie sah ihr Alltag aus?

Die abfällig "Ostarbeiter" genannten Menschen aus der Sowjetunion bildeten mit über viereinhalb Millionen die Mehrheit der Zwangsarbeiter. Sie mussten das Abzeichen "OST" tragen und wurden wegen der in der deutschen Bevölkerung weit verbreiteten antislawischen Vorurteile oft besonders schlecht behandelt.

Die "Ost-Erlasse" sahen ab 1942 für sie besonders schwere Bewachung beziehungsweise Strafen vor. "In den Lager- und Betriebskantinen wurden sie nur äußerst unzureichend verpflegt", schreibt das Forschungsprojekt auf seiner Seite www.zwangsarbeit-archiv.de über die Arbeitsbedingungen nicht nur sowjetischer Kräfte, "ohne Lebensmittelmarken konnten sie von ihrem geringen Lohn nichts zu Essen kaufen und litten ständig Hunger. Die wenigen nach der oft zwölfstündigen Arbeitsschicht verbleibenden Stunden Freizeit nutzten sie zunächst, um ihr Überleben zu sichern. Sie versuchten, auf dem Schwarzmarkt Brot zu erstehen, oder putzten – gegen ein Mittagessen – für eine deutsche Familie. Damit konnten sich auch ärmere Deutsche ein Dienstmädchen oder einen Bauarbeiter ins Haus holen – wortwörtlich für ein Butterbrot."

Gibt es ein Traditionsunternehmen wie die schwerreiche Familie Hofer im Saarland wirklich?

Historisch spielt die Textilbranche im Saarland nur eine geringe wirtschaftliche Rolle – zu Zeiten der Industrialisierung waren im 19. Jahrhundert weniger als ein Prozent aller Erwerbstätigen in Textilbetrieben beschäftigt.

Unter den 1.000 reichsten Deutschen, die das Manager-Magazin jedes Jahr veröffentlicht, befanden sich 2019 neun Saarländer, darunter die Familie von Boch-Galau, Mitbesitzer von Villeroy & Boch. Jean-François Boch kaufte 1809 eine ehemalige Benediktiner-Abtei in Mettlach an der Saar und richtete dort eine Geschirrfabrik ein, heute wird das Familienvermögen auf 400 Millionen Euro geschätzt.

In St. Wendel führte Joseph Adam Bruch 1865 einen Kolonialwarenladen - sein Nachfahre Thomas Bruch soll es dank seiner Globus-Einkaufsmärkte auf ein Vermögen von 2,2 Milliarden Euro bringen. Nicht weit davon entfernt hatte auch Bäckermeister Ernst Wagner seine Idee für Tiefkühlpizzas.

Sind die beiden Darsteller auch im wirklichen Leben alte Freunde?

Nein, Daniel Sträßer und Vladimir Burlakov sind zwar beide im Juli 1987 geboren und leben heute nicht weit voneinander entfernt in Berlin, aber sie kannten sich vor den Dreharbeiten nicht.

Sträßer ist ein echter Saarländer: Er kam in Völklingen zur Welt und besuchte die freie Waldorfschule Saarbrücken. Deshalb freue ihn das Engagement als neuer "Tatort"-Kommissar auch ganz besonders, erzählt er auf der "Tatort"-Seite des Ersten: "Die Aufgabe in meinem letzten Job, den ich in Saarbrücken hatte, bestand darin, am Staden im Biergarten Merguez zu grillen und Zwickel zu zapfen." Später ließ er sich in Salzburg zum Schauspieler ausbilden und gehörte bis 2015 dem Wiener Burgtheater an.

Vladimir Burlakov freut sich aus ganz anderen Gründen, darüber, Teil dieser Fernsehinstitution zu sein. Er kam im Alter von neun Jahren mit seiner Mutter, seiner Zwillingsschwester und der jüdischen Großmutter aus Moskau.

"Auch auf die Gefahr hin, dass es etwas sentimental und pathetisch klingt: Ich dachte an meine Mama, die meine Schwester und mich nach Deutschland brachte. Die ersten Jahre in Deutschland lebte ich in Asylbewerberheimen, und ich bin verdammt stolz auf mich, dass all die harte Arbeit, von Deutsch lernen bis zum Schauspieldiplom an der Otto-Falckenberg-Schule, sich auszahlt."

Seit seiner Rolle in Dominik Grafs Mafia-Mehrteiler "Im Angesicht des Verbrechens" 2010 ist er ein viel gefragter und preisgekrönter Schauspieler.

Und wer sind die Frauen an ihrer Seite?

Die Kommissarinnen Esther Baumann (Brigitte Urhausen) und Pia Heinrich (Ines Marie Westernströer) hatten in dieser Folge die eher undankbare Aufgabe, Kommissar Hölzer das Leben schwer zu machen, weil dieser einen Kollegen in Gefahr gebracht haben soll und nun ein Disziplinarverfahren am Hals hat. Das brachte dem neuen Saarland-Team von Kritikern den Vorwurf ein, ein "Macho-Tatort" zu sein.

Die schnippische Art der beiden Frauen bildete aber einen reizvollen Kontrast zu der sentimentalen Wiedersehensfreude zwischen Leo und Adam. Diese beiden hätten im ersten Fall notgedrungen im Mittelpunkt gestanden, erklärte Vladimir Burlakov dem "Focus": "Das muss aber keineswegs so bleiben. Schon im zweiten Krimi, dessen Drehbuch schon fertig ist, wird sich das verändern."

Brigitte Urhausen spricht übrigens in den Radio-"Tatorten" des Saarländischen Rundfunks die Rolle der Kommissarin Amalie Gentner. Auch sie zeichnet sich durch ihre direkte, manchmal respektlose Art aus, weshalb es manchmal Reibereien zwischen Gentner und ihrem Chef, Hauptkommissar Michel Paquet, gibt.

Wie geht es mit dem "Tatort"-Team aus Saarbrücken weiter?

Eigentlich sollten die Dreharbeiten für den zweiten Fall Mitte April beginnen, doch wegen der Coronakrise wurden sie verschoben. Wann es losgehen kann, ist laut dem Saarländischen Rundfunk derzeit ungewiss.

Ende Januar waren Burlakov und Sträßer aber beide zu Gast in Kai Pflaumes Quizshow "Wer weiß denn sowas", wo sie Rätsel wie "Wozu lassen sich Kerngehäuse und Schale von Äpfeln weiterverarbeiten?" lösen mussten (Antwort: zu Geliermittel). Dabei versprachen sie Pflaume, bei den nächsten Dreharbeiten den Satz "Wer weiß denn sowas" in die Folge einzubauen.

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