Schmächtige Typen, Außenseiter-Status, überschaubares Gehalt – Kicker sind im American Football die Jungs, die im Schatten des Rampenlichts auf ihre Einsatzsekunden warten. Dabei können sie mit nur einem Kick ein Spiel entscheiden. Wie man ein Kicker wird und warum sie stets ihren Job aufs Spiel setzen.

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Die Denver Broncos gewinnen den 50. Super Bowl gegen die Carolina Panthers. Und Deutschland feiert beim Football-Hype kräftig mit. Im ganzen Land finden Final-Partys statt, als gehöre dies ganz selbstverständlich zur nationalsportlichen Identität.

Dabei mussten sich viele Fans hierzulande vor Jahren die Kenntnis über die amerikanische Profiliga NFL und die Sportart erst in ihrer Nische aneignen.

Eine markante Eigenheit des American Football ist der sogenannte Kicker. Die Kicker haben kaum Einsatzzeiten, gelten nicht als richtige Footballer und sind trotzdem oft spielentscheidend. Unsere Redaktion erklärt dieses "Phänomen".

Was machen die Kicker beim Football?

Eigentlich klingt es ganz simpel. Sie treten den Football zwischen das Torgestänge der gegnerischen Mannschaft. Ihr Job sind die sogenannten Field Goals und die Extrapunkte, in den USA "Point after Touchdown" genannt.

Vermasselt eine Offensive einen ihrer Läufe, können sie diesen immerhin noch mit einem Punktgewinn "retten". Bei diesen Field Goals variiert die Distanz zwischen 18 Yards (16,5 Meter) und der Rekordweite von 64 Yards (58,5).

Bei den Extrapunkten betrug die Distanz früher 19 Yards (rund 17,4 Meter), seit dieser Saison werden sie jedoch von der 33-Yard-Linie getreten.

Die Kicker sind meist kleiner und schmächtiger als die anderen Spieler einer Mannschaft. Ein Vergleich: Der Deutsche Sebastian Vollmer ist bei den New England Patriots Offensive Tackle, also einer der schweren Jungs, die dem Quarterback den Weg frei räumen sollen. Der 31-Jährige ist 2,03 Meter groß und 143 Kilogramm schwer.

Brandon McManus, der Kicker der Denver Broncos, ist 1,91 Meter groß und nur 91 Kilogramm schwer. Wie McManus brauchen alle Kicker eine stabile Psyche. Der Druck und die Aufmerksamkeit, die während eines Spiels auf ihnen lasten, sind riesig.

1,5 Sekunden – so lange dauert in der Regel ihre Aktion. Der Long-Snapper wirft zum Holder, der den Ball festhält. Der Kicker muss im richtigen Moment anlaufen und – noch wichtiger - optimal treffen. 1,5 Sekunden, länger können die Kollegen die Defensive kaum bremsen.

Nur ein Gedanke an ein Fehler und schon ist alles zu spät. Deshalb brauchen die Kicker auch den absoluten Tunnelblick. Und noch etwas ist hilfreich: Wenn sie gut im Fußball sind und das entsprechende Ballgefühl mitbringen.

Was ist das Kuriose an den Kickern in der NFL?

Die Kicker gehören quasi gar nicht zum Team, stehen während eines Spiels oft weit abseits, verdienen deutlich weniger und werden weniger respektiert.

Brian Billick, der die Baltimore Ravens 2000 zum Super Bowl führte, sagte als Experte des NFL Networks jüngst: "Leute, Ihr wisst, wie es ist, Ihr wollt ihnen Liebe geben. Aber man ist draußen im Trainingscamp und schwitzt und man schaut beim Üben zu den Typen rüber und die machen, was auch immer. Sie hängen nur ein bisschen rum."

Kicker seien auch Menschen, meinte Billick, aber keine Football-Spieler. "Ich habe versucht, sie wie Football-Spieler zu coachen, aber das funktioniert nicht. Man weiß nicht, wie man sich ihnen nähern soll, weil sie keine Football-Spieler sind." Sie nehmen quasi nie am Spiel teil.

"Ich bin höchstens 60 Sekunden pro Spiel auf dem Feld" sagte Star-Kicker Adam Vinatieri einmal der "New York Times". Dabei dauern Football-Spiele bis zu drei Stunden. Markant ist zudem, dass sie mit jedem Kick ihren Job gefährden.

An nur einem Spieltag entließen die Tampa Bay Bucaneers und die Pittsburgh Steelers die erfolglosen Kyle Brindza und Josh Scobee. Kai Forbath von den Washington Redskins wurde durch Dustin Hopkins ersetzt.

Dass Fußballer den Sprung in den Football wagen, ist keine Seltenheit. In den 1970er Jahren ging ein gewisser Horst Mühlmann in die NFL. Der war einst Bundesligaspieler beim FC Schalke 04. Ähnlich wie Torhüter im Fußball und Handball haben auch Kicker im Football ihre Macken.

Kai Forbath, Kicker der New Orleans Saints, trägt an seinem rechten Fuß einen Schuh, der drei Nummern zu klein ist. Links hat er die amerikanische Größe 10,5, rechts 7,5. Schmerzen gehören dazu. Doch er habe mit dem kleineren Schuh eine härtere Oberfläche zum Kicken und könne den Football somit weiter treten, erklärte der 28-Jährige einst.

Warum können die Kicker alles vermasseln?

Adam Vinatieri entschied mit seinen Kicks 2002 und 2004 den Super Bowl. Schließlich gibt ein Field Goal gleich drei Punkte. Immer wieder ist ihre Fehlerquote ein heiß diskutiertes Thema.

So auch am vierten Spieltag dieser Saison: Ganze 14 Field Goals und vier Extrapunkte setzten die Kicker daneben.

"Es ist eine einzigartige Situation, wenn man bedenkt was sie tun sollen: Wenn sie einen Kick daneben schießen, könnte einen das Spiel kosten", sagte der frühere Coach Billick.

Am fünften Spieltag entschieden fünf Field Goals entweder das Spiel oder brachten es zumindest in die Overtime. Ein falscher Kick – und die Karriere kann vorüber sein.

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