Deutschland hatte viele Slalom-Asse. Sie wurden Olympiasieger und Weltmeister. Davon ist Linus Straßer auch als 31-Jähriger noch ein Stück entfernt. Doch sein derzeitiger Leistungs-Zenit macht Hoffnung. Seine Triumphe in Kitzbühel und Schladming sind in der deutschen Slalom-Geschichte auf jeden Fall einmalig. Sie entspringen einer einfachen Erfolgsformel.

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Linus Straßer hat Geschichte geschrieben: Die Weltcup-Slaloms in Kitzbühel und Schladming hintereinander zu gewinnen, ist noch keinem seiner prominenten Vorgänger gelungen: keinem Felix Neureuther oder dessen Vater Christian, keinem Fritz Dopfer, Armin Bittner oder Frank Wörndl. Dabei hat der 31-jährige Straßer erst fünf Weltcuprennen gewonnen.

Es könnten schon so viele mehr sei. Das Potenzial war bei Straßer immer vorhanden. Doch im Slalom entscheiden Kleinigkeiten. Oft liegen angesichts der Aggressivität, mit der die Kippstangen angefahren werden müssen, nur Millimeter zwischen Sieg und Einfädler. Und dann der Kopf. Siege entstehen dort.

"Mir fällt es gerade sehr sehr leicht, mich auf die ganz wesentlichen Sachen zu konzentrieren", sagte Straßer nach seinem Erfolg in Schladming im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk, als er mit Experte Felix Neureuther und Moderator Markus Othmer um die Wette strahlte. "Wenn der Felix mal den Hut zieht ...", gab Straßer einen Einblick in seine Gefühlswelt. In Schladming war er bereits 2015, in seiner ersten Weltcupsaison und in seinem siebten Rennen auf diesem Niveau, auf Anhieb Fünfter geworden. Und 2022 gewann er auf der Planai, um dann 2023 im ersten Lauf auszuscheiden.

Das ist Straßers Erfolgsrezept

Straßer hat alle Höhen und Tiefen erlebt. Er musste 57 Weltcupslaloms bestreiten, um am 6. Januar 2021 in Zagreb nicht nur sein erstes Podium zu erklimmen, sondern sogar Platz eins.

"Es ist gerade total simpel für mich."

Linus Straßer

Drei Jahre später hat er erstmals zwei Rennen in Folge für sich entschieden. "Das Momentum koste ich aus." Die Erklärung für seinen Aufstieg zum Siegfahrer, der sich tatsächlich nicht über Nacht vollzogen hat, sondern ein Prozess ist, in den Talent, Können, Erfahrung und stetige Fehleranalyse einfließen, ist "simpel", so Straßer selbst: "Ich stehe gut über dem Ski. Ich habe so ein gutes Gespür für meine Position." Deswegen bilanzierte er nach seinem erneuten Triumph: "Besser geht es nicht."

Besondere Freude herrscht auch beim TSV 1860 München, dessen Fußballer in der 3. Liga dem Abstieg mal wieder näher sind als dem alljährlich angepeilten Aufstieg. Aus der Skiabteilung der "Löwen" stammt Straßer. Und die jubelte in den sozialen Medien am Abend von Schladming mit: "Wahnsinn! Nach Kitzbühel gewinnt Linus mit dem Nachtslalom von Schladming den nächsten Skiklassiker! Vor Noel Clement (3.) und Timon Haugan (2.) fährt Skilöwe Straßer mit einer Zeit von 1:45.20m auf Platz 1! Wow! Gratulation."

Linus Straßer rast in Schladming die vereiste Planai herunter und zum Sieg im Nachtslalom
Linus Straßer rast in Schladming am 24. Januar 2024 die vereiste Planai herunter und zum Sieg im Nachtslalom. Für Straßer ist es drei Tage nach dem Erfolg in Kitzbühel der zweite Sieg nacheinander. © AFP/Kerstin Jönsson

Straßers Entwicklung ist vor dem Hintergrund umso bemerkenswerter, dass er nach Platz neun im Slalom bei der Ski-WM im Februar 2023 im französischen Courchevel "keine Lust mehr" verspürte und im Sommer gar nicht mehr trainieren wollte. "Ich hatte keinen Bock mehr. Das hat aber jeder, das hat auch jemand, der fünf Tage die Woche ins Büro geht, dass er keine Lust mehr hat." Das erzählte er vor Beginn der Saison 2023/24 in einem Interview mit dem SID.

Linus Straßer hat sich nach der WM-Enttäuschung zurück gearbeitet

In diesem Moment der Lustlosigkeit und des Zweifelns, der fehlenden Motivation, sei die Disziplin des Leistungssportlers zum Tragen gekommen. Straßer habe es als "Arbeit" gesehen, dranzubleiben. "Du kommst wieder auf andere Gedanken. Und dann geht es auch wieder." Aber er habe sich zwingen müssen.

Mit bemerkenswertem Erfolg, wie zu sehen ist. In der ewigen deutschen Siegerliste schloss Straßer mit fünf Erfolgen - vier Slaloms und ein City-Event - zu Abfahrer Thomas Dreßen auf, der zuletzt seine Karriere beendet hatte. Vor ihm stehen nur noch Felix Neureuther (13), Markus Wasmeier (9) und Bittner (7).

Gefühl der Unverwundbarkeit

Straßers Vorstellungen lassen erahnen, dass weitere Siege folgen könnten. Er fühle sich gerade "bulletproof", also unverwundbar, erzählte der Familienvater im ORF. "Mir kann man hinsetzen, was man will."

Das hatte er bei dem Nacht-Spektakel eindrucksvoll bewiesen. Weder strömender Regen noch eine schwierige Kurssetzung und eine knifflige Piste im Finale konnten Straßer stoppen. Er gewann mit 0,28 Sekunden Vorsprung von dem Norweger Timon Haugan - die restliche Konkurrenz war schon mehr als eine Sekunde langsamer als der Deutsche. "Das sind Momente fürs Leben", sagte der Triumphator.

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Selbst die deutschen Trainer und Betreuer waren baff, wie Alpin-Chef Wolfgang Maier berichtete. Haugan hatte bei seinem zweiten Durchgang eine Fabelzeit vorgelegt, Straßer bekam den Jubel des norwegischen Teams im Starthaus mit. "Shit, habe ich mir gedacht, jetzt muss ich Gas geben", erzählte Straßer im Anschluss grinsend. Er war erstmals in seiner Karriere als Führender und damit letzter Starter in ein Finale gegangen - der Druck vor 22.500 Zuschauern war riesengroß.

"Linus ist in der absoluten Weltspitze angekommen."

DSV-Alpindirektor Wolfgang Maier

"Und dann legt der Linus nochmal einen drauf. Das war sportlich eine absolute Top-Leistung", sagte Maier. Sein Schützling bewies, dass der Kitzbühel-Erfolg kein Zufall war. "Die zwei Siege zeigen, dass Linus jetzt in der absoluten Weltspitze angekommen ist, und das mit Ansage und einer Souveränität, wenn man sein Skifahren anschaut."

Der Rückstand auf Manuel Feller schmilzt

Nachdem der Österreicher Manuel Feller die ersten Slaloms der Saison dominiert hatte, ist der Schwung nun bei Straßer. In der Weltcup-Wertung liegt der Deutsche nach nur einem Ausfall in sechs Rennen und fünf Platzierungen in den Top Ten nur noch 132 Zähler hinter dem Tiroler. "Mir fällt Skifahren im Moment sehr einfach. Ich gehe mit einer Lockerheit an den Start. Ich will das Momentum beibehalten und so weitermachen. Aber heute wird erstmal gefeiert", kündigte Straßer an. Der nächste Slalom steht am 4. Februar in Chamonix in Frankreich an. Dann ist der Oberbayer wieder Topfavorit.

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